Eine TV-Kritik über nervige Werbespots beruhigenden Substanzen und einen Kommentator, der erst bei der zweiten hochkarätigen Chance die Stimme endlich mal hebt.
Oh, Mann! Das Fernsehen muss dringend Spots von Baldrian oder Herstellern anderer beruhigender Substanzen bringen, damit wir uns vor dem Halbfinale chemisch adäquat auf den nächsten drohenden Nervenzerriss einstellen können. Sonst erleidet die Nation noch den kollektiven Herzkasper vor dem Bildschirm. Das nicht nur in der Schlussphase aufreibende Viertelfinale gegen Frankreich bot Adrenalin pur.
Da ist es dem Kommentator Steffen Simon hoch anzurechnen, dass ihm erst bei der zweiten verpassten goldenen Torchance von André Schürrle kurz vor dem glücklichen Ende die Stimme kurz mal außer Kontrolle geriet. Sonst bot Simon durchgehend eine fabelhafte, hoch konzentrierte Leistung, in der Spielanalyse und –verfolgung einander ideal ergänzten.
Aber hatte Jogi Löw ganz arglos ein Hemd ausgerechnet in jenem tiefen Blau angezogen, auf das die Franzosen seit alters gern ihre Bourbonenlilie drapieren? Oder war da höhere badische Perfidie im Spiel? Jedenfalls nützte den Bleus die freiwillige oder unfreiwillige farbliche Ehrenbezeugung des Bundestrainers im Ergebnis nichts. Der gallische Hahn war mächtig gefährlich, aber der Adler obsiegte.
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Diese brasilianischen Mittagsspiele im Fernsehen gucken ist wie Scharade; welches Sprichwort wollen uns die Kameraleute erraten lassen? Genau: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Es muss uns Abermillionen Smartphone-Fotografen trösten, dass auch die Topkameras des Fernsehens vor solchen Lichtverhältnissen zwischenzeitlich kapitulieren und die Sache erst mal grundsätzlich düster wird, kaum geht der Ball in die schattige Hälfte.
Aufhorchen ließ mich Simons Mitteilung, Frankreichs Trainer Didier Deschamps habe in der Halbzeitpause dem französischen Fernsehen in einem Interview mitgeteilt, was er den Spielern gerade in der Kabine gesagt hatte. Kein Gedanke, dass wir so etwas auch in unserem Fernsehen sehen. Mehmet Scholl und Matthias Opdenhövel durften nach Endloswerbung in den Pause jeder einen kurzen Satz sagen, dann gaben sie brav „zurück nach Berlin“. Aber da übernahm niemand. Es kam nur die nächste Batterie der immer gleichen Werbespots. Und kein Baldrian dabei.