Hannover. Beim 0:4 bei Hannover 96 leistete die Mannschaft von Jos Luhukay einen spielerischen Offenbarungseid.

Es glich einer Bankrotterklärung, die Jos Luhukay nach der auch in dieser Höhe verdienten 0:4 (0:2)-Niederlage des FC St. Pauli bei Hannover 96 bei der Pressekonferenz von sich gab. „Hannover war einfach überlegen und hat uns die Defizite aufgezeigt. Wenn Hannover aufs Gaspedal gedrückt hat, konnten wir nicht mithalten. Nur wenn sie die Handbremse angezogen haben, sah es bei uns noch einigermaßen ordentlich aus“, sagte der Trainer, der drei Tage nach seiner harschen Kritik an Henk Veerman beim glücklichen 2:1-Sieg gegen Aue nun ein Debakel seines Teams erlebte. „Wir hatten auswärts schon mehrere solcher Spiele“, sagte er weiter.

Das Beste, was dem FC St. Pauli am Mittwochabend in Hannover passierte, geschah derweil rund 550 Kilometer weiter südöstlich. Durch die 1:2-Niederlage des Karlsruher SC beim SSV Jahn Regensburg behielt St. Pauli zwei Spieltage vor dem Saisonende seinen Fünf-Punkte-Vorsprung vor dem Abstiegsrelegationsplatz. Die eigene Darbietung in Hannover war indes die eines Teams, das in der Zweiten Liga völlig überfordert ist und dementsprechend hier nichts zu suchen hat. Mit dem 0:4 war St. Pauli noch gut bedient, weil sich die Niedersachsen im frühen Gefühl des sicheren Sieges immer wieder einige Erholungsphasen gönnen konnten, ohne dass St. Pauli ihnen auch nur ansatzweise gefährlich wurde.

Vier neue Profis in der Startformation

Es deutet viel darauf hin, dass der FC St. Pauli dank gütiger Mithilfe der direkten Konkurrenz gerade so eben den Relegationsspielen gegen den Drittligadritten entgeht und wie ein schwer angeschlagener Boxer dem glücklichen Klassenverbleib entgegentaumelt. Ein einziger Punkt aus dem Heimspiel gegen Regensburg am Sonntag oder der Auswärtspartie in Wiesbaden eine Woche später wird voraussichtlich ausreichen – oder ein weiterer Punktverlust der Karlsruher, was wahrscheinlicher scheint.

Jos Luhukay hatte Wort gehalten. Vier bis fünf Änderungen hatte er vor dem Spiel in Hannover im Vergleich zum 2:1-Heimsieg gegen Erzgebirge Aue angekündigt, tatsächlich wurden es vier neue Profis in der Startformation. Auch Stürmer Henk Veerman fand sich auf der Bank wieder. Dies war also ein weiterer Mosaikstein in der belasteten Beziehung zwischen Luhukay und Veerman. Offenbar setzte der Trainer mehr auf die läuferischen Qualitäten von Coordes und Gyökeres. Ein Nackenschlag für den Torjäger war es dennoch, zumal mit Diamantakos ein anderer klassischer Stürmer ausgefallen war. Als er nach einer Stunde ins Spiel kam, wurde das Spiel nur eine Minute später durch das dritte Tor entschieden. „Er verkraftet es nicht, zwei Spiele in drei Tagen zu bestreiten“, begründete Luhukay die Entscheidung.

St.Pauli-Spieler wirkten unbeweglich und lethargisch

Angesichts der relativ kurzen Entfernung hatte die sportliche Leitung entschieden, erst am Spieltag anzureisen und vor Ort ein Tageshotel zu beziehen. Auf dem Spielfeld wirkte es allerdings so, als säßen die Spieler immer noch im Bus. So unbeweglich und lethargisch wirkten sie jedenfalls in der Anfangsphase des Spiels. Dazu kam das Unglück, dass Leo Östigard in der sechsten Minute vor dem Strafraum ausrutschte und so die Hannoveraner zur Führung einlud. Hendrik Weydandt nahm dieses unverhoffte Geschenk nicht nur dankend an, sondern bediente uneigennützig auch noch seinen Sturmkollegen Marvin Ducksch, der den Ball ins Tor schieben konnte.

Nach dem Tor zum 2:0 nur elf Minuten später, das diesmal Weydandt aus kurzer Entfernung per Kopf erzielte, nahmen die Hannoveraner etwas Tempo aus ihren Spiel heraus. Und was kam nach dem Rückstand von St. Pauli nach vorn? Erst einmal praktisch nichts. Ganze zwei Torschüsse wurden in den ersten 45 Minuten notiert. Am Ende waren es gerade einmal fünf.

Avevor: „In der ersten Halbzeit waren wir tot auf dem Platz“

Hannover musste in der zweiten Halbzeit nicht mehr als nötig tun und kam dennoch zu zwei weiteren Treffern durch die beiden eingewechselten Genki Haraguchi zum 3:0 (61.) und Cedric Teuchert (80.) zum 4:0-Endstand. „Es war eine Leistung, für die wir uns schämen müssen. Es gibt nichts schön zu reden. In der ersten Halbzeit waren wir tot auf dem Platz. Es war für alle, die es am Fernseher gesehen haben, sicher eine Qual, sich das anschauen zu müssen“, sagte der eingewechselte Kapitän Christopher Avevor in aller Deutlichkeit.

Jos Luhukay beklagte nach dem Spiel, dass die Medien beim FC St. Pauli immer nur den Druck auf den Trainer erhöhen. „Was ich hier erlebe, dass hier immer die Mannschaft und jeder Spieler geschützt wird und dass es immer um den Trainer geht“, sagte er und warf den Reportern vor, mit zweierlei Maß zu messen. „Ich bin lange genug dabei, um es zu durchschauen, was über den Trainer geschrieben wird.“