Mit seiner Urin-Affäre hat Kevin Großkreutz für Aufsehen gesorgt. Das WM-Aus droht ihm angeblich nicht. „Es tut mir leid und wird nicht wieder vorkommen“, sagte der Nationalspieler.

St. Martin. Kevin Großkreutz saß mit scheuem Blick am Pool des 5-Sterne-Hotels Andreus, blickte ehrfürchtig auf die versammelten Journalisten und trug dann mit leiser Stimme seine ehrliche, aber offenbar auswendig gelernte Entschuldigung vor. „Ich entschuldige mich bei allen. Es tut mir leid und wird nicht wieder vorkommen“, sagte der 25-Jährige fast flüsternd und erklärte: „Ich war frustriert nach einer schweren Niederlage, auch wenn das keine Ausrede sein darf.“

Nur zwei Wochen nachdem er nach einem Döner-Wurf offenbar zu Unrecht wegen Körperverletzung angezeigt worden war, hat der Nationalspieler für einen handfesten Skandal gesorgt. Nach Informationen mehrerer Medien soll er nach dem verlorenen Finale im DFB-Pokal vor Wochenfrist gegen Bayern München (0:2 nach Verlängerung) in der Lobby eines Hotels gegen eine Säule uriniert und anschließend eine Meinungsverschiedenheit mit einem anderen Gast gehabt haben.

Die Kollegen beim Nationalteam nahmen die Nachricht, die am Wochenende das Trainingslager in Südtirol erreichte, unterschiedlich auf. „Jeder weiß ja, dass unter Alkohol-Einfluss so einiges passiert. Unschön ist nur, wenn es rauskommt“, meinte beispielsweise Abwehrchef Per Mertesacker mit einem Schmunzeln. Lukas Podolski richtete dagegen einen Appell an die Vernunft des Kollegen. „Demnächst muss ihn einer zur Seite nehmen und sagen, dass man so etwas anders erledigt“, mahnte der Offensivspieler des FC Arsenal.

Unter dem Strich sprang das gesamte DFB-Team dem 25-Jährigen aber zur Seite, allen voran Oliver Bierhoff. „Als Nationalspieler muss er Vorbild sein, auch mit seinem Verhalten außerhalb des Platzes“, sagte der Teammanager in der Sendung Doppelpass von Sport1: „Aber wir sollten ihn nicht zu sehr fertig machen. Das sind junge, sehr emotionale Kerle.“

Bierhoff und Bundestrainer Joachim Löw hatten sich den Dortmunder in Südtirol aber zur Seite genommen und ihm ins Gewissen geredet. Löw sprach in der Bild-Zeitung von einem „ernsten Gespräch“, in dem man klargemacht habe, „dass so etwas nicht wieder vorkommen darf“.

„Er hat sich beim DFB immer einwandfrei verhalten“


Um seine WM-Teilnahme muss sich Großkreutz zumindest aus disziplinarischen Gründen angeblich keine Sorgen machen. Löw, der noch drei Akteure aus dem vorläufigen Aufgebot streichen muss, sprach keine Strafe aus, da sich der Vorfall nicht im Kreise des Nationalteams ereignete und betonte, „dass sich Kevin bei der Nationalmannschaft immer einwandfrei verhalten hat“. Bierhoff versicherte im Express, das Thema sei „nun erledigt“. Der Spieler selbst versicherte, es sei „alles okay. Es ist mein Ziel, bei der WM dabei zu sein“.

Wenn man bedenkt, dass eine sicher kleinere Verfehlung bei Stürmer Max Kruse zur Ausbootung geführt haben soll, wäre eine Nominierung von Großkreutz moralisch eigentlich schwer vermittelbar. Seine Vielseitigkeit – vor allem auf den personell schwach besetzten defensiven Außenbahnen gilt der Allrounder als Kandidat – könnte ihn zum Sonderfall machen. „Er wird als Spieler noch wichtig werden für uns“, äußerte Mertesacker.

Kapitän Philipp Lahm will kein klärendes Gespräch mit dem Dortmunder suchen, „weil es nicht hier passiert ist“. Vor allem aber, „weil es wichtig ist, dass er alles für seine Kameraden tut. Und das macht er“. Ähnlich äußerten sich in Manuel Neuer und Bastian Schweinsteiger weitere Leader des Teams. „Wichtig ist, dass Kevin auf dem Platz seine Leistung bringt. Alles andere sollte man nicht so hoch hängen“, sagte Stammtorhüter Neuer. Und Vize-Kapitän Bastian Schweinsteiger erklärte beschwichtigend: „Es gibt Dinge, die sind schlimmer. Mir ist wichtig, dass die Leute auf dem Platz gut Fußball spielen.“

Vom BVB wurde Großkreutz zu einer saftigen Geldstrafe verdonnert. Beim DFB wurde ihm von Bierhoff ins Stammbuch geschrieben, er müsse „lernen, manchmal sein Temperament und seine Impulsivität besser kontrollieren“. Die Vorwürfe des Döner-Wurfs bezeichnete Großkreutz derweil als „unwahr“, dem Express sagte er, er habe eine Gegenanzeige wegen Falschaussage gestellt.