Beim 2:1-Sieg gegen England avancierte er mit seinen beiden Toren zum Matchwinner: Vor vier Wochen hat kaum jemand geglaubt, dass Luis Suárez bei dieser WM spielen kann. Nun wurde er in 88 Minuten zum Helden.
São Paulo. Am 250. Geburtstag des Nationalhelden feierte ihn ganz Uruguay als „Volksheld“, „Heiligen“ und „besten Spieler der Welt“, also warf sich Luis Suárez in Schale. Zur Ehrung als „Man of the Match“ kam er viel zu spät - er wollte sich erst duschen und herausputzen. Im Anzug und mit lila Krawatte statt wie seine Kollegen im verschwitzten Trikot stellte er sich den Fotografen, um seinen Moment für die Ewigkeit festzuhalten.
„Das war das Spiel meines Lebens. Von diesem Tag habe ich mein Leben lang geträumt“, sagte der 27-Jährigen nach seinen zwei Toren beim 2:1 (1:0) gegen die Wahlheimat England mit Tränen in den Augen. Und hielt mit nicht enden wollendem Pathos eine Dankesrede, als habe er soeben den Oscar erhalten: „Ich danke meiner Frau, meinen beiden Kindern, den Ärzten und allen, die an mich geglaubt haben. Ich habe in den letzten vier Wochen viel durchmachen müssen, deshalb kann ich meine Emotionen gar nicht so recht in Worte fassen.“
Vor drei Wochen saß er nach einer Knie-Operation noch zwischenzeitlich im Rollstuhl. Nun war er der Hauptdarsteller an einem Tag, der laut Trainer Oscar Tabarez „in die Geschichte Uruguays eingehen wird“ - und das ausgerechnet am 250. Geburtstag von José Gervasio Artigas, dem „Vater der Unabhängigkeit Uruguays“. Da kann man schon mal pathetisch werden.
Nach seinen Treffern rannte Englands Fußballer des Jahres demonstrativ zu „Wunder-Doc“ Walter Ferreira, der ihn vier Wochen nach seiner Knie-Operation auf den Punkt fit bekommen hatte. Doch die Kräfte hatte sich Suárez auch gut eingeteilt. Er war kaum gelaufen, außer den beiden Toren hatte er kaum Szenen.
Dennoch reichten die Kräfte bis zur 88. Minute, dann musste er wegen eines Krampfes vom Platz getragen werden. Auf der Bank kullerten an der Schulter von Mitspieler Diego Perez schon die ersten Freudentränen, beim Schlusspfiff trug ihn Kapitän Diego Lugano auf den Schultern zurück aufs Spielfeld.
Dort gehörte die Bühne dann nur noch ihm: Die Ehrenrunde durfte er alleine drehen, keiner neidete der lebenden Torgarantie die Ovationen. Sogar Edinson Cavani, selbst ein Stürmerstar beim Scheich-Klub Paris St. Germain, trat freiwillig ins zweite Glied zurück: Er rannte ohne Unterlass, nahm Englands wichtigsten Spieler Steven Gerrard aus der Partie und leitete auch noch beide Treffer ein. Das Sonderlob des Trainers („Er hat eine ganz wichtige Rolle gespielt) reichte ihm als persönliche Anerkennung.
„Die Mitspieler lieben Luis“, erklärte Tabarez: „Er ist eine wunderbare Persönlichkeit. Wir bewundern ihn alle dafür, dass es tatsächlich geschafft hat, rechtzeitig fit zu werden. Ich habe ihm immer gesagt, dass ich auf ihn warten, so lange es eben dauert.“
Nun hat es Uruguay nach dem überraschenden 1:3 zum Auftakt gegen Costa Rica wieder in der eigenen Hand. „Manchmal lernt man eben aus Niederlagen mehr als aus Siegen“, meinte Tabarez mit fast schon großväterlicher Milde im Blick: „Diesmal war es ein Sieg der Zähigkeit und des Willens. Wir spielen vielleicht nicht wirklich schön, aber wir haben Spieler, die bis zum Umfallen kämpfen, ganz eng zusammenhalten und die ihr Land lieben. Das ist das Geheimnis unseres Erfolges.“
Das und Luis Suárez.