Hamburg. Ulli Barth (62) leitet die Schiedsrichterabteilung des FC St. Pauli. Welche Probleme er für die Unparteiischen sieht

Seine Teilnahme am Jahresempfang des Hamburger Fußball-Verbandes (HFV) an diesem Freitag musste Ulli Barth leider absagen. Auf den Schiedsrichter-Obmann des FC St. Pauli wartet stattdessen ein anderer Job, den er sehr ernst nimmt.

Barth betreut beim DFB-Pokalderby der Frauen im Millerntor-Stadion gegen den HSV das Schiedsrichterinnen-Gespann. „Das Spiel soll Rahmenbedingungen wie bei den Profis haben“, sagt er, „das gilt auch für meinen Bereich.“

FC St. Pauli: Schiedsrichterkabine unter Südtribüne

Rund 25 Quadratmeter groß ist die Schiedsrichterkabine unter der Südtribüne , dazu ein Dusch- und WC-Raum. Fotos von aktiven und ehemaligen Schiedsrichtern hängen an der Wand, ein Flachbildschirm für die Nachbesprechung durch den Beobachter des DFB, ein Kühlschrank mit Kaltgetränken, auch Bier, steht da.

Vor dem Spiel gibt es einen Obstteller, Blechkuchen, Fruchtsäfte, Tee und Kaffee, nach dem Spiel ein warmes Essen. Glamourös ist hier nichts, das ist einfach eine Sport-Umkleide.

„Schiedsrichter sind überwiegend freundliche, zurückhaltende und angenehme Menschen, die einen Gerechtigkeitssinn haben und dafür Verantwortung übernehmen wollen“, meint Ulli Barth, „und es ist egal, ob sie in der Bundesliga pfeifen oder in der Kreisliga.“

Auf der Tribüne ist Barth Fan und nicht unparteiisch

Dementsprechend kameradschaftlich ist der Umgang mit den Referees am Millerntor, die meist etwa zwei Stunden vor Spielbeginn aus ihrem Innenstadt-Hotel abgeholt werden. Und, ganz wichtig, bevor es losgeht zeigt Barth ihnen noch, wo das Schiri-Spray lagert, das muss der Verein stellen: „Die Dose darf nicht mit ins Flugzeug.“

Mit drei Kollegen aus seiner Abteilung teilt sich der 62 Jahre alte Nachhaltigkeitsmanager in der Film- und TV-Branche den Betreuerjob. Wenn er keinen „Dienst“ hat, steht er mit seinem Kumpels als Fan auf der Gegengeraden, seit 1997.

Da repräsentiert er den Verein nicht, das ist auch mal schön. „Dafür fragen mich die Freunde nach schwierigen Entscheidungen, was das denn solle, ich sei ja Schiedsrichter“, erzählt Barth, „ich weiß das aber auch nicht immer.“ Gerade einige neuere Regelauslegungen, zum Beispiel bei Abseits oder Foulbewertungen, die DFB-Lehrwart Lutz Wagner vor der Saison herumgeschickt hat, sorgen auch in der Schiri-Szene für Diskussionen. Nützt aber nichts, es muss so angewandt werden.

Seit 2018 leitet Barth die Schiedsrichterabteilung des FC St. Pauli, mit rund 60 Aktiven seiner Aussage nach „die größte in Norddeutschland“. Von der Kreisklasse bis in die Landesliga stehen sie jede Woche auf irgendwelchen Fußballplätzen. Die Anforderungen an den Einzelnen steigen dabei. Einerseits weil ab der Kreisliga die Schiedsrichter beobachtet werden und sich regelmäßigen Regel- und Fitnesstests unterziehen müssen.

Andererseits, weil es immer weniger Unparteiische gibt. „Wir haben in Deutschland und in Hamburg in zehn Jahren 50 Prozent der Schiedsrichter verloren“, beklagt auch Barth eine negative Entwicklung, rund 3500 Schiris sind noch in Hamburg aktiv.

Einen Grund dafür sieht auch er darin, dass Respektlosigkeiten bis hin zu körperlicher Gewalt zugenommen haben: „Die Situation auf den Plätzen ist oft eine Zumutung, niemand muss sich anschreien lassen“, sagt er, „das scheint mir auch auf dem Fußballplatz ein Abbild der gesellschaftlichen Verrohung zu sein.“