Hamburg. FC St. Pauli nutzt die Derbysieger-Euphorie zum 3:1-Erfolg über Osnabrück, verliert aber seinen besten Torjäger.

Um 9 Uhr an diesem Montag hat Henk Veerman einen Termin in der Endo-Klinik. Die verdammte Schulter. Danach wird man sehen, wie schlimm die Verletzung des Torjägers ist – und wie bitter der Wermutstropfen nach dem gefeierten 3:1-Sieg des FC St. Pauli gegen den VfL Osnabrück. „Ich habe sofort gemerkt, dass da was ist“, sagte der Niederländer. Die rechte Schulter hatte er sich bei einem Sturz ausgekugelt, zwei Minuten vor dem Halbzeitpfiff. Der medizinische Stab des Clubs zerrte, rüttelte, drückte den Oberarmkopf bei dem vor der Ersatzbank liegenden Spieler zurück in die Schultereckgelenkpfanne. Veerman kam sogar für die restliche Spielzeit zurück: „Ich hatte keine großen Schmerzen.“ Und warum blieb er zur zweiten Hälfte in der Kabine? „Weil die Ärzte es so wollten.“

Dass der Mittelstürmer derzeit fast unersetzlich ist, hatte er in der starken ersten Halbzeit der Hamburger bewiesen. Nach zuvor zwei geblockten Schüssen sorgte er mit einem Kopfball nach einer Ecke Marvin Knolls für die 1:0-Führung (23. Minute). Es war sein siebter Treffer in den vergangenen acht Partien. Außerdem bereitete er das 2:0 des Polen Waldemar Sobota (35.) vor. „Damit bin ich persönlich sehr zufrieden, aber ich glaube, wir haben es heute alle gut gemacht“, sagte Veerman.

Der FC St. Pauli hat nachgelegt

Das große Ziel „Nachlegen“ haben sie so erreicht, der 2:0-Erfolg beim HSV wurde veredelt, zum zweiten Mal in der Saison gelangen zwei Siege in Folge. „Wir haben die Euphorie der vergangenen Woche in das Stadion und auf den Platz transportiert“, meinte Kapitän Daniel Buballa, „der Derbysieg hat uns enorme Kraft gegeben.“

Als um 13.29 Uhr die „Hells Bells“ beim Einlaufen der Teams ertönten, war die Gegengerade komplett von einer Plane bedeckt, auf der stand: „Hamburg ist braun-weiß“. Die Südtribüne zierte ein riesiges Vereinslogo und das Wort „Stadtmeister“. Und als dann noch beim Verlesen der Aufstellung jeder St.-Pauli-Spieler mit dem Zusatz „Derbysieger“ von den Fans geehrt wurde, war klar: Hier läuft mit einer Woche Verzögerung die Derbysieg-Fete 2.0. „Das war beim Einlaufen einfach nur geil, das pusht einen noch mal zusätzlich“, sagte Knoll.

Jos Luhukay war zufrieden mit Knoll

Das galt offenbar auch für den 29 Jahre alten Mittelfeldspieler; zusätzlich zu der besonderen Motivation, dass er erstmals wieder seit dem 14. Dezember in der Startelf auflaufen durfte. Schon nach seiner Einwechslung in der 34. Minute beim Derby machte der Routinier einen Unterschied, dafür wurde er nun offenbar belohnt. „Marvin hat in der Phase, die er selber als schwierig bezeichnet hat, nicht lamentiert, sondern im Training gezeigt, dass er in die Mannschaft gehört“, lobte Sportchef Andreas Bornemann: „Das hat mir sehr gut gefallen. Die Belohnung hat er sich mit einem sehr guten Spiel gegeben.“

Knoll wechselte mit Sobota ständig die Position hinter den Spitzen, grätschte, lief, kämpfte, trieb an. „Mann, war ich am Ende kaputt“, stöhnte er. Und er bereitete nicht nur das 1:0, sondern auch das 3:0 des Griechen Dimitrios Diaman­takos (48.) mit einer flachen Hereingabe von rechts vor. „Er hat seine Aufgabe super erfüllt und großen Anteil an zwei Toren“, freute sich Trainer Jos Luhukay über seine gute Idee bei der Aufstellung.

Einzige Änderung in der Startformation

Knoll war gegenüber dem HSV-Spiel die einzige Änderung in der Startformation. Da hat sich in den letzten Wochen ein Team gefunden, das mit Zuversicht und Selbstvertrauen aufläuft. „Ich glaube, der Knackpunkt für uns war schon das Spiel gegen Dresden“, meinte Sobota, „das war schon sehr gut, jeder kämpft für jeden, darauf kommt es an.“

Mit dem Sieg vom Sonntag hat der FC St. Pauli einen Sprung auf Rang zehn gemacht, der Relegationsplatz um den Klassenerhalt ist aber nur fünf Punkte entfernt. „Deshalb war es ein ganz wichtiger Sieg“, sagte Sobota, „wir wollten unbedingt an den Derbyerfolg anknüpfen.“ Osnabrück haben sie nun bei selber Punktzahl überholt. Erst nach dem 3:0 kamen die Niedersachsen besser ins Spiel, als sie laut Trainer Daniel Thioune „nichts mehr zu verlieren hatten“.

Auswärtsspiel in Sandhausen wahrscheinlich ohne Henk Veerman

Da bauten sie Druck auf, St. Pauli geriet ins Schwimmen, kassierte aber nur noch den Anschlusstreffer von Bashkim Ajdini (76.). Ein Zittern setzte in der Schlussviertelstunde ein, das nicht nötig gewesen wäre, wenn Sobota in der 59. Minute bei einem Konter im Eins-gegen-Eins vor dem Torwart nicht über seine eigenen Füße gestolpert wäre. Beim Sturz berührte er den Ball mit dem Oberarm, sein Treffer zählte deshalb nicht. Egal – gewonnen, meinte er. „Wir müssen jetzt so weitermachen, alles ist so eng.“ Den Blick auf die Tabelle verliert auch Bornemann nicht aus dem Auge: „Wir wollen versuchen, die nächsten Spieltage so zu nutzen, dass es für uns nicht so eine lange Rechnerei wird.“

Am Sonntag folgt das Auswärtsspiel in Sandhausen. Sehr wahrscheinlich ohne Henk Veerman. „Die Szene war natürlich ein Schock, es sah nicht gut aus“, sagte Trainer Luhukay: „Jetzt hoffen wir, dass er nicht zu lange ausfällt.“