Hamburg. Der Mittelfeldspieler überzeugt nach sieben Spielen mit einer Durchschnittsnote von 2,36 – und ist ligaweit Nummer eins.

Für manche sind Noten für Fußballer nur eine hübsche Spielerei, für andere eine ernsthafte Einschätzung der im Match gezeigten Leistung. So sehr man im Einzelfall über jede einzelne Benotung streiten mag, so spiegelt der Durchschnittswert nach einer Reihe von Spielen dann doch das Leistungsniveau ziemlich realistisch wider. Insofern besitzt es schon eine Aussagekraft, wenn derzeit St. Paulis Mittelfeldspieler Mats Møller Daehli vom Fachmagazin „Kicker“ nach sieben Zweitligaspielen dieser Saison mit einer Durchschnittsnote von 2,36 die Nummer eins der gesamten Liga ist und damit an der Spitze der bisher 205 bewerteten Spieler steht.

„Ich wusste das nicht, aber mein Vater hat es mir jetzt auch schon gesagt“, berichtet der „Ligaprimus“ im Gespräch mit dem Abendblatt. „Für mich sind diese Noten nicht so wichtig. Manchmal denke ich, dass ich ein sehr gutes Spiel gemacht habe. Aber wenn ich kein Tor erzielt oder keine Torvorlage gegeben habe, bekomme ich keine gute Note. Manchmal ist es genau umgekehrt“, sagt der 24 Jahre alte Norweger.

Møller Daehli: Konstanz auf hohem Niveau

Schon in der vergangenen Saison hatte Møller Daehli starke Auftritte gehabt, doch in der aktuellen Spielzeit ist er bisher in jeder Partie einer der auffälligsten Akteure gewesen. Diese Konstanz auf hohem Niveau ist neu und hängt ursächlich damit zusammen, dass der 24-Jährige seine körperlichen Defizite und Probleme in den Griff bekommen hat.

Die Initialzündung für den Entschluss, etwas zu verändern, war das 0:5 bei Arminia Bielefeld Anfang Dezember 2017. „Ich hatte Schmerzen und war nicht fit. Ich wusste, was ich kann, aber das sah man nicht auf dem Platz. Nach dem Spiel habe ich viel überlegt“, erzählt er. Die Konsequenzen aus diesen Überlegungen: „Ich habe viel gelernt und viel verändert in meiner täglichen Routine. Essen, Schlafen, Trainingsarbeit, Yoga, Krafttraining – einfach alles“, berichtet er freimütig. Es sei ja nicht so gewesen, dass er vorher unprofessionell gelebt habe. „Aber jetzt weiß ich einfach mehr über Ernährung und Schlaf und lebe deshalb bewusster.“

Das Ergebnis regelmäßiger Wiederholung

Eine große Rolle bei diesen positiven Veränderungen habe die Arbeit mit St. Paulis Athletiktrainer Janosch Emonts gespielt, betont Møller Daehli. Der so Gelobte gibt das Kompliment direkt zurück. „Im Endeffekt macht der Spieler das selbst und nicht wir Athletiktrainer. Wir zeigen ihm nur ein bisschen den Weg und die Richtung, geben Tipps und leiten ihn an“, sagt Emonts. „Mats hat bei uns vor allem im körperlichen Bereich gearbeitet, seine Kraft- und Bewegungsfähigkeiten verbessert. Das hat ihm viel Sicherheit für das Spiel gegeben. Er hat so mehr Raum bekommen, sein Potenzial zu entfalten. Das ist kein großes Geheimnis, sondern das Ergebnis regelmäßiger Wiederholung“, stellt Emonts klar. „Manchmal sind große Entwicklungssprünge möglich. Das Ergebnis jetzt ist kein Zufall.“

Es ist nun bald drei Jahre her, dass Møller Daehli im Januar 2017 vom SC Freiburg ausgeliehen wurde und im Wintertrainingslager des FC St. Pauli auftauchte. Es war ein Himmelfahrtskommando, auf das er sich damals eingelassen hatte. Das Team war mit elf Punkten aus den 17 Spielen der Hinrunde Tabellenletzter, der Abstieg war realistisch kaum noch vermeidbar. Warum also entschied sich der technisch starke, aber körperlich eher fragile Spieler damals für diesen Club in dieser Situation?

„Christian Streich hat mir gesagt: ,St. Pauli passt zu dir. Gehe da hin und gib alles‘“, berichtet Møller Daehli über sein Gespräch mit dem charismatischen Cheftrainer des SC Freiburg. Nach einer langen Verletzung hatte der damals 21-Jährige im Breisgau einen schweren Stand. „Es war kein schöner Moment. Ich hatte nicht so viel Spielzeit, war jung und habe nicht so gut Deutsch gesprochen. Ich war mental und körperlich nicht bereit für die Bundesliga“, bekennt er bemerkenswert ehrlich. „So viele Optionen hatte ich nicht. Ich wusste nicht, wo ich Fußball spielen kann. Dann kam St. Pauli und gab mir eine Chance.“

Seine Liebe zum Club ist gewachsen

In seinem Gedächtnis haften geblieben ist sein erstes Heimspiel im Millerntor-Stadion zum Rückrundenstart Ende Januar 2017 gegen den VfB Stuttgart. „Wir haben 0:1 verloren, aber die 30.000 Leute blieben im Stadion und beklatschten uns. Ich habe das eigentlich nicht verstanden. Aber da wusste ich, dass es hier etwas Besonderes ist“, sagt Møller Daehli.

In den restlichen 16 Spielen sammelte St. Pauli damals die vereinsinterne Rekordzahl von 34 Punkten und wurde am Ende sogar noch Siebter. Møller Daehli wurde offiziell verabschiedet, weil seine Leihe beendet war. „Die Fans haben nach dem letzten Spiel gesungen: ,Hierbleiben!‘ Da habe ich mich entschieden, das auch zu tun. Seither ist meine Liebe zum Club immer noch weiter gewachsen“, sagt er. Zunächst lieh ihn der FC St. Pauli für die folgende Saison erneut aus und verpflichtete ihn danach fest bis Sommer 2021.

Møller Daehli küsste Vereinslogo

Längst haben die St.-Pauli-Anhänger den immer freundlich und bescheiden auftretenden Møller Daehli, der gelegentlich immer noch mit dem Linienbus zum Training kommt, in ihr Herz geschlossen. Nach dem 2:0-Sieg im Stadtderby gegen den HSV vor knapp zwei Wochen küsste er demonstrativ das Vereinslogo auf dem Trikot. Eine Geste, die von anderen Profis inflationär praktiziert wird, aber oft nur so lange als Treuebekenntnis hält, bis das nächste Angebot um die Ecke kommt. „Ich spürte eine so starke Emotion nach dem Spiel. Es fühlte sich in diesem Moment einfach richtig an“, beschreibt Møller Daehli, was ihn zu dieser Geste veranlasste.

Zu seinem sportlichen Aufschwung in dieser Saison trägt zudem bei, dass ihn Trainer Jos Luhukay im zentralen Mittelfeld spielen lässt, wo er viele Ballkontakte hat und nicht, wie zuvor auf der Außenbahn, auf Zuspiele warten muss. „Die Position gibt mir Freiheiten. Das ist richtig gut“, sagt Møller Daehli, der weiterhin einen großen sportlichen Traum hat: „Mit dem FC St. Pauli in der Ersten Bundesliga spielen.“