Hamburg. Gegen Paderborn verpasst der Herbstmeister der 2. Bundesliga den Sprung an die Tabellenspitze und offenbart seltsame Defizite.

Am Ende war die Ernüchterung bei den Spielern und Anhängern des FC St. Pauli groß. Trotz zweimaliger Führung reichte es für die Mannschaft von Trainer Timo Schultz am späten Sonnabendabend im Heimspiel gegen den SC Paderborn nur zu einem 2:2 (2:1)-Unentschieden. Der erhoffte Sprung an die Tabellenspitze misslang dabei ebenso wie das Vorhaben, die Serie von vier Ligaspielen ohne Sieg zu beenden.

Tabellenspitze 2. Bundesliga:
1. SV Darmstadt 20 Sp. / 45:22 / 39 Pkt.
2. FC St. Pauli 21 / 42:29 Tore / 38
3. Werder Bremen 21 / 41:29 / 38
4. FC Schalke 21 / 42:25 / 37
5. 1. FC Heidenheim 21 / 28:26 / 37
6. HSV 20 / 34:20 / 34
7. 1. FC Nürnberg 21 / 29:28 / 33
8. SC Paderborn 21 / 38:28 / 31
9. Jahn Regensburg 21 / 40:32 / 31

Jetzt hat das Team schon fünfmal in Folge nicht mehr gewonnen, bleibt aber bis zum kommenden Wochenende mit dem Spiel beim SSV Jahn Regensburg immerhin noch Tabellenzweiter. Ein Sieg wäre allerdings angesichts etlicher defensiver Schwächen auch sehr schmeichelhaft gewesen.

Jakov Medic hat genug gesehen: Auch gegen den SC Paderborn gelang dem FC St. Pauli kein Sieg.
Jakov Medic hat genug gesehen: Auch gegen den SC Paderborn gelang dem FC St. Pauli kein Sieg. © WITTERS | Tay Duc Lam

„Wir müssen die Schuld bei uns selbst suchen“, sagte St. Paulis Trainer Timo Schultz nach dem Spiel. „Wir hatten ein-, zweimal die Chance, das dritte Tor zu machen. Uns ist aber die Leichtigkeit ein wenig abhandengekommen“, stellte er treffend fest. „Wir schaffen es im Moment nicht mehr, in einem Spiel auch mal wegzuziehen.“ Das war in der Hinserie noch häufig gelungen und der entscheidende Grund, warum es da noch souveräne Siege gegeben hatte.

Konkurrenz setzt FC St. Pauli unter Druck

Schultz hatte sich dafür entschieden, Maximilian Dittgen als zweiten Stürmer neben Torjäger Guido Burgstaller aufzubieten. Dittgen hatte sich gut eine Woche zuvor im Testspiel bei Holstein Kiel (3:3) mit einem Doppelpack kurz nach seiner Einwechslung in Szene gesetzt und empfohlen. Derweil nahm Etienne Amenyido, der auch als Sturmpartner Burgstallers eine Option gewesen wäre, die Zehnerposition hinter den beiden Spitzen ein. Er vertrat dabei Daniel-Kofi Kyereh, der nach seinem beim Afrika-Cup erlittenen Muskelfaserriss noch nicht wieder im Kader stand.

Auf der halbrechten Position in der Mittelfeldraute erhielt Jackson Irvine den Vorzug vor Finn Ole Becker. Der australische Nationalspieler Irvine war erst am Mittwoch von seiner Länderspielreise aus dem Oman zurückgekehrt, hatte den Flug aber wie gewohnt gut überstanden und war drei Tage später bereit für einen Startelfeinsatz. Seine gegenüber Becker bessere Physis gab dann den Ausschlag für Irvine.

Nach den Ergebnissen vom Sonnabendnachmittag war St. Pauli unter Druck geraten, weil sowohl der SV Werder Bremen (2:1 gegen Karlsruhe) als auch der FC Schalke 04 (2:1 gegen Regensburg) in der Tabelle an den Hamburgern vorbeigezogen waren.

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Nach noch nicht einmal fünf Minuten hatte sich dieses Bild in der Livetabelle aber schon wieder geändert. Plötzlich war St. Pauli sogar Tabellenführer vor dem SV Darmstadt 98, der erst am Sonntag gegen den HSV spielt. Der Grund war der 1:0-Führungstreffer durch Dittgen, der ein Anspiel von Amenyido gut verarbeitete und aus der Drehung mit links ins Paderborner Tor traf. Die allen vier Tribünen verteilten 6012 Zuschauer hatten also einen frühen Grund zum Jubel. Und Trainer Schultz hatte allen Grund, sich in seiner Personalauswahl in der Offensive bestätigt zu fühlen.

Zerr-Bild: St.-Pauli-Kapitän Philipp Ziereis (l.) und Paderborns Jannis Heuer.
Zerr-Bild: St.-Pauli-Kapitän Philipp Ziereis (l.) und Paderborns Jannis Heuer. © Getty Images | Jörn Pollex

Nur sechs Minuten später hatte Amenyido sogar das 2:0 auf dem Fuß, als er im Strafraum zum Schuss kam, doch der zurückgeeilte Marco Schuster konnte den Ball mit einer langen Grätsche gerade noch blocken. Dies sollte für lange Zeit die letzte gefährliche Offensivaktion der St. Paulianer gewesen sein.

Völlig unverständlich verfiel das Millerntorteam in eine gefährliche Passivität und geriet so zunehmend in Bedrängnis. Winterzugang Florent Muslija (von Hannover 96 gekommen) setzte einen Freistoß (25.) noch knapp neben das St.-Pauli-Tor. Zwölf Minuten später aber St. Paulis Torwart Nikola Vasilj geschlagen, weil sich Dennis Sbreny im Laufduell gegen Eric Smith durchsetzte, von Muslija ideal angespielt wurde und den Ball flach zum 1:1 (37.) ins Tor setzte. Für die Ostwestfalen war es zu diesem Zeitpunkt der verdiente Ausgleich.

Amenyido baut Erfolgsbilanz aus

Dieser aber hielt nur sieben Minuten, weil St. Pauli nun wieder deutlich aktiver wurde und zielstrebiger nach vorn spielte. Nach einer Kombination auf der linken Seite über Marcel Hartel, Burgstaller und Dittgen kam Amenyido im Strafraum überraschend frei zum Schuss, behielt die Nerven und erzielte überlegt den 2:1-Halbzeitstand (44.).

St. Paulis Etienne Amenyido (u.) freut sich mit Marcel Hartel (o.) und Maximilian Dittgen über seinen Treffer gegen Paderborn.
St. Paulis Etienne Amenyido (u.) freut sich mit Marcel Hartel (o.) und Maximilian Dittgen über seinen Treffer gegen Paderborn. © Getty Images | Jörn Pollex

Amenyido baute damit seine ganz persönliche Erfolgsbilanz im noch jungen Kalenderjahr 2022 weiter aus. Schon gegen Aue (2:2) und im Pokal gegen Borussia Dortmund (2:1) hatte er wichtige Tore erzielt. Zudem hatte er im Stadtderby beim HSV (1:2) die Vorlage zum zwischenzeitlichen Führungstreffer gegeben. In der Woche hatte er noch dazu gesagt: „Das reicht mir noch nicht.“ Prompt ließ er nun weitere Taten folgen.

Es sollte aber auch in der zweiten Halbzeit eine Zitterpartie für St. Pauli bleiben, weil die spielstarken Paderborner auf den erneuten Ausgleich drängten und St. Pauli viel zuließ und sich Ballverluste im Aufbauspiel leistete. Am gefährlichsten wurde es aber als St. Paulis sonst so souveräner Innenverteidiger Jakov Medic mit einer missglückten Ballannahme seinen eigenen Keeper Vasilj zur einer Glanzparade zwang.

Makienok verpasst die Entscheidung

Das Spiel wurde immer wilder. Hartel scheiterte in aussichtsreicher Position nach Zuspiel des eingewechselten Becker (64.), zwei Minuten später traf Paderborns ebenfalls eingewechselter Kai Pröger die Latte des St.-Pauli-Tores.

In der Schlussphase hätte der eingewechselte Simon Makienok für die Entscheidung zugunsten St. Paulis sorgen müssen, doch der Stürmer setzte den Ball freistehend links am Ball vorbei. Das sollte sich rächen, denn die Paderborner nutzten dann doch noch eine weitere defensive Verlegenheit der St. Paulianer. Marco Stiepermann zirkelte den Ball von der Strafraumgrenze an Freund und Gegner vorbei links unten zum 2:2 (84.) ins Tor.

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„Wir sind in der Situation mit acht Spielern im eigenen Strafraum“, haderte Trainer Schultz mit dem Defensivverhalten. Dieser Treffer hätte zweifellos verhindert werden können.

Am Ende war das Unentschieden ein gerechtes Ergebnis in einem abwechslungsreichen Spiel. Das Resultat aber half allerdings keinen Team so richtig. „Es wird immer enger da oben. Wir haben immer noch eine sehr gute Ausgangsposition, müssen uns jetzt aber Siege im Training wieder hart erarbeiten“, sagte Schultz. „Wir wussten auch im Herbst schon, dass solche Phasen auf uns zukommen würden.“