Roland Eitel, Medienberater sowohl von Joachim Löw als auch von Jürgen Klinsmann, bestätigt vor dem Duell Deutschland gegen die USA die Freundschaft der beiden Nationaltrainer. Tatsächlich eint die Fußballlehrer so einiges.
Santo André. Anfang Dezember war es nur eine Spielerei. Eine dieser typischen Belanglosigkeiten der Medien. Ob er sich Deutschland als möglichen Gruppengegner wünschen würde, wurde Jürgen Klinsmann wenige Minuten vor der Auslosung in Costa do Sauipe am 6. Dezember gefragt. „Fragt mich besser nicht“, antwortete der Nationaltrainer der USA und lächelte. Ein typisches Klinsmann-Lächeln. Es kann alles bedeuten. Oder gar nichts. Aber was soll man auch anderes auf so eine Was-wäre-wenn-Geschichte antworten? 32 Mannschaften sind bei der WM dabei. Wie groß ist da die Wahrscheinlichkeit, dass Klinsmann mit den USA ausgerechnet auf Deutschland und Joachim Löw, seinen einstigen Co-Trainer, trifft?
Einige Minuten später war die Antwort klar: groß. Sehr groß. Wieder lächelte Klinsmann sein typisches Klinsmann-Lächeln. „Diese Auslosung gibt uns die Möglichkeit zu beweisen, dass wir auch gegen große Nationen bestehen können“, sagte er. Schon klar. Das Baseball-Basketball-Football-Land USA glaubt also tatsächlich an seine Chance gegen den dreifachen Weltmeister. In Deutschland lachten viele.
Zwei Vorrundenspiele gegen Ghana und Portugal und etwas mehr als ein halbes Jahr später lacht keiner mehr.
Am Donnerstag trifft Deutschland mit Bundestrainer Löw beim Gruppenfinale in Recife auf die USA mit Nationalcoach Klinsmann. Der Gewinner ist Gruppensieger. Der Verlierer muss unter Umständen sogar nach Hause reisen. Aus der Spielerei ist ernst geworden.
Jürgen Klinsmann, Schwabe, Bäckerssohn, 49 Jahre alt, also gegen Joachim Löw, Badener, Sohn eines Ofensetzers, 54 Jahre alt. Es ist ein fußballhistorischer Treppenwitz, dass sich ausgerechnet die beiden Freunde aus Baden-Württemberg im Duell um den Sieg der Gruppe G nun gegenüberstehen. Und natürlich wird die Beziehung Löw-Klinsmann medial in diesen Tagen in etwa so seziert wie das Verhältnis Mick Jaggers zu Keith Richards. Sind die beiden nun Freunde oder doch nur Kollegen? Aber vor allem werden die Unterschiede der beiden Fußballlehrer betont. Der eine, Klinsmann, Weltmann aus Kalifornien. Der andere, Löw, Spießbürger aus dem beschaulichen Breisgau. Der eine, Löw, wolle nichts anderes als den Titel. Der andere, Klinsmann, wolle die ganze Welt verändern. Das einzige, was die beiden eine: ihre Unterschiede. Doch stimmt das denn überhaupt?
Medienberater bestätigt Freundschaft
Roland Eitel, Poloshirt, kurze Hose, Adiletten, sitzt auf der Terrasse seines Hotels Tuku Village und grinst. „Natürlich haben die beiden sehr viel mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede.“ Der Medienberater der beiden Trainer weiß, dass vor dem Duell Klinsmann gegen Löw die Coaches verglichen werden. Seit 1990 betreut Eitel Klinsmann. Löw berät der Schwabe seit 1998. „Freundschaft ist ein sehr großes Wort“, sagt Eitel, „aber Jogi und Jürgen sind Freunde, echte Freunde.“
Beim Trainerlehrgang 2000 haben sich Klinsmann und Löw erstmals so richtig kennengelernt. Im Unterricht saßen die beiden angehenden Fußballlehrer nebeneinander. „Klinsmann war sehr angetan von Löws Art“, sagt Eitel, „Jogi hat Jürgen fachlich überzeugt.“ Als Klinsmann dann vier Jahre später nach einem Co-Trainer suchte, sollte zunächst Holger Osieck sein Assistent für das Projekt 2006 werden. Klinsmann lehnte ab und entschied sich für den in Deutschland nahezu unbekannten Löw. Der eine, Klinsmann, galt eher als der Managertyp. Der andere, Löw, war der Fußballlehrer. Die beiden ergänzten sich perfekt. Und in ihrer Philosophie von Fußball waren sie sich ohnehin schnell einig.
Oberflächlich betrachtet ähneln sich die beiden Trainer, die Fußball-Deutschland beim Sommermärchen 2006 gemeinsam revolutionierten, sowieso. Schon damals hatten Klinsmann und Löw ein Faible für taillierte Hemden, für perfekt sitzende Hosen. An der Seitenlinie im Otto-Rehhagel-Gedächtnis-Trainingsanzug? Für Klinsmann und Löw gleichermaßen undenkbar. Löws blauer Kaschmirpullover brachte es bei der WM 2010 in Südafrika genauso zu nationaler Berühmtheit wie Klinsmanns neues Faible für sportlich-elegante Khakihosen. Dem „The New Yorker“ war Klinsmanns Stil gerade erst ein eigener Artikel wert. Sein Style wird als „Suburban-dad casual“ beschrieben, als lässiger Vorstadtvater.
Sehnsucht nach Ruhe
Doch Löws und Klinsmanns Gemeinsamkeiten hören nicht beim Kleiderschrank auf. Obwohl der eine in Huntington Beach und der andere in Au-Wittnau nahe Freiburg lebt, eint die Trainer ihre Sehnsucht nach Ruhe. Der Rummel um ihre Personen, der Hype, das ganze Drumherum. Das alles ist ihnen suspekt. „Klinsmann und Löw geht es in erster Linie um Fußball und Lebensqualität“, behauptet Medienberater Eitel, „beide könnten auch Vorwärts Bangkok trainieren – und trotzdem wären sie glücklich, wenn die Rahmenbedingungen stimmen würden.“
Aber natürlich haben sich die beiden Trainer auf ihre Art und Weise mit den Medien arrangiert. Nur zu nah lassen sie niemanden an sich heran. Die öffentliche Kritik an Klinsmanns Heimatflügen vor der WM 2006 wollte dieser genauso wenig verstehen wie Löw die Berichterstattung über seinen Führerscheinentzug. „Glauben Sie im Ernst, irgendeinen in der Mannschaft interessiert es, dass ich meinen Führerschein abgeben muss?“, fragte der Bundestrainer den „Spiegel“. Und obwohl Löw in der deutschen Provinz zu Hause ist, ist er mitnichten ein Provinzler. In der Türkei konnte er sich den Status „Volksheld“ erarbeiten; auch in Österreich und in der Schweiz fühlte er sich zu Hause. Genauso wie Klinsmann ein guter Gast in Italien, Frankreich und England war. Und seit nunmehr 16 Jahren in den USA. Am wenigsten strittig ist allerdings, dass beide die gleiche Fußballphilosophie teilen. Klinsmann und Löw denken offensiv. „Die beiden sind klassische Angriffstrainer“, sagt Eitel. Die attraktive und nach vorne ausgerichtete Spielweise, mit der Löws Mannschaft ganz Deutschland in den vergangenen Jahren verzauberte, hat ihren Ursprung im Sommer 2006. Dabei ärgert Klinsmann noch heute, dass er lediglich als Motivator des WM-Erfolgs galt, Löw aber als der eigentliche Denker dahinter. Verfestigt wurde der Eindruck durch Sönke Wortmanns Kinofilm „Deutschland. Ein Sommermärchen“, den Klinsmann im Gegensatz zu DFB-Manager Oliver Bierhoff vor Erscheinen nie gesehen hat. „Niemand bedauert das mehr als ich“, sagte Regisseur Wortmann vor Kurzem dem Abendblatt, „Jürgen Klinsmann war der Initiator, der Mann, der für die Abkehr vom Rumpelfußball in Deutschland gesorgt hat, was heute leider in Vergessenheit geraten ist.“
Doch in der öffentlichen Wahrnehmung blieb Klinsi der Heißmacher, Joachim Löw das taktische Mastermind. Das alles würde Klinsmann wohl nur wenig stören, wenn es nicht sein Intermezzo bei Bayern München gegeben hätte. Nach knapp zehn Monaten war Schluss für den Schwaben beim Rekordmeister. Eine Entscheidung, die den ehemaligen Bundestrainer noch bis heute beschäftigt. Schon damals war Klinsmann schwer genervt, dass er den früheren HSV-Torhüter Hans-Jörg Butt nicht als Nummer eins einsetzen sollte, weil Bayerns Übervater Uli Hoeneß Michael Rensing den Job als Oliver-Kahn-Nachfolger versprochen hatte. Im Nachhinein sollte Klinsmann recht behalten – und nur aus taktischen Gründen verzichtete der heutige US-Coach auf eine öffentliche Bayern-Abrechnung.
Fünf Jahre später scheint Klinsmanns bajuwarische Episode ziemlich lange her. Doch auch der Wahl-Kalifornier weiß, dass er sein Bayern-Trauma nur mit einem Sieg über Deutschland ein für alle Mal beenden könnte. „Amerika ist kein Land, das sich mit dem zweiten Platz zufriedengibt“, sagte Klinsmann der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, „Amerikaner wollen vorangehen, Entscheidungen treffen und, wenn es geht, dominant sein.“
Bei einem Unentschieden zwischen den USA und Deutschland wären beide Nationen weiter. Garantiert. Doch Absprachen wird es nicht geben. Denn wer zuletzt lächelt, lächelt am besten.