Hamburg. Die Hamburger werfen den Titelverteidiger aus dem Pokal und stehen erstmals seit 16 Jahren wieder im Viertelfinale.

Was für ein mitreißender Pokalabend am Millerntor. Der FC St. Pauli besiegte mit einer großartigen kämpferischen, aber auch spielerisch starken Leistung den Pokalverteidiger und Bundesligazweiten Borussia Dortmund mit 2:1 (2:0) und steht jetzt erstmals seit 2006 im Viertelfinale. Beim Abpfiff kannte die Begeisterung auf der zwangsweise nur mit 2000 Fans besetzten Haupttribüne keine Grenzen. Auf dem Feld fielen sich die erschöpften Spieler in die Arme.

Nachdem zuvor auch der HSV gegen Köln ins Viertelfinale einzog, gehen beide Hamburger Zweitligisten mit gehörig Selbstvertrauen ins Stadtderby an diesem Freitag.

St. Pauli ist bereits heiß auf den HSV

„Die Jungs haben es super gemacht. Es ist alles aufgegangen, was wir uns vorgenommen haben. Ich werde mir zur Feier des Tages auch noch ein Bierchen gönnen, sagte St. Paulis Trainer Timo Schultz, der sich freute, dass seine Mannschaft fünf Kilometer mehr lief als der BVB. „Die Jungs sollen auch feiern, die Zeit dafür gebe ich ihnen aber erst am Wochenende. Wir müssen jetzt gut regenerieren für Freitag.“

Denn Schultz ist bereits heiß aufs Derby, auch wenn der Coup gegen den BVB sein „schönster Sieg im Pokal“ sei. „Insgesamt bewerte ich die Siege im Derby aber noch höher.“

Eine klare Ansage des Trainers, der etwas traurig über die nur 2000 zugelassenen Fans war. „Das Spiel hätte viel mehr Zuschauer verdient gehabt. Ich hoffe, dass es in der nächsten Runde wieder mehr sein werden.“

Ganz andere Sorgen hatte sein Gegenüber Marco Rose: „Es war sehr enttäuschend für uns. So wie wir in den ersten 10, 15 Minuten den Pokalfight nicht angenommen haben, war es folgerichtig, dass wir verloren haben. Man kann hinten heraus nicht immer alles reparieren.“

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    St. Pauli bringt Amenyido gegen BVB

    Schultz hatte seine Ankündigung, gegenüber dem 2:2 gegen Erzgebirge Aue einige Wechsel in der Startelf vorzunehmen, in die Tat umgesetzt. Dabei sorgte er aber dennoch für die eine oder andere Überraschung. So war die Antwort auf die Frage, ob Christopher Buchtmann oder Lukas Daschner als Ersatz für den zeitgleich für Ghana bei Afrika-Cup spielenden Daniel-Kofi Kyereh (schied nach dem 2:3 gegen die Komoren aus) aufläuft: keiner von beiden.

    Vielmehr beorderte St. Paulis Coach Jackson Irvine von der halbrechten Position in der Mittelfeldraute auf die Zehner-Position. Der Australier machte so Platz für Finn Ole Becker, der erstmals seit dem 24. November vergangenen Jahres wieder in einem Pflichtspiel von Beginn an spielen durfte. In Innenverteidigung durfte diesmal James Lawrence anstelle von Philipp Ziereis ran und übernahm von ihm auch die Kapitänsbinde.

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    Im Angriff entschied sich Schultz für Etienne Amenyido als Partner von Guido Burgstaller. Amenyido hatte am Sonnabend in der Nachspielzeit mit seinem Treffer zum 2:2 seinem Team noch einen Punkt gegen Aue gerettet. Im Tor stand gegen Dortmund wie abgesprochen der 23 Jahre alte Dennis Smarsch anstelle von Nikola Vasilj, der in der Liga die Nummer eins ist.

    St. Pauli erwischt furiosen Start gegen BVB

    Die Partie war noch keine 20 Minuten alt, als sich sowohl Amenyido als auch Smarsch schon eindrucksvoll in Szene gesetzt hatten. Der 23 Jahre alte Amenyido wurde mitten im Strafraum vom steil geschickten Marcel Hartel bedient, trieb den Ball noch kurz vor sich her und überwand aus kurzer Distanz Dortmunds überraschten Torwart Gregor Kobel zum 1:0 (4. Minute) für St. Pauli. Ein geradezu genialer Auftakt für das Millerntorteam in diesem Pokalduell, das sich zu einem denkwürdigen Spiel entwickeln sollte.

    Dennis Smarsch zeichnete sich kurz danach durch eine starke Reaktion gegen den allein auf ihn zulaufenden Thorgan Hazard auf (7.). Dessen Nachschuss blockte Leart Paqarada zur Ecke. Elf Minuten später scheiterte auch BVB-Kapitän Marco Reus nach einem Traumpass von Mats Hummels an Smarsch. Und als auch noch Dortmunds Torjäger Erling Haaland nach einem Eckball de Ball aus zentraler Position über das Tor drosch, kam schon so eine Ahnung auf, dass eine Pokalsensation an diesem Abend gar nicht so unrealistisch war.

    Dazu trug auch das St.-Pauli Team nach Kräften bei, weil jeder Spieler hellwach war, immer wieder seinen Gegner störte und nach Balleroberungen sofort eigene Aktionen nach vorn einleitete. Auch das Frustfoul von Haaland an Eric Smith (38.) nach einem mal wieder abgewehrten Ball war ein Beleg dafür, dass die Dortmunder einfach nicht mit St. Paulis Spielweise und Einsatzwillen klarkamen.

    BVB schenkt St. Pauli zwei Tore

    Zur Krönung schenkte der BVB den St. Paulianern dann auch noch das zweite Tor. Der bei einem Konter auf den rechten Flügel ausgewichene Burgstaller spielte den Ball im Strafraum flach und hart nach innen. Dort wollte Axel Witsel vor dem einschussbereiten Amenyido klären und beförderte den Ball am verdutzten Keeper Kobel vorbei ins eigene Tor – 2:0 für St. Pauli (40.). Mit Ovationen wurden die in ihrem grauen Pokaldress gekleideten St. Paulianer von den 2000 Zuschauern in die Kabine begleitet.

    Genauso griffig wie zuvor kamen die Hamburger auch aus der Pause und hatten gleich wieder eine glänzende Torchance. BVB-Keeper Kobel vereitelte bei Burgstallers Kopfball mit einer Glanzparade das dritte Tor (54.). Unmittelbar danach traf Burgstaller das Außennetz.

    Um wieder ins Spiel zu kommen, benötigten die Dortmunder die Mithilfe aus dem Kölner Videokeller. Von dort bekam Schiedsrichter Harm Osmers das Signal, dass St. Paulis starker Innenverteidiger Jakov Medic der Ball an den ausgestreckten Arm gesprungen war. Nach Ansicht der Szene entschied Osmers auf Handelfmeter, den Haaland zum 2:1-Anschluss (58.) nutzte.

    Trotz allmählich nachlassender Kräfte brach St. Pauli nach diesem Rückschlag allerdings nicht ein, stemmte sich weiter gegen den Pokalverteidiger und hielt den Vorsprung bis zum umjubelten Abpfiff. Der Rest war Jubel.

    Die Statistik

    • FC St. Pauli: Smarsch – Ohlsson (74. Zander), Medic, Lawrence, Paqarada – Smith, Becker, Hartel, Irvine – Burgstaller (90. Makienok), Amenyido (75. Dittgen).
    • Dortmund: Kobel – Meunier, Akanji (76. Zagadou), Hummels, Guerreiro – Witsel (90. Moukoko), Brandt, Bellingham, Reus, T. Hazard (65. Malen) – Haaland.
    • Tore: 1:0 Amenyido (4.), 2:0 Witsel (40. Eigentor), 2:1 Haaland (58., Handelfmeter nach Videobeweis)
    • Zuschauer: 2000 (ausverkauft)