Hamburg. Hamburger American-Football-Team ist gegen Rhein Fire nicht favorisiert. Unter den 30.000 Fans sind viele prominente Namen.

Es ist der mit Abstand größte Rahmen, den ein Spiel der European League of Football (ELF) jemals hatte. Die rund 30.000 American-Football-Fans, die am Sonntag (16.25 Uhr/ProSieben Maxx) zum Heimspielauftakt der Hamburg Sea Devils gegen Düsseldorf Rhein Fire ins Volksparkstadion strömen werden, übertreffen den bisherigen ELF-Bestwert vom Finale 2021 (22.000 Fans) deutlich.

„Wir haben die Chance, Bilder zu produzieren, die um die Welt gehen können. Das Spiel kann eine großartige Visitenkarte für die Liga sein“, sagt ELF-Geschäftsführer Zeljko Karajica, der die Liga vor etwas mehr als drei Jahren mit dem bekannten Football-Experten Patrick Esume gründete.

American Football: Viele Ehrengäste bei den Sea Devils

Die Liste der Ehrengäste ist lang, die verfügbaren VIP-Logen und Business-Seats sind ausverkauft. Wenig überraschend hat sich Andy Grote (SPD) angekündigt, der Hamburger Sportsenator wird auch ins Programm der Halbzeitshow eingebunden.

Andere Namen wie Otto Waalkes überraschen auf den ersten Blick dann aber doch. Der 74 Jahre alte Komiker gilt jedoch als ausgewiesener Fan der US-Eliteliga NFL, unterstützt dort seit Jahren die Miami Dolphins – und spätestens seit diesem Jahr auch die Sea Devils, die den Blankeneser kurzerhand mit Merchandising-Artikeln ausstatteten.

Obwohl das Spiel erst am späten Nachmittag angepfiffen wird, soll der Football-Tag bereits um 11 Uhr beginnen. Bei der sogenannten Power Party gibt es auf dem Parkplatz Weiß vor dem Stadioneingang rund 20 Stände mit Musik, Essen und Mitmachangeboten sowie ein Bühnenprogramm, wo die HSV-Cheerleader und Sängerin Lorena Daum auftreten werden. Die aus der TV-Show „The Voice of Germany“ bekannte Künstlerin wird vor dem Kick-off auch die deutsche Nationalhymne singen, begleitet von einer Ehrenformation der deutschen Bundeswehr.

Halbzeitshow mit den Hamburger Goldkehlchen

Hymne und Militär-Auftritte sind nur zwei Aspekte, die sich die Sea Devils von Footballspielen aus den USA abgeschaut haben. Auch eine sogenannte Kiss-Cam – bei Heimspielen des HSV undenkbar – soll es geben, in der Halbzeitshow treten zudem die Hamburger Goldkehlchen auf. Nur der in den USA üblichen „Tailgating-Party“, bei der sich die Fans mehrere Stunden vor dem Spiel zum Grillen auf dem Parkplatz treffen, machten die Behörden eine Absage.

Bereits von 15 Uhr an findet im Stadion zudem ein Vorspiel zweier Schulteams statt, die das Regionalfinale des NFL-Flag-Football-Programms austragen. Wer den berühmten „Coin Toss“, den Münzwurf zur Seitenwahl, machen wird, halten die Sea Devils noch geheim.

Die Bühne ist für die Seeteufel so groß wie noch nie – dummerweise aber auch das sportliche Fragezeichen zu Beginn dieser Saison. Nachdem die Hamburger in den vergangenen beiden Jahren jeweils die Vizemeisterschaft feiern konnten, gab es zum Saisonauftakt bei den Wroclaw Panthers am vergangenen Wochenende den ersten Realitätscheck. Bei der 25:34-Niederlage in Polen war insbesondere die Defense, die in der Vergangenheit stets das Hamburger Prunkstück war, viel zu löchrig.

Edebali äußert sich kritisch zum Saisonauftakt

„Das war enttäuschend. Die ganze Liga war überrascht, dass die Sea Devils verloren haben“, sagt Ex-NFL-Profi Kasim Edebali im Podcast „Euroballers“. „Die Defense war immer das Aushängeschild der Sea Devils. Wenn man gegen die Sea Devils gespielt hat, wusste man als Gegner ganz genau, dass man ins Gesicht bekommt. Das war jetzt nicht mehr so.“

Edebali war in den vergangenen beiden Jahren einer der Eckpfeiler in der Hamburger Defensive, am Sonntag ist er nun als TV-Experte im Einsatz. Auch der bisherige Teamkapitän, Middle Linebacker Miguel Boock, hat seine Karriere bei den Sea Devils beendet. Die neuen US-Importspieler Maurice Wright Jr. (25/Linebacker) und Deion Harris (27/Defensive Back) müssen sich noch beweisen. Helfen dürfte am Sonntag, dass der in Polen verletzt fehlende Franzose Kevin Fortes (24/Strong Safety) in die Abwehr zurückkehrt.

ELF-Commissioner Patrick Esume (r.) mit Ex-NFL- und Sea-Devils-Akteur Kasim Edebali, der die Partie am Sonntag im Volksparkstadion kommentiert.
ELF-Commissioner Patrick Esume (r.) mit Ex-NFL- und Sea-Devils-Akteur Kasim Edebali, der die Partie am Sonntag im Volksparkstadion kommentiert. © Unbekannt | Valeria Witters

Offensiv ist Preston Haire (25) die größte Neuerung bei den Sea Devils. Der US-Quarterback zeigte bei der Auftaktniederlage sein Potenzial, kam am Ende auf starke 368 Yards, darunter zwei Touchdown-Pässe und einen selbst erlaufenen Touchdown.

Allerdings – und das war ein Grund für die Niederlage – landeten zwei seiner Pässe auch direkt in den Händen der Panthers. Eine dieser Interceptions trugen die Breslauer umgehend zurück in die Hamburger Endzone. Zudem trat der vor der Saison als Königstransfer gefeierte US-Widereceiver Malik Stanley (25) im ersten Saisonspiel noch nicht so in Erscheinung, wie man es sich von ihm erwartet.

Sea Devils müssen sich gegen Rhein Fire steigern

„Die Sea Devils hatten eine für Big Plays anfällige Defense mit Löchern in der Laufverteidigung und eine Offense, die den Ball weggibt. Das ist die Kombination für ein Desaster und muss ausgebügelt werden, wenn sie eine Chance gegen Rhein Fire haben möchten“, lautet Edebalis schonungsloses Fazit. „Es gibt viele Dinge, die noch verbessert werden müssen.“

Auch wenn die Sea Devils erneut den Titel als Saisonziel ausgerufen haben, wartet in Rhein Fire ein Gegner, der diesem Anspruch eher gerecht zu werden scheint. Am vergangenen Wochenende fertigten die Düsseldorfer, bei denen in Quarterback Jadrian Clark ein Ex-Seeteufel das Spiel lenkt, Frankfurt Galaxy mit 33:9 ab. Die Hessen gelten ebenfalls als Topteam, hatten den ELF-Titel 2021 gewonnen.

Hinzu kommt, dass Glen Toonga (28) Rhein Fire in den ersten vier Wochen der Saison noch nicht einmal zur Verfügung steht. Der Brite war in der vergangenen Saison der mit Abstand beste Runningback der Liga, führte die Sea Devils ins Finale. Nach seinem positiven Kokain-Dopingtest (Abendblatt berichtete) entschieden die Hamburger, sich von Toonga zu trennen. Stattdessen griff Rhein Fire zu.

Das letzte Football-Spiel im Volkspark liegt bereits rund 16 Jahre zurück. 30.528 Menschen waren damals dabei, als die Sea Devils in der NFL Europa 36:31 gegen Frankfurt Galaxy gewannen. ELF-Commissioner Esume glaubt trotz der überschaubaren Sea-Devils-Leistung des vergangenen Wochenendes, dass es am Sonntag erneut einen Hamburger Erfolg geben könnte. „Wenn Hamburg die Fehler aus dem ersten Spiel ausmerzt, sollten wir ein Spiel auf Augenhöhe haben“, sagt er.