Hamburg . Der Trainer des Kiezclubs warnt vor Erzgebirge Aue und freut sich auf das Wiedersehen mit einem “spielwütigen“ alten Bekannten.

Das schelmische Grinsen im Gesicht und das "Jetzt-geht-das-schon-wieder-los"-Kopfnicken von Timo Schultz ließ erahnen, dass er mit der Frage zum Thema Spitzenmannschaft und FC St. Pauli irgendwie gerechnet hatte.

Nach dem überzeugenden 3:0-Auftaktsieg gegen Holstein Kiel fühlten sich alle Experten darin bestätigt, dass der Kiezclub ein heißer Anwärter auf den Bundesliga-Aufstieg sein könnte. „Ich bin der Letzte, der nach einer guten Leistung sagt: So gut sind wir gar nicht“, erklärte der 43 Jahre alte Cheftrainer, der gar nicht erst versucht, aufkommende Euphorie zu unterdrücken.

„Wir können richtig gut Fußball spielen. Um aber eine Tendenz zu sehen, wo sich Mannschaften einordnen und welche Mannschaft Leistung über einen gewissen Zeitraum bestätigen kann, braucht man zehn, zwölf Spiele", erklärte der Coach und ergänzte: "Genauso wenig, wie wir jetzt Aufstiegsfavorit Nummer eins sind, sind wir nach ein paar Niederlagen Abstiegskandidat Nummer eins“, so der gebürtige Ostfriese vor dem Auswärtsspiel am Sonntag (13.30 Uhr, Sky und im Liveticker auf abendblatt.de) bei Erzgebirge Aue.

St. Pauli mit gleicher Elf wie gegen Kiel?

Doch auch Schultz weiß, dass vieles dafürspricht, dass St. Pauli eine erfolgreiche Saison vor sich hat. Kaum eine Mannschaft im Bundesliga-Unterhaus ist derart gut eingespielt wie die der Hamburger. Beim Sieg gegen Holstein Kiel stand mit Abwehrspieler Jakov Medic (22) lediglich ein neuer Feldspieler in der Startformation.

Auch am Sonntag deutet vieles daraufhin, dass Schultz auf eine große Personalrochade verzichten wird. Zumal die zuletzt angeschlagenen Philipp Ziereis (28), Eric Smith (24) und Luca Zander (25) alle wieder einsatzfähig sein werden.

Schultz freut sich auf Wiedersehen mit Schreck

Ganz anders ist die personelle Situation beim Gegner aus dem Erzgebirge. In Aue wurde in der Sommerpause ein Umbruch vollzogen. Gerade in der Offensivabteilung gab es bei den „Veilchen“ einen Aderlass. Mit den Topstürmern Pascal Testroet (30), der nach Sandhausen gewechselt ist, und Florian Krüger (22), der den Sprung zu Arminia Bielefeld in die Bundesliga vollzogen hat, sind zwei Säulen der Vorsaison weggebrochen.

Mitte der Woche hat der Gegner der Hamburger einen Mann verpflichtet, der auch auf St. Pauli seine Spuren hinterlassen hat. 2016 verließ Sam Schreck als damals 16 Jahre altes Toptalent den Kiezclub in Richtung Bayer Leverkusen, wo ihm der sportliche Durchbruch ebenso verwehrt blieb wie beim FC Groningen. Nun soll Schreck als Leihspieler in Aue Spielpraxis sammeln.

Das ehemalige St.-Pauli-Talent Sam Schreck (hier noch im Trikot des FC Groningen) wurde erst unter der Woche von Aue verpflichtet.
Das ehemalige St.-Pauli-Talent Sam Schreck (hier noch im Trikot des FC Groningen) wurde erst unter der Woche von Aue verpflichtet. © Imago/Pro Schots

„Ich freue mich, ihn wiederzusehen“, sagte Schultz, der Schreck in der U17 trainiert hatte und fügte an. „Sam ist ein spielwütiger Spieler, ein extrem guter Dribbler. Er hat aber den Sprung in den Erwachsenenfußball noch nicht zu 100 Prozent vollziehen können, aber ich kann mir vorstellen, dass Aue für ihn ein guter Schritt sein könnte.“

Geduldspiel in Aue: "Nicht unsere Stärke"

Doch nicht nur personell hat sich Aue verändert, auch die taktische Herangehensweise ist unter dem neuen Trainer Aleksey Shpilevski eine andere.

„Ich kenne ihn noch nicht so gut. Wir müssen uns aber auf einen Gegner einstellen, der maximal investieren wird, der eine hohe Laufbereitschaft und Kampfkraft an den Tag legen wird. Dieses Spiel müssen wir annehmen“, mahnte Schultz, wohlwissend, dass die Partie in Aue ganz andere Herausforderungen bietet, als die gegen die Kieler, die wie St. Pauli auch über das spielerische Element kommen.

Nun könnte gegen die defensivstarken Ostdeutschen, die am ersten Spieltag ein achtbares 0:0 gegen den 1. FC Nürnberg erkämpft hatten, ein Geduldspiel auf das Schultz-Team zukommen. „Geduld ist nicht unbedingt unsere Stärke. Wir sind nicht die Tiki-Taka-Mannschaft, die mit Ballbesitz permanent hintenrum spielt. Wir wollen schnellstmöglich nach vorne kommen und müssen dort Lösungen finden“, erklärte der Coach.

800 St.-Pauli-Fans reisen nach Aue

Unterstützung erhalten die Hamburger von den Rängen. Erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie werden in Aue wieder St.-Pauli-Fans im Gästeblock zu finden sein. Wie viele es sein werden, konnte der Club nicht sagen, da der Verkauf über Erzgebirge Aue organisiert wurde.

Dem Vernehmen nach sollen aber rund 800 Anhänger unter den insgesamt 12.000 zugelassenen Zuschauern vor Ort sein. „Ich freue mich einfach. Das ist die Prise Salz in der Suppe. Gästefans gehören elementar dazu. Erwartungen an die Fans mag ich gar nicht aussprechen. Von meiner Mannschaft erwarte ich, dass sie sich zerreißt, um den Fans ein gutes Gefühl zu geben, was sie seit gut anderthalb Jahren auswärts im Stadion nicht haben konnten“, so die klare Botschaft an die Anhänger.

Das Salz in der Suppe: St. Paulis Speiler beim Schlussjubel mit dem Fans nach dem Auftaktsieg gegen Kiel.
Das Salz in der Suppe: St. Paulis Speiler beim Schlussjubel mit dem Fans nach dem Auftaktsieg gegen Kiel. © Witters

Zwei Siege zum Auftakt gab es zuletzt in der Saison 2018/19, als der 1. FC Magdeburg (2:1) und Darmstadt 98 (2:0) bezwungen werden konnten. Gelingt dem Schultz-Team dieser Doppelschlag erneut, wird die Euphorie auf St. Pauli weiter wachsen. Doch auch damit würde Trainer Schultz schon irgendwie klarkommen.