Die „unzähmbaren Löwen“ aus Kamerun machten ihrem Spitznamen alle Ehre. Trainer Finke verzweifelt an den Undiszipliniertheiten seiner Mannschaft und hat bei den Afrikanern wohl keine Zukunft mehr.
Manaus. Die Stimmung im Presseraum der Arena Amazonia war nach dem Skandal auf dem Rasen ohnehin explosiv, und Volker Finke versuchte, sich nicht noch zusätzlich provozieren zu lassen. Afrikanische Journalisten forderten nach der 0:4 (0:1)-Pleite Kameruns gegen Kroatien und dem WM-Vorrundenaus den sofortigen Rücktritt des Trainers.
Mathematiklehrer Finke aber spielte auf Zeit. „Entschuldigung für dieses Ergebnis. Aber es ist nicht der Moment, über solche Dinge zu sprechen“, erklärte der 66-Jährige. Man müsse alles „erst einmal aufarbeiten“ und einen „kühlen Kopf“ bekommen.
Doch ein Medienmann ließ nicht locker und konfrontierte Finke mit dem Vorwurf, er habe die „unzähmbaren Löwen“ nicht mehr im Griff. Als Belege dafür dienten ihm die rote Karten gegen Alexandre Song (40.) nach einer Tätlichkeit gegen Mario Mandzukic sowie die Rangelei zwischen den Teamkollegen Benoit Assou-Ekotto und Benjamin Moukandjo kurz vor Spielende. Erst der verletzte Superstar Samuel Eto'o konnte die Streithähne in den Katakomben einigermaßen beruhigen.
Auch Finke, seit Mai 2013 im Amt, war von dem Vorfall sichtlich geschockt: „Ich hasse es, so etwas zu sehen. Das ist nicht akzeptabel. Das war eine Schande und wird Konsequenzen haben“, kündigte der ehemalige Freiburger Bundesligacoach an. Die beteiligten Profis will er sich zur Brust nehmen. Doch egal, wie: Es spricht vieles dafür, dass das abschließende Vorrundenspiel am kommenden Montag gegen Brasilien in Brasilia die Abschiedsvorstellung von Finke sein wird. Auch Kameruns Ikone Roger Milla hatte immer wieder verbal gegen den Coach geschossen. Finke fehle „die Kompetenz“, Kamerun zur WM zu führen, hatte Milla gelästert.
Dabei hatte selbst Staatspräsident Paul Biya so große Hoffnungen in den Deutschen und die Auswahl um Eto'o gesetzt. Während der Neujahrsansprache hatte der 80-Jährige sich explizit an die Mannschaft gewandt und sie gebeten, „unser Volk zu verzücken. Wir sind alle mit euch“, hatte Biya gesagt und dem Team bei der Abreise an den Zuckerhut eine Flagge überreicht.
Die Bilder seiner miteinander streitenden Spieler dürften dem stolzen Staatsoberhaupt nicht gefallen haben. Auch die Bundesliga-Legionäre Eric Choupo Moting (FSV Mainz 05) und Joel Matip (Schalke 04) wussten um die Brisanz und schlichen nach der Schlappe mit all ihren negativen Nebengeräuschen durch die Mixed Zone. „Wir wollen nichts sagen“, lautete die Botschaft der beiden, die im Duell mit Kroatien blass geblieben waren.
Dabei hat Finke als Diplomat in Kamerun ganze Arbeit geleistet und in diesem Job wahrscheinlich mehr erlebt als in den vorherigen 40 Jahren seiner Trainerlaufbahn. Der Verband war im vergangenen Jahr nach einem Streit über die Wiederwahl des im Gefängnis sitzenden Präsidenten sogar einige Wochen aus der Fifa ausgeschlossen. Inzwischen hat ein vom Fußball-Weltverband eingesetzter Übergangsvorstand die Geschäfte übernommen. Eine neue Satzung und Wahlen werden gerade vorbereitet.
Alles keine optimalen Bedingungen für den Erfolg, und doch glaubt Eto'o (33) an eine große Zukunft des WM-Viertelfinalisten von 1990. „Wir haben einige sehr talentierte Spieler. Ich glaube an diese Mannschaft“, sagte der Stürmer des FC Chelsea. Dass Finke noch lange zu den „unzähmbaren Löwen“ gehören wird, ist mehr als unwahrscheinlich.