Duisburg/Hamburg. St. Paulis Trainer Timo Schultz kritisiert sein Team nach dem glücklichen Weiterkommen im Pokal gegen Straelen.
Nach dem mit viel Glück erkämpften 4:3-Sieg gegen den SV Straelen änderte Timo Schultz den zuvor geplanten Ablauf der kommenden Tage. „Komplett entgegen meines Naturells habe ich der Mannschaft gesagt: Für jede Runde, die wir im DFB-Pokal weiterkommen, gibt es einen freien Tag. Von daher ist Sonntag frei. Montag ist auch frei, dafür trainieren wir am Dienstag und Mittwoch jeweils zweimal“, verkündete der Trainer des FC St. Pauli eine gute halbe Stunde nach dem Abpfiff eines überaus wilden Spiels, in dem St. Pauli gerade noch eine Pokal-Blamage hatte verhindern können.
Eine Belohnung hatte das Team jedenfalls nicht wirklich verdient. Die Regelung geht noch zurück auf die vergangene Saison. „Da habe ich diese Guido-Burgstaller-Prämie eingeführt. Burgi hatte mich immer gefragt: Na, Trainer, gibt es einen freien Tag?“, verriet Schultz über seine Konversation mit dem nach Wien gewechselten Torjäger.
Schultz kritisiert St. Paulis Profis deutlich
Timo Schultz selbst wird sich nicht viel Freizeit gönnen. „Ich habe jetzt zwei Tage Zeit, das Spiel zu analysieren. Daher werden wir am Dienstag einiges zu bereden haben“, kündigte er schon einmal an. Die wichtigsten Punkte seiner Kritik an der Mannschaft konnte er allerdings auch schon recht kurz nach dem Schlusspfiff klar benennen. „So, wie wir in der ersten Halbzeit gespielt haben, macht man einen Gegner stark. Da kannst du vorher noch so viel erzählen und immer wieder einfordern. Das haben wir einfach nicht gut gemacht. Darüber müssen wir am Dienstag ganz in Ruhe sprechen – aber auch in aller Deutlichkeit“, sagte Schultz.
Sein Team spielte feldüberlegen, konnte daraus offensiv aber kaum Kapital schlagen. Und in der Defensive zeigte sich das Team bei den Kontern der neu zusammenstellten und von Sunday Oliseh sehr gut eingestellten Mannschaft der Niederrheiner als höchst anfällig. „So wird es nicht funktionieren. So war es auch in der letzten Saison. Wenn wir irgendwo ein paar Prozente liegen gelassen haben, haben wir sofort riesige Probleme bekommen. Dann hat man nicht einmal gegen einen Regionalligisten die Garantie weiterzukommen“, stellte Schultz treffend fest. „Es ist ein absolutes No-Go, nicht mit der nötigen Intensität und Schärfe ins Spiel zu gehen. Das werde ich mal in aller Deutlichkeit ansprechen“, sagte er weiter.
Hat St. Pauli ein mentales Problem?
Ausgerechnet Doppeltorschütze Jakov Medic gab erstaunlich offen zu, dass die Mannschaft mit ihrer klaren Favoritenrolle in diesem Pokalspiel ein mentales Problem hatte. „Wenn man gegen eine bessere Mannschaft spielt, ist es einfacher für den Kopf. Heute war es schon so, dass man gedacht hat, die Vierte Liga ist nicht so stark“, sagte der Innenverteidiger, der sein Team zunächst per Kopf mit 2:1 und später mit dem Rücken entscheidend mit 4:3 in Führung gebracht hatte – jeweils nach Freistößen von Eric Smith. „Ich kann auch als Favorit am Anschlag spielen. Das muss ich verlangen – ohne Wenn und Aber“, hielt Schultz dem entgegen.
Erfreulich selbstkritisch zeigte sich nach dem Spiel auch Torwart Dennis Smarsch (23), der den Treffer zum 3:3-Ausgleich der Straelener durch einen direkt verwandelten Freistoß vom rechten Flügel durch Jaron Vicario als seinen Fehler bezeichnete. „Da habe ich offensiv gestanden, weil ich erwartet habe, dass er flankt. Das hat er nicht getan, daher stand ich zu weit innen, statt weiter links in meinem Toreck. Der Treffer geht auf meine Kappe. Wenn wir rausgeflogen wären, wäre ich jetzt sehr, sehr sauer“, sagte Smarsch. So aber hatte er doch noch gute Laune und stellte sich beim Gespräch mit den Medienvertretern in der Mixed Zone die ersten Fragen mit einem Schmunzeln selbst.
Immerhin hat sich die St.-Pauli-Mannschaft trotz aller Probleme und der Roten Karte gegen Außenverteidiger Manolis Saliakas nach einem Offensivfoul gegen Toshiaki Miyamoto noch in die zweite Pokalrunde gerettet, was dem Verein eine Prämie von 418.494 Euro beschert.
Schultz lobt St. Paulis Standards
Ausschlaggebend dafür war, dass immerhin die Standardsituationen fast schon optimal genutzt wurden. Drei der vier Treffer fielen durch Freistöße von Mittelfeldspieler Eric Smith, der die Bälle jeweils mit rechts gefährlich in den Strafraum brachte. Schon in den beiden ersten Ligaspielen waren drei der fünf Tore aus Standards entstanden. Dafür war jeweils Außenverteidiger Leart Paqarada mit seinem starken linken Fuß verantwortlich gewesen.
„Paqa und Eric sind unsere Standardschützen. Wir trainieren das mächtig und haben uns vorgenommen, dass wir da effektiver werden müssen. Da haben uns vergangene Saison auf jeden Fall Punkte gefehlt. Da waren wir nicht torgefährlich genug“, sagte Trainer Schultz dazu. „Das ist gerade eine Phase, in der es sich auszahlt. Das kann gern so bleiben.“
Gleichzeitig aber gilt es im Hinblick auf die kommenden Spiele, weiter daran zu arbeiten, aus den eigenen, teilweise hübsch anzusehenden Kombinationen mehr hochkarätige Torchancen zu kreieren und diese dann auch konsequent zu nutzen. An beiden Qualitäten mangelt es, im Gegensatz zur Hinrunde der vergangenen Saison, derzeit. „Wir werden sicher nicht in jedem Spiel drei Tore durch Standards machen“, weiß auch Trainer Schultz. Immerhin sind am kommenden Sonntag im Gastspiel beim 1. FC Kaiserslautern bei der dort herrschenden, hitzigen Atmosphäre wohl keine Motivationsprobleme bei seinen Spielern zu erwarten.
Die Statistik:
- Straelen: Kratzsch – Cirillo, Baraza, Päffgen, Miyamoto – Fionouke, Munsters (74. N'Diaye) – Mata, Vicario, Harouz – Nshimirimana (60. Munsters). – Trainer: Oliseh
- St. Pauli: Smarsch – Saliakas, Fazliji (90.+3 Dzwigala), Medic, Paqarada - Smith – Irvine, Hartel – Daschner (61. Boukhalfa) – Matanovic (61. Otto), Johannes Eggestein (78. Zander). – Trainer: Schultz
- Schiedsrichter: Tom Bauer (Neuhofen)
- Tore: 1:0 Vicario (19.), 1:1 Smith (26.), 1:2 Medic (40.), 2:2 Nshimirimana (42.), 2:3 Otto (62.), 3:3 Vicario (80.), 3:4 Medic (90.)
- Zuschauer: 5874 (in Duisburg)
- Gelbe Karten: Harouz, N'Diaye, Cirillo –
- Rote Karte: Saliakas (St. Pauli) wegen groben Foulspiels (77.)