Hamburg. St. Pauli stellt sein Corona-Konzept von 3G auf 2G um – und erhält dafür ein Zugeständnis der Stadt. Was Präsident Göttlich dazu sagt.

Am Montag wurden einige Fans des FC St. Pauli langsam ungeduldig, als der Verein immer noch keine Informationen veröffentlicht hatte, wie der Ticketverkauf für das Zweitliga-Heimspiel an diesem Sonntag (13.30 Uhr) gegen den FC Ingolstadt 04 ablaufen wird. „Wäre ja schon schön, wenn Mensch bald wüsste, wie das mit den Karten für Ingolstadt abläuft ... Ist ja auch schon in 6 Tagen ...“, twitterte etwa „Knurri FCSP“ bereits am Morgen.

Was die meisten Anhänger zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten, war die Tatsache, dass der Club und die Stadt einen großen Plan verfolgten und am späten Nachmittag dann auch präsentierten. Erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie darf St. Pauli sein Stadion zur Hälfte der Gesamtkapazität (29.546 Plätze) füllen – aber nur mit Zuschauerinnen und Zuschauern, die entweder vollständig gegen das Coronavirus geimpft oder genesen sind.

FC St. Pauli: 2G als Pilotprojekt im Fußball

Es ist das erste Pilotprojekt unter strengen 2G-Regeln im Hamburger Profifußball. Ein aktueller negativer Corona-Test wird für Erwachsene nicht mehr genügen, um Eintritt zu erhalten. Eine Ausnahme gilt nur für Kinder und Jugendliche im Alter zwischen sieben und 18 Jahren. Bei ihnen muss ein negativer Test vorliegen.

Zuletzt hatte der FC St. Pauli bei seinen Heimspielen 10.003 Karten unter 3G-Regeln verkaufen dürfen, die Erhöhung auf nun genau 14.773 Tickets hilft kurzfristig in wirtschaftlicher Hinsicht, soll aber vor allem einen wichtigen Schritt in Richtung Vollauslastung darstellen.

St. Pauli und 2G: Das sagt Präsident Göttlich

„Wir sehen das als einen ersten Ballon an, um zu sehen, wie die Abläufe funktionieren. Wir wollen dann sehen, wie die nächsten Schritte in aller Vorsicht und mit allem Respekt vor dem immer noch grassierenden Virus vonstattengehen können“, sagt St. Paulis Präsident Oke Göttlich im Gespräch mit dem Abendblatt.

„Wir haben auf diesen Plan sowohl auf der Mitgliederversammlung als auch von den Fans und in den Gremien ein sehr wohlwollendes Feedback bekommen“, sagt er weiter in Bezug auf die strengen 2G-Regeln, die derzeit eine unabdingbare Voraussetzung sind, um mehr Zuschauer als bisher ins Stadion lassen zu dürfen als bisher.

Göttlich hatte sich selbst mit Corona infiziert

„Wir haben auch eine große Verantwortung, als Arbeitgeber und als großer Veranstalter im Stadtteil St. Pauli vorwegzugehen und anderen Veranstaltern Mut zu machen, dass man es hinbekommen kann“, sagt Göttlich weiter. St. Paulis Präsident betont, gemeinsam mit der gesamten Clubführung ein klarer Impf-Befürworter zu sein.

„Wir betrachten das Impfen als den einzigen wirksamen Schutz, um mit diesem Virus leben zu können. Impfen schützt nicht nur einen selber, sondern vor allem auch andere und ist damit auch ein solidarischer Gedanke“, sagt er. Göttlich selbst hatte sich zu Beginn der Pandemie selbst mit dem Coronavirus infiziert und noch monatelang Folgen gespürt.

St. Pauli macht die Südtribüne wieder voll

Die Besonderheit des Pilotprojekts beim Heimspiel gegen den FC Ingolstadt wird sein, dass die vier Tribünen des Millerntor-Stadions nicht gleichmäßig jeweils zur Hälfte mit Fans gefüllt werden. „Wir werden die Südtribüne stark auslasten können. Das ist durch die Logistik mit den Aufgängen von beiden Seiten möglich. Es ist auch ein Angebot an die Fans, ins Stadion zurückzukehren. Ich bin sehr dankbar, dass uns der Fanladen und die Fanszene sehr viele gute Ideen mit auf den Weg gegeben haben“, sagt Göttlich.

Auf den Stehplätzen der Südtribüne sind bekanntlich große Teile der organisierten Fanszene verortet, insbesondere auch die Ultras. Am Montagabend gab der Club sogar bekannt, dass auf der Südtribüne alle Plätze zum Verkauf angeboten werden. Im Gegenzug bleibt der Heimbereich der Nordtribüne unbesetzt.

St. Pauli will Fankultur wiederbeleben

Die meisten Angehörigen der aktiven Fanszene waren den Spielen trotz Teilzulassung von Zuschauern bisher ferngeblieben, weil das gewohnte Gemeinschaftsgefühl und damit ein für sie wesentlicher Bestandteil des Stadionerlebnisses nicht gegeben war. „Wir wollen die sanktpaulianische Fankultur zurück ins Stadion bringen. Das geht nur, wenn hier alle Fangruppierungen vertreten sind“, sagt Göttlich.

Die 2G-Regelung ermöglicht es in diesem Testprojekt, dass das allgemeine Abstandsgebot aufgehoben ist. Die Maskenpflicht gilt nur in den Umläufen der Tribüne und in den Sanitäranlagen, nicht aber auf den zugewiesenen Plätzen. Auch Singen und Tanzen wird für die Fans erlaubt sein. Der Vorverkauf der Tickets startete kurz nach der Erlaubnis der Stadt noch am Montagabend.

Göttlich: Vulnerable Gruppe als "Knackpunkt"

Unglücklich ist Oke Göttlich allerdings damit, dass zumindest beim Spiel am Sonntag gegen Ingolstadt all jene, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen dürfen, definitiv nicht ins Stadion dürfen. „Der Umgang mit dieser Gruppe ist für uns ein großer Knackpunkt. Ich verstehe die Behörden aber auch, die sagen, dass dies eine vulnerable Gruppe ist und es sich für sie ohnehin nicht empfiehlt, an einer Großveranstaltung teilzunehmen. Andererseits kämpfen wir täglich dafür, auch für diese Gruppe eine Lösung zu finden“, sagt er.

Göttlich geht davon aus, unter 2G-Bedingungen noch vor dem Jahreswechsel auf eine Auslastungsquote von mehr als 50 Prozent zu kommen und diese dann im neuen Jahr recht bald auf 75 Prozent zu erhöhen. „Es macht keinen Sinn, Forderungen zu stellen, mit 2G sofort wieder auf 100 Prozent Auslastung zu steigern“, sagt Göttlich. Dennoch hofft auch er noch in dieser Saison auf ein wieder komplett gefülltes Millerntor-Stadion.

St. Pauli hielt sich mehr zurück als der HSV

In den bisherigen Verhandlungen mit der Stadt über die Wiederzulassung von Zuschauern hatte sich St. Pauli öffentlich weit mehr als der HSV zurückgehalten, was angesichts des eher rebellischen Selbstverständnisses des Kiezclubs auf den ersten Blick überraschend gewesen sein mag. „Wir wollen dort rebellisch sein, wo wir es wollen und müssen. Aber in einer globalen pandemischen Notlage agieren wir vernunftgetrieben und halten uns sehr an die Erkenntnisse der weltweit tätigen Wissenschaftler. Wir glauben, dass wir die Dinge zu einem besseren Ende bringen, wenn wir Hand in Hand mit den Entscheidungsträgerinnen handeln“, sagt Göttlich dazu.

Der HSV wartete am Montag unterdessen weiter auf die Reaktion der Stadt auf seinen Widerspruch gegen die jüngste Verfügung, lediglich 19.950 Zuschauer bei seinen Heimspielen im deutlich größeren Volksparkstadion (57.000 Plätze) zulassen zu dürfen. Ein Wert, der allerdings für das bisher praktizierte 3G-Konzept gilt.