Hamburg. Der neu verpflichtete Marco Knoop belebt im Trainingslager in St. Leonhard das Torwarttraining der Kiezkicker mit innovativen Methoden.
Zwei Tage vor Abflug ins Trainingslager wurde Marco Knoop unruhig. „Ich bin dann ratzfatz zu Decathlon und habe mich mit Tennisbällen eingedeckt“, sagt der Torwarttrainer des FC St. Pauli. Irgendetwas brauchte es noch, um den Keepern eine nette Variation im Training zu verschaffen – indem Knoop nun also die Tennisbälle per Racket in den Strafraum feuert, wo sie weggefaustet werden müssen. „Wenn du den kleinen Ball treffen kannst, kommt dir der große vor wie ein Planet“, begründet der 43-Jährige die Maßnahme.
Knoop ist ein handfestes Original. Geboren im brandenburgischen Kyritz, mit zwölf Jahren nach Bochum gezogen, trägt der generös auf 1,75 Meter geschätzte zweifache Familienvater sein Herz auf der Zunge, flachst herum, wo es nur geht. Aber er ist kein Clown, sondern ein knallharter Analytiker.
FC St. Pauli: Knoops Druckregler für seine Torhüter
Immer geht es um die Frage: Was passiert als Nächstes? „Der Torwart darf nie den Stecker ziehen, muss ein proaktives Mindset haben. Ganz klar: Er ist der erste Angriffsspieler“, sagt der Sportwissenschaftler, dessen eigener Stecker immer unter Strom zu stehen scheint. Daher dürfe Torwarttraining keinesfalls als separate Disziplin gesehen werden. „Die Einheiten haben mindestens einen Bezug zum Defensivblock. Wir sprechen uns im Trainerteam diesbezüglich ab“, so der Inhaber der Uefa-A-Lizenz, der bei seinen vorherigen Stationen bei Fenerbahce Istanbul und dem dänischen FC Nordsjaelland daher zugleich als Co-Trainer arbeitete.
Für sein Training schaut er sich viel von anderen Sportarten ab. Es basiert auf fünf Druckreglern. Dem Präzisionsdruck: „Wenn ich beispielsweise Passfenster verkleinere.“ Zeitdruck: „Die Jungs müssen den Ball innerhalb eines Zeitfensters ersprinten, bevor ich Druck darauf ausübe.“ Komplexitätsdruck: „Während der Fokus der Aufgabe auf der Ballseite liegt, verändert sich simultan das Bild auf der ballfernen Seite. Die Torhüter müssen permanent scannen, was dort passiert, um auf die nächste Situation vorbereitet zu sein.“ Situationsdruck: „Ein Set-up in Wettkampfform, dann ist die Intensität plötzlich eine ganz andere.“ Und Belastungsdruck: „Technische Übungen sind viel schwieriger, wenn ich vorher eine Athletikeinheit durchgeführt habe. Wir verlangen einen Toppass in der 90. Minute plus Nachspielzeit, aber bieten das im Training nicht an? Das wäre unfair den Jungs gegenüber.“
Erster Torhüter: Vasili oder Smarsch?
Seine Jungs, Nikola Vasilj und Dennis Smarsch, fechten gerade einen veritablen Zweikampf um die Nummer eins aus. Obwohl Stammkeeper Vasilj eine gute Saison gespielt hat und die meisten Statistiken ihn vorn sehen, wirkt es, als sei das Momentum aufseiten von Smarsch. „Wir haben zwei überdurchschnittliche Zweitligatorhüter, die noch ein cooles Potenzial haben“, sagt Knoop.
Bei Vasilj sei es wichtig, „dass er in die Endlosschleife hineinkommt – Ball erhalten, ihn nicht unters Trikot stecken und nach Hause gehen, sondern direkt weiterspielen“. Kurz: Der Stecker muss drin bleiben. Smarsch verfüge über eine natürliche Präsenz im Raum. „Da müssen wir nun Effizienz hineinbekommen. Sein Aktivitätsgrad ist schon gestiegen, da er mittlerweile etwas höher steht.“ Gar als eine Art „zweiter Sechser“ bezeichnete sich Smarsch überspitzt selbst. „Marco bevorzugt einen sehr modernen Torwartstil, möchte uns mit einbinden, dass wir das Spiel lesen. Mir gefällt das sehr gut, weil ich fußballerisch nicht so verkehrt bin“, sagt Smarsch.
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Seine fußballerischen Qualitäten darf „Smash“ unter anderem gegen aufblasbare Verteidiger beweisen – dem Lieblingsutensil von Knoop, dessen Frau Yazgül mit den Kindern Mila und Kiyan in Bochum lebt. „Es soll normal für sie werden, dass jemand im Sichtfeld steht“, erläutert er. Und was passiert danach? „Die Jungs direkt in die nächste unangenehme Situation zwingen, ihnen aber Handlungsoptionen an die Hand geben, zu wissen, mit welcher Wahrscheinlichkeit etwas geschieht.“ Alles für ein Ziel: Spiel, Satz, Sieg.
Beim Balltraining am Dienstag fehlte neben den Langzeitverletzten nur Luca Zander wegen muskulärer Probleme in den Beinen.