Hamburg. Zehn neue Fälle treffen das Team nach dem 1:1-Nackenschlag gegen Nürnberg. Spiel am Sonnabend auf Schalke soll dennoch stattfinden.

Es waren kaum 13 Stunden vergangen nach dem sportlichen Nackenschlag des 1:1 gegen den 1. FC Nürnberg durch ein Gegentor in der Nachspielzeit und des damit verbundenen Verlustes von weiteren zwei Punkten im Kampf um den Bundesligaaufstieg, als den FC St. Pauli die nächsten Hiobsbotschaften ereilten. Etliche Spieler meldeten am Sonnabendmorgen vor dem für 10 Uhr angesetzten Training, dass ihr obligatorischer Corona-Schnelltest positiv ausgefallen sei.

Um kein weiteres Risiko einzugehen, wurde das Regenerationstraining kurzfristig abgesagt und eine umfangreiche PCR-Testung der gesamten Mannschaft und der Personen des Umfeldes vollzogen. Das bange Warten auf die Ergebnisse dieser Tests dauerte bis in den Sonntagnachmittag. Dann bestätigten sich die Befürchtungen. Gleich neun Spieler sowie ein Mitglied des Mannschaftsumfeldes sind mit dem Coronavirus infiziert.

Zweite Bundesliga: Corona-Ausbruch bei St. Pauli

Es ist für den FC St. Pauli nach mehr als zwei Jahren Corona-Pandemie das erste Mal, dass das Team von einem derart massiven Infektionsausbruch heimgesucht wird. Bisher waren immer nur einzelne Spieler wie Simon Makienok, Luca Zander, Jackson Irvine, Afeez Aremu und zuletzt am vergangenen Freitag Kapitän Philipp Ziereis unabhängig voneinander infiziert gewesen. Ebenso waren Sportchef Andreas Bornemann, Cheftrainer Timo Schultz und auch Torwarttrainer Mathias Hain jeweils einzeln betroffen gewesen.

Es liegt nahe, dass jetzt der gleichzeitige Ausbruch bei den neun Spielern mit der Infektion von Philipp Ziereis zusammenhängt, der am Donnerstag noch am vorletzten Training vor dem Spiel gegen Nürnberg teilgenommen hatte und offenbar das Virus unwissend schon in sich getragen hatte.

"Virus stellt weiterhin großes Risiko dar"

„Natürlich kommt dieser Ausbruch so kurz vor dem Saisonfinale zur absoluten Unzeit. Es zeigt einmal mehr, dass das Virus trotz aller Vorsichtsmaßnahmen weiterhin ein großes Risiko darstellt. Wir befinden uns in dieser Angelegenheit in enger Abstimmung mit den zuständigen Behörden“, kommentierte Sportchef Bornemann den erneuten Rückschlag.

Guido Burgstaller (l.) und Sportchef Andreas Bornemann.
Guido Burgstaller (l.) und Sportchef Andreas Bornemann. © imago/Zink | IMAGO/Sportfoto Zink / Daniel Marr

Trotz der insgesamt zehn wegen ihrer Corona-Infektion ausfallenden Spieler setzte die sportliche Führung für diesen Montag wie geplant ein Mannschaftstraining an. „Der FC St. Pauli tut zudem alles dafür, dass das Spiel in Gelsenkirchen stattfinden kann und wir eine konkurrenzfähige Mannschaft stellen. Im Vordergrund steht zunächst aber die Genesung aller Betroffenen“, sagte Bornemann im Hinblick auf das am kommenden Sonnabend (20.30 Uhr) anstehende, vorletzte Saisonspiel beim Tabellenführer FC Schalke 04.

Mannschaft vor Schalke-Spiel stark geschwächt

Angesichts von 31 Spielern im Profikader scheint eine coronabedingte Absage des Spiels auf Schalke, die die Liga so kurz vor Saisonschluss in arge Terminnöte stürzen würde, ohnehin unwahrscheinlich. Wenn St. Pauli mehr als 15 Spieler, darunter neun Lizenzspieler und ein Torwart, zur Verfügung stehen, muss das Spiel laut den aktuellen Statuten stattfinden. Dabei gelten auch verletzte und gesperrte Spieler als „zur Verfügung stehend“.

Dies beträfe bei St. Pauli also auch den seit rund eineinhalb Jahren fehlenden Christopher Avevor und die am Knie operierten Sebastian Ohlsson und Jannes Wieckhoff, die in dieser Saison definitiv nicht mehr spielen können. Auch für Guido Burgstaller käme nach seiner Muskelverletzung ein Einsatz aller Voraussicht nach noch nicht in Betracht. Auch wenn St. Pauli die Namen der neun betroffenen Spieler am Sonntag noch nicht preisgeben wollte, ist klar, dass die Mannschaft im Hinblick auf das Schalke-Spiel massiv geschwächt ist.

Schultz niedergeschlagen wie selten zuvor

Das gilt auch, sofern sich einzelne von ihnen, sofern sie frei von Symptomen bleiben, noch rechtzeitig vor dem Match freitesten könnten. Die Wahrscheinlichkeit, mit einem Sieg auf Schalke doch noch einmal richtig ins Aufstiegsrennen eingreifen zu können, ist durch den Corona-Ausbruch noch geringer geworden.

Auf jeden Fall hatte Trainer Timo Schultz durch die Absage der Übungseinheit am Sonnabend gleich zwei Tage am Stück Gelegenheit, zu Hause das sportlich bittere Geschehen am Freitagabend zu verarbeiten und sich auch ein bisschen im Kreise der Familie abzulenken. So niedergeschlagen und mitgenommen wie in der Stunde nach dem Spiel gegen Nürnberg hatte man Schultz nicht einmal rund um den Jahreswechsel 2020/21 erlebt, als er mit seinem Team 13 Spiele in Folge nicht gewonnen und auf Platz 17 den Abstieg vor Augen hatte.

Schultz sprach von "Rückschlag"

„Das ist jetzt ein Rückschlag, ein Nackenschlag, ein Tiefschlag. Wir werden alle ein, zwei Tage brauchen, um das zu verarbeiten. Wir haben in den vergangenen Wochen immer wieder bewiesen, dass wir stimmungsmäßig das Ruder herumreißen und wieder optimistisch und konstruktiv in das nächste Spiel reingehen können“, sagte Schultz, noch nicht wissend, dass es am nächsten Morgen den nächsten Rückschlag mit dem massiven Corona-Ausbruch geben würde.

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Die allerletzte Hoffnung, mit einer personell wieder besser besetzten, fitten und hochmotivierten Truppe auf Schalke bestehen und vielleicht gar gewinnen zu können, dürfte nun Makulatur sein. Vielmehr deutet alles auf eine Besetzung hin, die noch mehr von einer Personalnot geprägt sein wird als im Spiel gegen Nürnberg, als Schultz neben Burgstaller und Ziereis auch die gesperrten Jackson Irvine und Marcel Hartel hatte ersetzen müssen. Dennoch hatte sein Team eine engagierte Leistung gezeigt, hatte den Gegner dominiert, war verdient in Führung gegangen, um sich, wie schon knapp zwei Wochen zuvor, in der Nachspielzeit den Ausgleich einzuhandeln.

„St. Pauli kann Gegenwind gut aushalten"

„Es sind gerade in den letzten Wochen die Kleinigkeiten, die wir leider nicht auf unsere Seite ziehen konnten“, fasste Schultz die Phase zusammen, in der sein Team entscheidende Punkte liegen gelassen hat. „Wir hatten in einigen Spielen die Möglichkeit, es mit einem 2:0 oder 3:1 klar zu machen“, haderte er. Auch gegen Nürnberg gab es Gelegenheiten für einen zweiten Treffer.

St. Paulis Präsident Oke Göttlich.
St. Paulis Präsident Oke Göttlich. © IMAGO/KBS-Picture | IMAGO/KBS-Picture Kalle Meincke

„St. Pauli kann Gegenwind gut aushalten, und wir werden kämpferisch in die nächsten Wochen gehen“, hatte St. Paulis Präsident Oke Göttlich schon unmittelbar vor dem Spiel gegen Nürnberg bei Sky gesagt. Diese Aussage passt zwar auch zur aktuellen Corona-Hiobsbotschaft, nahm aber Bezug auf die jüngsten Vorfälle, in denen vereins- und teaminterne Vorgänge offenbar gezielt an die Öffentlichkeit getragen worden waren.

Zweite Bundesliga: Göttlich spricht von verletztem Vertrauen

„Wenn das Vertrauen dadurch verletzt wird, dass man Inhalte von internen Gesprächen weitergibt, dann ist die Entwicklung des Vereins für diesen Einzelnen nicht relevant. Das ist für uns eine wichtige Erkenntnis. Das sind für uns Widerstände. Leistungssport ist, gegen Widerstände anzugehen“, sagte er weiter.

„Es ist ganz offensichtlich, dass einige mit ihrer Vertragssituation nicht ganz so glücklich sind wie andere. Damit kann man auch umgehen, darüber kann man reden. Aber es gehört nicht in die Öffentlichkeit. Das ist für uns ein Thema“, kündigte er eine Aufarbeitung an. Diese dürfte länger dauern als die Genesung von einer Corona-Infektion.