Hamburg. Die Kapitäne Paqarada und Irvine haben ihre Rollen angenommen. Ein Transfer wäre deshalb nicht nur sportlich ein herber Verlust.

Als der FC St. Pauli vor knapp zwei Wochen vor seinem ersten Saisonspiel stand, gab es deutlich mehr offene Fragen als ein Jahr zuvor. Eine davon war, wie sich die teaminterne Hierarchie sortieren wird, nachdem in Person von Philipp Ziereis und James Lawrence (beide 29) der bisherige Kapitän und sein Stellvertreter keine neuen Verträge erhalten und auch die weiteren Mannschaftsratsmitglieder Guido Burgstaller (33) und Maximilian Dittgen (27) den Club verlassen hatten. Einzig Linksverteidiger Leart Paqarada (27) war aus diesem Führungszirkel der Mannschaft verblieben. Es drohte ein Führungsvakuum.

So war es nicht verwunderlich, dass die Spieler Paqarada im Trainingslager in Südtirol erneut in den Mannschaftsrat wählten und sich rund eine Woche später Trainer Timo Schultz für ihn als Kapitän entschied. Überraschender war, dass der Coach auch Jackson Irvine (29) neben Paqarada zum gleichberechtigten Kapitän ernannte. Schultz selbst spielte diese eher ungewöhnliche Variante herunter und verwies darauf, dass er in der Saison zuvor auch Ziereis und Lawrence als ein Kapitäns-Duo betrachtet habe.

FC St. Pauli: Die neue Führungsstruktur funktioniert

Nach den ersten beiden anspruchsvollen Ligaspielen, in denen auch die Kapitäne als Führungskräfte auf dem Platz gefordert waren, lässt sich feststellen, dass die neue Führungsstruktur funktioniert – und zwar besser, als man es so schnell erwarten konnte. Der 3:2-Sieg gegen den 1. FC Nürnberg am ersten Spieltag und noch mehr das in letzter Minute erkämpfte 2:2 bei Hannover 96 am vergangenen Sonnabend wurden – neben diversen anderen Faktoren – entscheidend auch dadurch ermöglicht, dass die beiden Kapitäne, aber auch die weiteren Mannschaftsratsmitglieder Marcel Hartel (26) und Eric Smith (25) auf dem Platz als echte Führungsspieler agierten, Verantwortung übernahmen und mit ihren Teamkollegen kommunizierten.

Einzig Luca Zander (26) als fünfter Spieler des Mannschaftsrates konnte kaum derart tätig werden, weil er jeweils erst in der Schlussphase eingewechselt wurde. Nach dem 2:2 in Hannover bestätigte Neuzugang Johannes Eggestein: „Leart, Jackson, Eric und Marcel sind unsere Pfeiler im Team.“

Paqarada ist eine gute Wahl

Paqarada ist als neuer Anführer nicht nur wegen seiner rhetorischen Fähigkeiten eine gute Wahl, sondern auch, weil er als absoluter Leistungsträger sportlich unumstritten und einer der wenigen gesetzten Stammspieler ist. Aber auch Irvine scheint durch die Co-Kapitänsrolle einen Schub bekommen zu haben, was sich nicht nur in seinen beiden immens wichtigen Treffern ausdrückt.

„Leart hat die Binde bereits bei uns getragen, und auch Jackson kennt die Rolle von seinen vorherigen Stationen. Die beiden werden das Amt sehr gut ausfüllen und gehen auch dann vorneweg, wenn es mal nicht so laufen sollte“, hatte Trainer Schultz direkt nach seiner Entscheidung gesagt. Vor allem der letzte Aspekt kam jetzt in Hannover deutlich zum Tragen, als in der Nachspielzeit Paqaradas Freistoß Irvines Tor zum 2:2 einleitete. „Es war schon richtig gut, wie die beiden das Heft des Handelns in die Hand genommen haben“, lobte Schultz.

Transfermarkt bis Ende August geöffnet

Die Annahme, der Trainer Schultz habe sich nur deshalb für zwei Kapitäne entschieden, weil er noch mit dem Abgang von Paqarada rechnet, liegt nahe. Aktuell scheint ein Wechsel nicht akut, sicher ist jedoch, dass die Qualität des Linksverteidigers den Bundesligaclubs nicht entgangen ist. Auf dieser Position dürfte sofort Bewegung in den Markt kommen, wenn Nationalspieler David Raum von der TSG Hoffenheim zu einem Topclub der Bundesliga wechselt.

Noch bis Ende August ist der Transfermarkt geöffnet. Eine hohe Ablöse kann der FC St. Pauli nur noch in diesem Sommer erzielen, da Paqaradas Vertrag im Juni 2023 ausläuft. Auf konkrete Nachfrage, ob er bei St. Pauli bleibt, da er nun Kapitän ist, gab er zuletzt nach dem Sieg gegen Nürnberg keine Antwort und sagte, dass es nicht der richtige Zeitpunkt sei, darüber zu sprechen.

FC St. Pauli: Abgang Paqaradas wäre schwerer Verlust

Fraglos wäre ein Abgang Paqaradas noch in diesem Sommer aus sportlicher Hinsicht ein schwerer Verlust für St. Pauli, der mit dem Transfererlös aber zu kompensieren wäre. Noch mehr schmerzen würde aber, dass die gerade aufgebaute, teaminterne Hierarchie wieder durch­einander gerät.

Auch beim DFB-Pokalspiel am Sonnabend (13 Uhr) in Duisburg gegen den Regionalligisten SV Straelen sind die Führungsqualitäten von Paqarada, Irvine und Co. gefragt. Diesmal gilt es, den Teamkollegen zu vermitteln, den Gegner so ernst wie Nürnberg und Hannover zu nehmen, um dem Außenseiter schnell die Hoffnung auf eine Sensation zu nehmen.