Hamburg. Seit Beginn der Pandemie engagieren sich Spieler, Fans und Verantwortliche. Michael Thomsen erzählt im Interview, wie es dazu kam.

Michael Thomsen (50) ist „Geschäftsführer Corporate Social Responsibility“ (CSR) beim FC St. Pauli. In der Corona-Pandemie bündeln er und sein Team alle Kräfte, um die Not vieler Menschen im Stadtteil zu lindern.

Hamburger Abendblatt: Herr Thomsen, was verbirgt sich hinter dem Hashtag #stpaulisolidarisch?

Michael Thomsen: Unter diesem Hashtag laufen die Aktionen, durch die wir als FC St. Pauli unserer sozialen Verantwortung während der Pandemie gerecht werden wollen. Spätestens im März war klar: Wir müssen umsteuern. Ursprünglich geplante Projekte mit Schülern und mit obdachlosen Menschen fielen ebenso aus wie Workshops mit Fans und viele weitere Aktivitäten. Also stellten wir uns auf die neuen Erfordernisse ein.

Welche Aktionen sind bei Ihren Überlegungen herausgekommen?

Thomsen: Alle zu nennen sprengt den Rahmen. Und mir ist wichtig: Unsere Teamarbeit wäre wertlos, würde sie nicht getragen vom großartigen Einsatz unserer Mitarbeiter*innen und Fans im Verbund mit den nicht minder engagierten Kooperationspartnern und Behörden.

So ist eine große Bewegung entstanden. Sei es die „FCSP-Einkaufshilfe“ für Menschen in der Risikogruppe im Stadtteil, die Kleiderspenden für Obdachlose und Bedürftige oder die 2500 Osterpakete für Menschen mit Behinderung, die über die Osterfeiertage keinen Besuch empfangen konnten, und so vieles mehr.

Eine Ihrer kreativen Ideen war der Not-Duschbetrieb für Obdachlose auf dem Harald-Stender-Platz am Stadion.

Thomsen: Wir arbeiten schon lange mit GoBanyo zusammen. Der von ihnen betriebene Duschbus ist eine wichtige Hilfe für obdachlose Menschen. Als klar wurde, dass die Einrichtungen der Obdachlosenhilfe ihren Betrieb einschränken müssen, wurden wir gefragt, ob wir mithelfen, den Duschbetrieb zu gewährleisten.

Wir haben sofort zugesagt, uns an die Umsetzung gemacht. Mittlerweile öffnet an zwei Tagen in der Woche der GoBanyo-Duschbus, an drei weiteren das von Bäderland betriebene Hallenschwimmbad St. Pauli an der Budapester Straße. Das Angebot wird sehr gut angenommen.

Etwa 100.000 Euro spenden die St.-Pauli-Fans in einer normalen Saison für Viva con Agua und den Kiezhelden-Spendenbeirat, der eine Vielzahl von Einrichtungen im Stadtteil unterstützt, indem sie auf das Becherpfand verzichten. Ist das Geld der vier Geister-Heimspiele verloren?

Thomsen: Nein. Unsere Fans können virtuell das Becherpfand von 1,50 Euro im Internet spenden. Die Aktion „St. Pauli 20359“, ins Leben gerufen von unseren Spielern Jan-Philipp Kalla und Marvin Knoll, hilft uns ebenfalls sehr.

Was bedeutet St. Pauli 20359?

Thomsen: Das ist eine Auktion mit unserer Postleitzahl. Unsere Mannschaft versteigert Trikots und Fan-Devotionalien. In der ersten Runde kamen 4600 Euro zusammen, in der zweiten 2600.

Verraten Sie uns das beliebteste Trikot?

Thomsen: Unser Co-Trainer André Trulsen trug es in seinem letzten Spiel. Sein Fanclub „Wir Kinder aus Trullerbü“ ersteigerte es, rechnete dabei Trullers Geburtsjahr in Euro um. Es brachte 1965 Euro ein.

Wie wird dafür gesorgt, dass alle Spenden zielgerichtet verwendet werden?

Thomsen: Im Kiezhelden-Spendenbeirat sitzen drei Vertreter des FC St. Pauli und drei bestens im Stadtteil vernetzte Fans. Da ist sehr viel Expertise. Die Entscheidung über die Verwendung von Geldern muss einstimmig fallen. Ein einmaliges und sehr sicheres Konstrukt.

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Erhalten Sie viele Rückmeldungen?

Thomsen: Ja! Viele Menschen sagen einfach nur „Danke“. Das freut uns sehr. Aber für uns sind Hilfe und Solidarität selbstverständlich. Wir als FC St. Pauli wollen immer über den Tellerrand schauen. Wenn ich sehe, wie wir uns alle hier in schwierigen Zeiten für ein solidarisches gesellschaftliches Miteinander engagieren, weiß ich, warum ich hier arbeite. misch