Hamburg. Der FC St. Pauli kommt besser aus der Corona-Pause als der HSV. Beim 1:0-Erfolg über den 1. FC Nürnberg gab es sogar Public Viewing.
Der FC St. Pauli hat sein Geisterspiel am Hamburger Millerntor glücklich mit 1:0 durch ein Tor von Viktor Gyökeres (84.) gewonnen. Doch spielerisch blieb die Mannschaft von Trainer Jos Luhukay viel schuldig. Der Coach brüllte vor allem nach der Roten Karte für Nürnbergs Torwart Christian Mathenia (55. Minute nach Videobeweis wegen Notbremse) seine Profis mit harschen Worten nach vorne. Man könnte auch sagen: Luhukay war der einzige Brüller trotz dieses Sieges.
Mit 33 Punkten stehen die St. Paulianer nun auf Platz neun der Zweiten Liga. Das Torverhältnis ist positiv (43:32). Doch wieder einmal zeigte sich, dass die Offensive vergleichsweise harmlos ist. Immerhin kam die Mannschaft mit einem Erfolgserlebnis aus der Corona-Pause – was sie dem Hamburger Konkurrenten HSV voraushat.
Trotz 35 Minuten in Überzahl hat sich der FC St. Pauli schwergetan, den Vorteil auszunutzen. Eigentlich waren die Nürnberger einem dreifachen Punktgewinn sogar näher als die Hamburger. Besonders in der ersten Halbzeit agierten die Franken sehr kontrolliert und beherrschten weitgehend das Geschehen.
Geisterspiel auf St. Pauli: Die Reaktionen
Trainer Jens Keller sagte: "Das Einzige, was wir nicht gemacht haben, das waren die Tore. Auch nach dem Seitenwechsel hatten wir alles im Griff. Nach der Roten Karte wird es ohne richtige Vorbereitung schwer." Jos Luhukay meinte folgerichtig: "Das erste Spiel nach einer langen Pause ist positiv und glücklich ausgefallen. Wir haben gegen eine starke Nürnberger Mannschaft gespielt, die uns vor allem in der ersten Halbzeit vor Probleme gestellt hat."
Die beste Nürnberger Torchance vergab Nikola Dovedan. Der Österreicher verfehlte in der 43. Minute das leere Tor. Auch in Unterzahl geriet die Mannschaft von Trainer Jens Keller selbst in der Schlussphase lange Zeit kaum in Gefahr.
Statistik: FC St. Pauli gegen den 1. FC Nürnberg
Was für eine Atmosphäre am Millerntor, der Heimat des FC St. Pauli nahe der Reeperbahn in Hamburg: Ein paar Ordner mit gelben Westen verirren sich an Absperrgittern, die Mannschaftsbusse stehen geparkt am Stadion. Kein Gesang, wenige Fans im Umfeld des Heiligengeistfeldes. Geisterspiel auf St. Pauli. Die Corona-Pandemie sorgt auch am Sonntag für gespenstische Fußballspiele.
Die Statistik
Vor dem Spiel des FC St. Pauli gegen den 1. FC Nürnberg ist „Hells Bells“ von AC/DC zu hören. Auch die Stadionanzeige ist eingeschaltet. Aber die einzigartige Stimmung ist weg, der Millerntor-Roar verflogen. Einige Fans sitzen in ihren Autos am Stadion und verfolgen das Spiel über Sky auf Laptops und Tablets.
Oke Göttlich über St. Pauli in Corona-Zeiten
Vor dem Spiel äußerte sich St. Paulis Präsident Oke Göttlich traurig über die Lage, aber optimistisch im Hinblick auf die gesellschaftliche Bedeutung des Vereins: "Das Herz von St. Pauli pumpt nur mit richtigen Zuschauern. Für uns ist das sehr traurig“, so Göttlich. Aber: „Als FC St. Pauli müssen wir einige Dinge anstoßen. Wir müssen sehen, was passiert ist in unserer Gesellschaft, was passiert mit Armut und den Abgehängten.“
St. Pauli: Geisterspiel am Hamburger Millerntor
Göttlich hat beobachtet: „Als ich hier durchs Viertel gefahren bin zum Spiel, habe ich sehr viele Menschen gesehen die geholfen haben. Unsere aktive Fanszene, die im Elbschlosskeller und in anderen Institutionen helfen. Und deshalb ist es auch wichtig, dass man wirtschaftliche Zusammenhänge wieder in Gang setzt. Dass das notwendigerweise jetzt mit Geisterspielen passiert, ist für den FC St. Pauli besonders schwer."
Polizei Hamburg warnte St.-Pauli-Fans
Rund um das Geisterspiel vertraute die Polizei auf die Vernunft der St. Pauli-Anhänger. „Wir gehen im Moment nicht davon aus, dass dort Fans in großer Zahl im Umfeld des Stadions auftreten werden“, sagte Polizeisprecherin Sandra Levgrün.
Und so war es auch bis 30 Minuten vor Anpfiff. „Alle Beteiligten sind sich der Bedeutung und Verantwortung in dieser Zeit bewusst“, meinte Levgrün. Nach dem Spiel wurden keine Zwischenfälle gemeldet.
Public Viewing: Das Leben hat wieder einen Sinn
Viele Hamburger Lokale erleben das Geisterspiel am Millerntor-Stadion mit gemischten Gefühlen. „Es ist angenehm, mal wieder zu arbeiten und die Leute zu sehen“, freut sich Karsten Oerlzicke von der „Hamburger Alm“, „aber es ist natürlich nicht das, was es einmal war“.
In dem Lokal auf der Reeperbahn müssten Gäste im Innenbereich Maske tragen und ihre Kontaktdaten für die Nachverfolgung von Infektionsketten hinterlassen. Tische und Sitzgelegenheiten stehen weit auseinander. „Das musst du aber auch machen“, betont Oerlizcke, „es kommt am Tag zwei- bis dreimal die Polizei vorbei und überprüft das“.
Während das „Jolly Roger“ am Sonntag geschlossen bleibt, haben andere Kultkneipen geöffnet. Im Eingang des „Millerntor“ versperrt ein Fass den Eingang zur Kneipe. Daneben steht ein Schild mit der Aufschrift: „Wir sind für Fußball ausgebucht“. Drinnen sitzen ein paar Fans und schauen die Begegnung zwischen dem FC St. Pauli und dem 1. FC Nürnberg. Im „Café Miller“ sei man ein wenig von den Lockerungen überrumpelt worden: „Noch überlegen wir, wie wir die Abstandsregeln umsetzen können. Die nächsten Spiele wollen wir aber übertragen“, sagte Inhaber Steffen Masur der Deutschen Presse-Agentur.
Im „Copa Cabana“ schaut Kai Maertens mit seinen Freunden das Zweitligaspiel. Sie gehören zu den wenigen Menschen im Außenbereich des Cafés. „Profi-Fußball lebt vom Publikum“, betont Maertens. Zwischendurch schauen auch immer wieder Menschen von der Straße zu. Als gegen Ende der zweiten Halbzeit das Tor für den FC St. Pauli fällt, schreit einer von ihnen euphorisch: „Das Leben hat wieder einen Sinn“.