Hamburg. Torschütze Nico Patschinski erinnert sich im Podcast Millerntalk an den legendären 2:1-Sieg über Bayern München vor 20 Jahren.

Es ist ein Datum, das wohl jeder nicht mehr ganz junge St.-Pauli-Fan sofort parat hat: der 6. Februar 2002. An jenem Mittwochabend schrieb die Mannschaft des FC St. Pauli ein großes Kapitel Vereinsgeschichte und auch ein bisschen Bundesliga-Historie. Völlig unerwartet besiegte damals das Team von Trainer Dietmar Demuth, das im Frühjahr 2001 mit dem geringsten Zweitligaetat in die Bundesliga aufgestiegen war, den FC Bayern München mit 2:1. Die mit Topstars gespickten Bayern hatten sich kurz zuvor als Champions-League-Sieger auch den Weltpokal gesichert.

Noch in der Nacht nach dem Sieg entstand bei zwei Fans die Idee, den FC St. Pauli zum „Weltpokalsiegerbesieger“ zu küren und ein entsprechendes T-Shirt zu kreieren. Rund 120.000 Stück wurden bisher von diesem immer noch erhältlichen Textil verkauft, auf dessen Rückseite alle 13 St.-Pauli-Spieler verewigt sind, die am Triumph mitwirkten.

FC St. Pauli: Patschinski erinnert sich beim Millerntalk

Ganz unten in dieser Liste steht der Torschütze des zwischenzeitlichen 2:0, Nico Patschinski. Im Abendblatt-Podcast Millerntalk erinnert sich der heute 45 Jahre alte gebürtige Ost-Berliner mit immer noch fast kindlicher Freude an jenen Abend im damals noch nicht umgebauten Millerntor-Stadion.

Dabei erzählt Patschinski auch, warum er sich nach seinem Tor in der 33. Minute auf den Trainerstuhl setzte. „Ich hatte so einen Endorphin-Ausstoß, dass ich am liebsten bis nach Berlin-Höhenschönhausen zu meinem Vater gerannt wäre. Aber dann erinnerte ich mich an die Wette mit unserem Co-Trainer Joachim Philipkowski, der mir einen Hunderter versprochen hatte, wenn wir gewinnen und ich ein Tor schieße. Da habe ich mich demonstrativ auf den Stuhl gesetzt und gesagt: Piepel, wo ist meine Kohle?“ Natürlich hatte Philipkowski das Geld nicht am Spielfeld dabei. „Später hat er aber seine Wettschulden bei mir sofort beglichen“, erzählt er weiter.

„Wir waren die Nüsse der Liga, aber an dem Abend hat bei uns alles gepasst, und die Bayern hatten nicht so recht Bock“, berichtet er über das Spiel gegen Topstars wie Oliver Kahn, Willy Sagnol, Stefan Effenberg, Mehmet Scholl, Giovane Elber und Claudio Pizarro. „Wir hatten Respekt vor diesen Leuten, aber keine Angst“, sagt Patschinski weiter. Nach den ersten 20 Minuten habe sich das Gefühl breitgemacht, an diesem Abend etwas erreichen zu können. Mit dem 1:0 durch Thomas Meggle (30. Minute) und Patschinskis 2:0 drei Minuten später verfestigte sich dies noch.

„Wir haben 118 Ehrenrunden gedreht“

Die Halbzeitpause habe er genutzt, um zusammen mit Holger Stanislawski hinter einem Container eine Zigarette zu rauchen. „Nach drei Minuten kam auch noch Dietmar Demuth dazu“, erinnert sich Patschinski. Dessen einzige Ansage sei gewesen, noch ein Tor nachzulegen. Stattdessen wurde es in der Schlussphase nach Sagnols Anschlusstor noch einmal eng. Aber es reichte, um Geschichte zu schreiben.

„Wir haben 118 Ehrenrunden gedreht“, erzählt Patschinski, der dabei auch zwei, drei Bananen genoss, die zuvor in Richtung von Bayern-Torwart Kahn geworfen worden waren. „Ich bin ja DDR-Kind. Bis ich zwölf war, hatte ich erst zwei Bananen gegessen. Jetzt lagen zwei Tonnen auf dem Rasen“, sagt er. Mit vier Mitspielern klang der Abend in der Stammkneipe „relativ ruhig“ aus. „Der Schnabel ist nicht richtig nass geworden. Wir hatten ja drei Tage später auf Schalke das nächste Spiel“, erinnert er sich. Das ging 0:4 verloren.

Bei den Bayern löste die Niederlage unterdessen eine der berühmten Wutreden von Uli Hoeneß aus. „30 Minuten nach Spielschluss werden schon wieder Karten gespielt und Sprüche geklopft. Die Spieler essen Scampis, und ich habe eine schlaflose Nacht“, wetterte der Manager. Am Ende der Saison lagen die Bayern als Dritter zwei Punkte hinter Meister Borussia Dortmund.

St. Pauli stieg trotz des historischen Sieges über die Bayern als Schlusslicht wieder ab. „Hätten wir nicht gewonnen, aber die Klasse gehalten, würde niemand mehr über dieses Spiel sprechen. Jetzt werden es die Leute auch in 20 Jahren noch machen“, sagt Nico Patschinski. Recht hat er.