Hamburg. Der Leiter des Nachwuchsleistungszentrums, Roger Stilz, und seine Mitarbeiter kümmern sich um 200 Spieler von U 10 bis U 23.

„Nein“, sagt Roger Stilz sehr entschieden – und wohl auch etwas stolz: „Es hat keine einzige Abmeldung aus dem Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) gegeben.“ Es ist ja nichts mehr so, wie es mal war. Auch nicht in der Talenteschmiede des FC St. Pauli, die Stilz leitet. Da hätte auch der eine oder andere abspringen können. Aber nein. „Ich denke, das liegt daran, dass wir immer sehr offen kommuniziert haben“, meint der 43-Jährige, „es war uns wichtig, für die Eltern und die Spieler Klarheit zu schaffen und auch Sicherheit zu geben.“

Ja, das Virus. Natürlich hat es nicht nur Profifußballer zu Geisterspielern gemacht und die Amateurkicker komplett gestoppt. Es hat auch die Talentförderung bei den Vereinen ausgebremst – oder besser: modifiziert. Von Mitte März bis in den Mai war gar kein Gruppentraining möglich, seitdem dürfen in Hamburg nur maximal zehn Spieler miteinander üben. „Zu Beginn der Pandemie dachten wir in Wochen“, räumt Stilz ein, „aber dann war uns doch zügig klar: Diese Saison 2019/2020 ist beendet.“

Notpläne mussten entwickelt werden

Also mussten Notpläne entwickelt werden. Videokonferenzen, Chatsysteme, all das kam zum Einsatz. Fußballtrainer und Betreuer im Homeoffice-Modus. Unterstützt durch Team-Software- und Kommunikationslösungen. „Es musste weiter darum gehen, der Ausbildung unserer Talente gerecht zu werden“, erinnert sich Stilz, „das ist nicht einfach, weil wir sehr unterschiedliche Spieler aus sehr unterschiedlichen Umfeldern haben.“

Zehn Teams mit etwa 200 Spielern zwischen der U 10 und der U-23-Regionalligamannschaft werden im NLZ des FC St. Pauli betreut. Von der U 15 aufwärts sind dafür hauptamtliche Cheftrainer verantwortlich. Dazu gibt es die Athletiktrainer, Torwarttrainer, die Sportpsychologen, Mediziner, Videoanalysten. Kaderplaner, die pädagogische Leitung – sie alle waren und sind intensiv in diese alternative Betreuung eingebunden.

„Wir hatten mehr Zeit für Gespräche mit den Spielern“

Fast wichtiger als die exakten Kleingruppen-Übungen auf dem Platz ist dem Ex-Profi Stilz etwas anderes: „Wir hatten mehr Zeit für Gespräche mit den Spielern.“ Erfolg im Fußball, davon ist der Schweizer überzeugt, kommt nicht allein von Balltalent und Athletik, sondern wird auch zu wesentlichen Teilen im Kopf entschieden: „Man braucht eine mentale Grundstabilität, um seinen Weg zu gehen.“ Die Spieler hatten nun (unfreiwillig) die Chance, die fehlende Zeit auf dem Trainingsplatz zur Selbstreflexion zu nutzen. „Einzelne haben dieses getan. Sie sind klarer geworden in dem, was sie tun und was sie wollen“, sagt Stilz, „anderen fiel es schwerer, sich eine andere Tagesstruktur zu geben. Da haben wir dann mit Sportpsychologen, Trainern und so fort unterstützt.“

AKK: Gibt es eine zweite Corona-Welle?

AKK: Gibt es eine zweite Corona-Welle?

weitere Videos

    In den beiden Talenthäusern am Brummerskamp etablierte die pädagogische Leiterin Stephanie Goncalves Norberto auch ein klares Regiment. Die Jungs wurden gebrieft, was geht – und was nicht. Immerhin ist dort auf der Anlage in Schnelsen unter strengster Beachtung der Hygienevorschriften seit Mai wieder Training möglich. Umkleideräume können nicht genutzt werden, Eltern können nicht auf die Anlage. Begegnen sollen sich die verschiedenen Teams auch nicht. Schwierig alles, aber es geht.

    Lesen Sie auch:

    „Uns hat der warme Sommer natürlich sehr geholfen“, weiß Roger Stilz und blickt durchaus nicht ohne Sorge angesichts wieder steigender Infektionszahlen und des nasseren Wetters Richtung Herbst: „Die Herausforderungen werden wieder größer, eventuell müssen wir dann neue Strategien entwickeln.“ Aber das ist bisher ja auch gut gelungen.