Hamburg. Helmut Schulte arbeitete jeweils mehr als zehn Jahre für beide Clubs. Er hat eine klare Empfehlung für die Mannschaft vom Millerntor.

Natürlich lässt sich Helmut Schulte dieses Spiel am Sonnabendabend nicht entgehen, schließlich sind der FC Schalke 04 und der FC St. Pauli die Clubs, für die er in seiner langen Karriere als Trainer und Funktionär am Längsten tätig war. Trotz der unterschiedlichen Formkurven beider Teams und der massiven Corona-Schwächung des FC St. Pauli sieht der 64-Jährige das Millerntor-Team bei seinem Auftritt in der ausverkauften Veltins-Arena keinesfalls als so chancenlos an, wie es auf dem Papier inzwischen erscheint.

„In einem Spiel ist immer alles möglich“, betont er. „In der Zweiten Liga passieren so viele Irrungen und Wirrungen und unvorhergesehenen Ergebnisse, die den Fußball so interessant machen. Genau das, was man sich für die Erste Liga vorstellt, findet in der Zweiten Liga statt.“

FC St. Pauli: Mannschaft braucht Macher statt Denker

Schulte, der beim abstiegsbedrohten VfB Stuttgart als Betreuer und Beobachter der Leihspieler tätig ist und daher an den Wochenenden viel herumkommt, hat angesichts der offenbar unterschiedlichen Voraussetzungen eine klare Empfehlung für die St. Paulianer: „Man sollte es wie ein Pokalspiel angehen. Jeder Spieler auf dem Platz muss sich komplett freimachen von der Bedeutung des Spiels. Er muss nur daran denken, was er da unten auf dem Platz zu tun hat, und nicht daran, was alles von diesem Spiel abhängt. Es geht darum, den Denker in einem auszuschalten und nur den Macher ins Spiel zu bringen.“

Auch beim Hinspiel am Millerntor am 4. Dezember, auch damals zur Primetime am Sonnabendabend, war Schulte vor Ort. „Das Spiel war klasse. Jeder hatte das Gefühl, in dieser Saison kann es klappen“, erinnert er sich an die emotionalen Lage der St.-Pauli-Anhänger nach dem verdienten 2:1. Die Kiezelf war damals vorzeitig Herbstmeister, nichts deutete darauf hin, dass es in den 16 Spielen danach bis heute nur noch vier Siege geben würde. Gefragt nach den entscheidenden Gründen für diesen Einbruch, durch den St. Pauli auch nur noch 13. der Rückrundentabelle ist, gibt Schulte eine ganz kurze Antwort: „Burgstaller. In der Hinrunde hatte er 14 Tore und vier Torvorlagen, in der Rückrunde bisher nur vier Tore und vier Assists.“

Haben die Gegner St. Paulis Spiel-Idee durchschaut?

Da niemand für den Österreicher in die Bresche gesprungen ist, erziele die Mannschaft seit Rückrundenbeginn zu wenige Tore. 20 sind es genau, nach 37 in der Hinrunde. „Um aufzusteigen, braucht man im Schnitt zwei Tore pro Spiel und darf nur eines im Schnitt zulassen“, beziffert er. St. Pauli verfehlt inzwischen beides. „Ich will es Burgi nicht allein aufbürden, daran schuld zu sein. Es sind ja mehrere dafür da, Tore zu schießen. Um aufzusteigen, brauchst du aber einen, der viele Tore schießt“, sagt Schulte und denkt vor allem an Schalkes Simon Terodde (27 Tore).

Hinzu komme, dass die Gegner St. Paulis Spielidee, also die DNA des Teams, inzwischen durchschauen und sich darauf eingestellt hätten. Ein Thema sei auch die Schwäche in den Auswärtsspielen, in denen es bislang nur fünf Siege gab, während man noch immer bestes Heimteam der Liga ist.

Und welchen Einfluss hatten zuletzt die internen Querelen um Prämien, Verträge und Indiskretionen auf den sportlichen Absturz? „Es ist nicht unbedingt hilfreich, wenn sich Spieler in der Kabine mit Themen beschäftigen, die nicht auf dem Fußballplatz liegen“, sagt Schulte, stellt aber auch klar: „Ich hatte aber in den Spielen zuletzt nicht das Gefühl, dass sie deswegen in Sandhausen und gegen Nürnberg in der Nachspielzeit die Gegentore zum Ausgleich bekommen haben. Das ist mir zu einfach.“

Die Reise nach Gelsenkirchen kann Schulte übrigens auch noch für einen anderen Saisonhöhepunkt nutzen. Am Sonntag bestreiten im alten Parkstadion die U-17-Teams des FC Schalke und „seines“ VfB Stuttgart das Finale um die Deutsche B-Jugend-Meisterschaft.