Louis van Gaal ist bei dieser WM bislang alles gelungen – jetzt muss im Halbfinale ein Gegenmittel für Lionel Messi her. In seiner Heimat wird der stolze Coach verehrt wie noch nie.
São Paulo. Louis „van Geenial“ steht vor seinem schwersten WM-Rätsel. Mit klugen Personalentscheidungen führte der ehemalige Bayern-Coach die niederländische Elftal ins Halbfinale – und muss nun zum ersten Mal in seiner langen Karriere ein Gegenmittel für Lionel Messi finden. Arjen Robben & Co. vertrauen für das prickelnde Duell mit Argentiniens Superstürmer voll auf das Genie ihres verehrten Trainers. „Louis van Gaal ist einfach fantastisch“, schwärmte Dirk Kuyt vor der Partie in São Paulo. „Von der ersten bis zur letzten Sekunde ist er auf alles vorbereitet. Das wird auch am Mittwoch so sein.“
Durch die unglaubliche Serie an richtigen Schlüssel-Maßnahmen – mit dem Torwart-Tausch vor dem Elfmeterschießen im Viertelfinale als vorläufigem Höhepunkt – hat sich der selbstverliebte van Gaal in der Heimat den lange erhofften Status erarbeitet. Der frühere Nationaltrainer Dick Advocaat pries ihn sogar als „besten Coach der Niederlande aller Zeiten“ und lobte nach dem überraschenden Durchmarsch bei dieser WM. „Er hat immer den schwersten Weg gewählt. Wenn jemand etwas mit diesem Team erreichen kann, dann ist es Louis“.
Auch wenn Lieblingsfeind Johan Cruyff noch an einer zu defensiven Spielweise herummäkelt, sieht sich der Vize-Weltmeister von 2010 auf dem bestem Weg zum Premierentitel. Nur noch ein Sieg – dann ist die Wiedergutmachung für das unglücklich gegen Spanien verlorene Finale von Südafrika möglich. „Wir haben großen Glauben. Ich bin überzeugt, dass wir Argentinien packen können“, verkündete Topstürmer Robin van Persie. „Van Geenial steht auf dem Weg zum ewigen Ruhm nun vor der Herausforderung Messi“, titelte das „Algemeen Dagblad“.
Und was sagte der Hochgelobte selbst? „Sie haben wenig Fußball gespielt“, stichelte van Gaal gegen den kommenden Gegner. Viel wird vom Offensiv-Duell der beiden Superstars abhängen. „Sie haben zwar einen gewaltigen Spieler, aber das bedeutet nicht, dass sich alles nur um Messi dreht“, betonte Robben. Auch wenn sie unterschiedliche Rollen erfüllen – der Niederländer als pfeilschneller Flügelantreiber, Messi als dribbelnder Ballverteiler – ist der Angriff beider Teams elementar auf sie zugeschnitten. „Natürlich haben die Argentinier Messi, der etwas Verrücktes machen kann, aber wir haben Robben“, erklärte der nächste Bondscoach, Guus Hiddink.
Van Gaal hat immer ein Ass im Ärmel
Die Arbeit seines Vorgängers bewertete auch er als „exzellent“. Die Serie der Glücksgriffe van Gaals, der nach der WM zu ManUnited gehen wird, wirkt nahezu irreal: Zum Auftakt kehrte er vom 4-3-3-System, das als nationales Fußballerbe verehrt wird, ab und schockte Titelverteidiger Spanien mit 5:1. Beim 3:2 gegen Australien wechselte er in Memphis Depay den Siegtorschützen ein – ein Coup, der ihm gegen Chile (2:0) mit Leroy Fer und erneut Depay gleich doppelt gelang.
Im Achtelfinale setzte van Gaal auf Klaas-Jan Huntelaar als Joker. Der Schalker erzielte in der Nachspielzeit prompt das 2:1 gegen Mexiko. Die erfolgreiche erste Torhüterauswechslung vor einem Elfmeterschießen in der WM-Geschichte versetzte seine Spieler endgültig ins Staunen. „Es ist eine Ehre, so einen Trainer zu haben“, sagte Keeper Tim Krul, der zwei Schüsse gegen Costa Rica hielt. „Er beweist, was er für ein taktisches Verständnis hat.“
Wer van Gaal dieser Tage beobachtet, erlebt einen 62-Jährigen, der einerseits vor Stolz schier zu platzen droht, andererseits aber mehr in sich ruht als wohl jemals zuvor in seiner Laufbahn. Noch kurz vor dem brisanten Halbfinale saß er nach dem Training mehrere Minuten neben dem Oranje-Pressesprecher auf einer weißen Bank und genoss die malerische Aussicht auf Rios Christus-Statue.
Sein Matchplan gegen Messi könnte wieder eine eng stehende Defensive vorsehen, die fast zur Siebenerkette wird. Auch die verzwickte Personalsituation mit dem drohenden Ausfall von Innenverteidiger Ron Vlaar und den sehr geringen Einsatzchancen der angeschlagenen Leroy Fer und Nigel de Jong nimmt der Trainer-Senior äußerlich gelassen.
Das Sieger-Gen hat er seinen Spielern sowieso schon vermittelt – die zudem den in Deutschland so beliebten van Gaalschen-Sprachduktus wiedergeben. „Wir können jeden schlagen“, sagte Routinier Kuyt. „Am Mittwoch heißt es: Tod oder Gladiolen.“