Hamburg. Viele Anhänger haben ihre Schmuckurkunden der Ende 2011 aufgelegten Anleihe behalten und auf Rückzahlung verzichtet.
Seit einer Woche geht nichts mehr. Zwei Jahre lang hatten die Zeichner der Mitte 2018 ausgelaufenen Fan-Anleihe des FC St. Pauli noch die Chance, sich ihr angelegtes Geld zurückzahlen und auch die entsprechenden Zinsen von heute üppigen sechs Prozent pro Jahr auszahlen zu lassen. Längst nicht alle haben bis zum Ende der Frist am 30. Juni davon Gebrauch gemacht – und dies überwiegend ganz bewusst, weil sie dem Club das Geld nicht nur für sechs Jahre leihen, sondern sogar ganz überlassen wollten.
Die Bilanz ist für den FC St. Pauli erfreulich, gerade in dieser Zeit, da Zuschauereinnahmen fehlen, mit niedrigeren TV-Geldern zu rechnen ist und auch mancher Sponsor unter der Corona-Krise wirtschaftlich leidet und sein Engagement überdenken muss. Rund eine halbe Million Euro haben die Fans, die sich Ende 2011 für die Zeichnung einer Fan-Anleihe entschlossen hatten, dem Verein überlassen.
Um den berechtigten Zins- und Rückzahlungsforderungen gerecht werden zu können, hatte der Verein über die vergangenen Jahre entsprechende Rücklagen gebildet. Die von den Anlagezeichnern nicht abgerufenen oder aktiv gespendeten Beträge können nun anderweitig verwendet werden.
Martin Urban: „Verein kann das Geld sehr gut brauchen“
„Das macht in Summe einen mittleren sechsstelligen Betrag aus. Natürlich kann der Verein das Geld sehr gut brauchen – erst recht in der aktuellen Situation. Im Namen des FC St. Pauli möchte ich mich herzlich bei allen bedanken, die auf Geld verzichtet haben, um den Verein zu unterstützen“, sagte jetzt Martin Urban auf Nachfrage des Abendblatts. Der Geschäftsleiter Operations ist seit dem Abschied des kaufmännischen Geschäftsführers Andreas Rettig vor gut neun Monaten hauptamtlich für die Finanzen des FC St. Pauli verantwortlich.
Doch für die künftige Verwendung des von den Anlagezeichnern endgültig überlassenen Geldes gibt es Restriktionen. „Eine direkte Übertragung der von den Anleihezeichnern nicht abgerufenen Beträge in den Profi-Etat ist nicht möglich“, sagt Urban und stellt damit klar, dass der von den Anhängern geschenkte Betrag nicht etwa direkt für das Gehalt oder die Ablöse eines neuen Spielers oder Trainers verwendet werden kann.
Zwei grundsätzliche Möglichkeiten für die Anleger
Ein entscheidender Grund dafür ist die Tatsache, dass die Anleihe nicht vom Hauptverein direkt, sondern von der dem Verein angeschlossenen Millerntor-stadion Betriebs-GmbH und Co. KG aufgelegt worden war. Das von den Anlagezeichnern zur Verfügung gestellte Geld war zur Teilfinanzierung der neuen Gegengeraden und neuen Nordtribüne des Millerntor-Stadions sowie des Trainingszentrums an der Kollaustraße vorgesehen und wurde auch tatsächlich so verwendet. Das ist bei derartigen Fan-Anleihen längst nicht immer der Fall.
Für die Anleger gab es zwei grundsätzliche Möglichkeiten, die Anleihe zu zeichnen: Zum einen in Form einer globalverbrieften Schuldverschreibung und zum anderen – wesentlich symbolträchtiger und vorzeigbar – durch den Erwerb einer Schmuckurkunde. An der Emission dieser sogenannten Tafelpapiere, die heute im digitalen Zeitalter des Finanzgeschäftes kaum noch üblich sind, war die Hamburger Volksbank maßgeblich beteiligt. Der Anteil der Schmuckurkunden lag bei 55 Prozent.
Die gespendeten Beträge fließen in den ideellen Bereich
Zunächst hatte der FC St. Pauli die Anleihe nur über sechs Millionen Euro aufgelegt. Der reißende Absatz war dann der Anlass, sie um weitere zwei Millionen auf acht Millionen Euro aufzustocken. Verantwortlich dafür war das frühere, 2014 abgelöste Präsidium um Stefan Orth, wobei maßgeblich der in diesem Gremium für die Finanzen zuständige, im vergangenen November verstorbene Tjark Woydt die Anleihe initiiert und umgesetzt hatte. Später ärgerte er sich, dass man nicht einen noch höheren Betrag für die Anleihe gewählt hatte.
Die Schmuckurkunden waren zu Werten von 100, 500 und – einige wenige – zu 1910 Euro zu erwerben. An der Seite hatten diese Papiere sieben mit dem Foto eines früheren Spielers oder Trainers garnierte Zinscoupons, die jeweils abgetrennt werden mussten, um die jährliche Zinszahlung zu erhalten. Viele Anhänger ließen ihre Schmuckurkunde über die Jahre aber lieber unangetastet und wollten sich auch jetzt nicht trennen.
„Es sind einige Schmuckurkunden an den Wänden hängen geblieben und nicht eingelöst worden. Darüber hinaus wurden etwa 75.000 Euro aus der Anleihe gespendet“, bestätigt Martin Urban. Grundsätzlich konnten die Anlagezeichner, die ihr Geld nicht zurückhaben wollten, den Betrag spenden, auf eine Rückzahlung ausdrücklich verzichten oder den letzten Rückgabetermin verfallen lassen. „Die gespendeten Beträge können ausschließlich im ideellen Bereich des Vereins, also im Jugend-Fußball und den Amateur-Abteilungen, Verwendung finden“, erklärt Urban. Die anderen überlassenen Beträge werden zur Tilgung des Stadion-Darlehens genutzt.
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„Die Fan-Anleihe war eine außerordentlich gute Idee des vorherigen Präsidiums. Mich hat insbesondere beeindruckt, dass es der Verein verstanden hat, die Fans von der Sache zu überzeugen und die Einnahmen in nachhaltige Projekte und nicht kurzfristige Ideen zu investieren“, sagte St. Paulis Vizepräsident Carsten Höltkemeyer vor zwei Jahren, als der Club die 5000 Zeichner einer Schmuckurkunde zu einer Feier ins Millerntor-Stadion eingeladen hatte.
Es wäre eine einfache Lösung gewesen, die erste Fan-Anleihe durch eine zweite abzulösen. Es spricht alles dafür, dass auch diese – bei einer erneut attraktiven Verzinsung – ein Erfolg geworden wäre. Doch St. Paulis Führung entschied sich anders, weil die Anleihe kein Finanzierungsmodell für den laufenden Etat sein soll, sondern gezielt zur Realisierung von konkreten (Bau-)Vorhaben beitragen sollte.
Derartige Projekte waren vor zwei Jahren nicht konkret vorgesehen. Hinzu kommt, dass sich der FC St. Pauli auch aufgrund seines soliden Finanzgebarens (Bilanzgewinne seit neun Geschäftsjahren in Folge) auf dem Kapitalmarkt deutlich günstiger Geld beschaffen kann als mithilfe einer Anleihe.