Hamburg. Kiezclub führt souverän mit 2:0, wird aber wieder mal für die Schwäche bei Standards bestraft. Himmelmann-Berater kritisiert Luhukay.
Der Frust im Millerntorstadion war bei einem Großteil der 29.546 Zuschauern groß, als am Sonnabendnachmittag um 14.53 Uhr der Schlusspfiff ertönte. Durch das unnötige 2:2 (0:0) gegen einen über weite Strecken desolat auftretenden Karlsruher SC beendete der FC St. Pauli zwar seine Negativserie mit zuvor drei Pflichtspielniederlagen in Folge. Allerdings musste man konstatieren, dass der Kiezclub drei sichere Punkte verschenkt hat. Die Treffer für die Mannschaft von Trainer Jos Luhukay erzielte Mittelstürmer Dimitrios Diamantakos (50., 61.) jeweils per Foulelfmeter.
„Uns fehlt in diesen Situationen die Cleverness", klagte Luhukay über die Standardschwächen seiner Mannschaft. Gegen Karlsruhe kassierte St. Pauli nun schon zum dritten Mal in Folge ein Gegentor nach einem Eckball. Und das, obwohl in der Woche intensiv an dieser Problematik gearbeitet wurde. "Ich sehe aber keine Mentalitätsfrage", sagte Luhukay, in dessen Amtszeit 46 Prozent aller Gegentore nach einem ruhenden Ball zu Buche stehen. Im gesamten Saisonverlauf hat der Kiezclub nun schon sechs Gegentreffer nach einer Ecke kassiert. Schlechter ist kein anderer Teams in dieser Statistik.
Himmelmann-Berater schießt gegen Luhukay
Aus diesem Grund hatte Luhukay im Vorfeld Torhüter Robin Himmelmann angezählt und von ihm eine bessere Organisation seiner Vorderleute gefordert. Ein Kommentar, der bei Himmelmanns Berater Jörg Neblung auf Unverständnis stieß. "Unfassbar, wie man sich ohne Not so eine Baustelle aufmachen kann", kritisierte Neblung St. Paulis Trainer bei Twitter.
St.-Pauli-Profi kritisiert eigene Offensivleute
Auch innerhalb der Mannschaft geht es aktuell nicht nur harmonisch zu. "Wir sind spielerisch besser als der Gegner, gehen 2:0 in Führung, aber was dann passiert ist nicht zweitligareif", kritisierte Kapitän Daniel Buballa, der klare Worte fand. Vor allem das Verhalten der Offensivspieler missfiel dem Routinier. "Wir vernachlässigen die Defensivarbeiten und bleiben lieber vorne stehen und warten auf einen Konter. Das geht so nicht." Karlsruhe sei "mausetot" und "total im Eimer" gewesen, sagte der Verteidiger. "Wir müssen die Partie eigentlich nur noch runterspielen – und dürfen uns am Ende sogar nicht mal mehr beschweren, wenn wir das Ding noch verlieren."
Deutlich wurde auch Sportchef Andreas Bornemann. "Wir haben Punkte verschenkt und Lehrgeld gezahlt. Der eine oder andere junge Spieler muss schnell daraus lernen, weil die Liga nicht auf uns wartet."
Hymnen-Fauxpas verärgert KSC-Fans
Für ein erstes Highlight sorgte die Stadionregie der Kiezkicker. Vor jedem Spiel wird das Fanlied des Gegners gespielt. Doch anstatt die Hymne der Badener zu spielen, ertönte der Song des Erzrivalen 1. FC Kaiserslautern. Die rund 2000 Fans der Karlsruher quittierten den Fehler mit einem gellenden Pfeifkonzert. Wenig später entschuldigte sich Stadionsprecherin Dagmar Hansen bei den Gästen für den musikalischen Fauxpas.
Ähnlich überraschend wie die Musikauswahl war auch mal wieder die Aufstellung des Kiezclubs. So musste Publikumsliebling Jan-Philipp Kalla ebenso auf die Bank wie Mittelfeldspieler Marvin Knoll. Rechtsverteidiger Sebastian Ohlsson stand krankheitsbedingt nicht im Kader. Dafür stand erstmals wieder Stürmer Henk Veerman nach seinem im Dezember 2018 erlittenen Kreuzbandriss im Aufgebot. Den Namen des Niederländers riefen die Fans beim Verlesen der Aufstellung am lautesten.
Veerman sah von seinem Platz auf der Bank einen engagierten FC St. Pauli, der die Negativserie von drei Pflichtspielniederlagen in Folge unbedingt beenden wollte.
FC St. Pauli war spielbestimmend
Mit viel Tempo kreierten die Kiezkicker gegen zunächst biedere Gäste viel Unruhe. Nachdem es Außenstürmer Waldemar Sobota zweimal probierte (4.,5.) hatte Dimitrios Diamantakos in Minute 16 die Führung auf dem Fuß. Nach einem Traumpass von Finn Ole Becker stand der Grieche frei vor Torwart Benjamin Uphoff, doch St. Paulis bester Torjäger zielte nicht genau genug. Sein Schuss kullerte am langen Pfosten vorbei. Die Gastgeber dominierten in der ersten Hälfte mit phasenweise 76 Prozent Ballbesitz, häufig fehlte nur der letzte Pass, um die nötige Torgefahr auszustrahlen.
Gegen erschreckend harmlose Karlsruher, die lediglich durch den ehemaligen St.-Pauli-Profi Kyoungrok Choi zu harmlosen Abschlüssen kamen (5., 26.), verpassen es die Hamburger, sich eine komfortable Führung zu erspielen.
Zu allem Überfluss musste Trainer Luhukay nach 28 Minuten ein erstes Mal wechseln. Für den schwachen Matt Penney, der Probleme am hinteren linken Oberschenkel hatte, kam nach seinem am 16. Januar erlittenen Kreuzbandriss zum Einsatz. Viel gefordert wurde der Rückkehrer nicht. Beide Mannschaften gingen mit einem 0:0 in die Pause.
Diamantakos verwandelt Elfmeter für St. Pauli
Die zweite Hälfte begann mit einem Paukenschlag. Nach einem Foul von KSC-Profi Daniel Thiede an Kapitän Daniel Buballa gab es in der 47. Minute Elfmeter für St. Pauli. Schiedsrichter Christof Günsch schaute sich den Zweikampf auf Anraten des Videoassistenten Michael Bacher noch einmal in der Review-Area an und entschied nach knapp drei Minuten anschließend auf Strafstoß, den Diamantakos sicher verwandelte.
Nur elf Minuten erhielt der Grieche die zweite Chance vom Elfmeterpunkt. Ryo Miyaichi wurde bei einem Kopfball vom hohen Bein von Lukas Fröde im Gesicht getroffen. Und auch Strafstoß Nummer zwei wurde von St. Paulis Toptorjäger souverän verwandelt. Schoss er den ersten Versuch in die linke Ecke, ging Schuss Nummer zwei platziert in die Mitte.
Miyaichi mit ungewolltem Kunststück
In der Folge kontrollierte das Luhukay-Team die Partie. St. Paulis Torhüter Robin Himmelmann, der vor der Partie von seinem Trainer kritisiert wurde, hatte einen beschäftigungsarmen Nachmittag, an dem das Glück auf seiner Seite war. Eine Großchance von Marvin Pourié strich in der 75. Minute Zentimeter am Pfosten vorbei.
Ein noch größeres Kunststück vollbrachte St. Paulis Ryo Miyaichi, der aus fünf Metern über den fast leeren Kasten schoss. Und diese Chance sollte sich rächen. Nach dem Anschlusstor von Marc Lorenz in der 85. Minute kassierte der Kiezclub in der Nachspielzeit – mal wieder nach einer Ecke – den Ausgleich durch Pourié. Da wurde die emotionale Einwechslung von Henk Veerman zur Randnotiz. Am Ende konnten die Hamburger sogar noch froh sein, die Partie nicht noch verloren zu haben.
Die Statistik:
- St. Pauli: Himmelmann - Zander, Östigard, Buballa, Penney (29. Ziereis) - Flum, Becker - Miyaichi, Möller Daehli (86. Veerman), Sobota (80. Lankford) - Diamantakos. - Trainer: Luhukay
- Karlsruhe: Uphoff - Thiede, Gordon, Pisot, Roßbach (77. Camoglu) - Fröde (77. Fink), Kobald - Wanitzek, Lorenz - Choi (64. Pourie), Hofmann. - Trainer: Schwartz
- Schiedsrichter: Christof Günsch (Berlin)
- Tore: 1:0 Diamantakos (50., Foulelfmeter), 2:0 Diamantakos (61., Foulelfmeter), 2:1 Lorenz (85.), 2:2 Pourie (90.+1)
- Zuschauer: 29.546 (ausverkauft)
- Gelbe Karten: Flum, Buballa - Kobald, Fröde (3), Lorenz (3)
- Torschüsse: 19:13
- Ecken: 3:5
- Ballbesitz: 56:44 %