Hamburg. Der Kiezclub holt beim 2:1 im Nordderby gegen Kiel seinen ersten Saisonsieg. Ein Neuzugang trifft, ein anderer fliegt vom Platz.
Auf dieses Gefühl mussten die Profis des FC St. Pauli lange warten. Endlich mal wieder abgekämpft, aber glücklich das Spielfeld verlassen. Sich von den Fans feiern lassen und mit einem Glücksgefühl in den Feierabend gehen. 121 Tage nach dem letzten Sieg – Ende April gab es ein 4:3 gegen Jahn Regensburg – konnten die Kiezkicker wieder drei Punkte in der Zweiten Liga verbuchen. Dafür musste die Mannschaft von Jos Luhukay (56) beim 2:1 (0:0) im Nordderby gegen Holstein Kiel Schwerstarbeit verrichten.
Doch die Mühe hatte sich gelohnt. Dank der Treffer von James Lawrence und Christian Conteh konnte der Kiezclub den ersten Saisonsieg perfekt machen. "Es geht nur über 100 Prozent des Teams. Die Leute erkennen das an. Sie gehen gar nicht nach Hause", sagte ein glücklicher Luhukay bei Sky. „Wir waren in den letzten Spielen immer nah dran. Heute hat es sehr viel Energie gekostet." Sportchef Andreas Bornemann sprach deshalb von dem berühmten "Quäntchen Glück".
HSV-Sportchef Boldt am Millerntor
Luhukay blieb sich treu und überraschte auch im vierten Zweitligaspiel dieser Saison bei der Aufstellung. Am Montagmorgen hatte St. Paulis Coach noch Einzelgespräche mit den in der vergangenen Woche verpflichteten Lawrence (27) und Matt Penney (21) geführt. Der Coach wollte ein Gespür dafür bekommen, ob das neue Duo bereits für einen Startelfeinsatz bereit ist. Und offenbar war der Dialog derart positiv, dass Luhukay gleich beide Neuverpflichtungen in die Startelf packte.
Lawrence bildete mit den gelernten Außenverteidigern Daniel Buballa und Jan-Philipp Kalla überraschend eine Dreierkette. Penney, der sein letztes Pflichtspiel am 27. November 2018 für Sheffield absolviert hatte, spielte auf der linken offensiven Außenbahn. „Sie haben beide drei Einheiten mitgemacht. Es ist früh, aber wir brauchen die beiden, um die Qualität zu erhöhen“, sagte Luhukay vor der Partie.
Es dauerte, bis das Nordderby vor 29.546 Zuschauern – darunter Ex-St.-Pauli-Profi Fin Bartels und HSV-Sportvorstand Jonas Boldt – in Fahrt kam. Die Gastgeber waren darauf bedacht, im 3-5-2-System stabil zu stehen und immer wieder Nadelstiche zu setzen. So wie Dimitrios Diamantakos, der bei seiner Großchance in der zehnten Minute zu lange mit dem Abschluss zögerte. Immer wenn St. Pauli Tempo in die Partie brachte, bekam Kiel Probleme. Nach einem spektakulären Flankenlauf von Ryo Miyaichi wurde die Direktabnahme von Mats Möller Daehli im letzten Moment geblockt.
Lawrence trifft mit "Stanis" Nummer
Auch wenn die Kieler gerade in der ersten Hälfte längere Ballbesitzphasen hatten, wurde es außer in Minute 14, als ein schnell ausgeführter Freistoß die gesamte Hamburger Defensive übertölpelte, selten gefährlich. Und so entwickelte sich eine Partie, in der St. Pauli der Wille nicht abzusprechen war, allerdings machten technische Stockfehler immer wieder den Spielfluss kaputt.
Die zweite Halbzeit entschädigte die Anhänger jedoch. In der 47. Minute köpfte Lawrence einen kurz ausgeführten Freistoß von Möller Daehli aus kurzer Distanz ins Tor. Ein Traumstart für den Neuzugang vom RSC Anderlecht, der beim Kiezclub mit der eigentlich "heiligen" 21 auf dem Rücken aufläuft. Die Nummer hatte einst Holger Stanislawski getragen – zu seinem Abschied im Jahr 2011 war "Stani" eigentlich zugesichert worden, die Nummer nicht ohne sein Einverständnis neu zu vergeben. Ein Versprechen, das nach der Verpflichtung von Lawrence gebrochen wurde.
Himmelmann rettet spektakulär gegen Kiels Lee
So oder so – der Führungstreffer durch den walisischen Nationalspieler war der Auftakt einer leidenschaftlichen und packenden zweiten Hälfte, in der auch Kiel offensiv zunehmend teilnahm. In der 57. Minute rettete St.-Pauli-Schlussmann Himmelmann spektakulär gegen Holstein-Stürmer Jae Sung Lee, drei Minuten später rettete der Innenpfosten gegen Janni Serra für den Kiezclub. Es war jenes Glück, was den Hamburgern in den vergangenen Wochen so häufig gefehlt hatte.
Platzverweis für St. Paulis Neuzugang Penney
Kiel, bei denen die ehemaligen Hamburger André Schubert und Fabian Boll auf der Trainerbank von den St.-Pauli-Fans neutral begrüßt wurden, drückte auf den Ausgleich, doch das Luhukay-Team konterte mit der vom Trainer vor dem Spiel eingeforderten Überzeugung. Toptalent Christian Conteh (19) schloss in Minute 66 nach einem schönen Zuspiel von Diamantakos mit einem platzierten Rechtsschuss ab.
Das 2:0 war das erste Pflichtspieltor am Millerntor für den Shootingstar und ein Befreiungsschlag für die zuletzt so verunsicherten St.-Pauli-Profis. Der Anschlusstreffer von Kiels Baku (82.) war letztlich nur noch Ergebniskosmetik für die Schleswig-Holsteiner. In der Nachspielzeit kassierte Neuzugang Penney noch eine Gelb-Rote Karte wegen unsportlichen Verhaltens.
Durch den am Ende verdienten Erfolg im Nordderby verließen die Kiezkicker die Abstiegsränge und können in der kurzen Woche – bereits am Sonnabend wartet die Partie bei Dynamo Dresden – mit einem guten Gefühl angehen. „Es geht nur über 100 Prozent“, sagte Luhukay zur Erleichterung nach Spielschluss: „Die Leute gehen gar nicht nach Hause. Sie erkennen die Leistung an und feiern das Team.“ Torschütze Lawrence widmete sein Premierentor seinem verstorbenen Großvater.
Am Rande des Kiel-Spiels wurde zudem bekannt, dass Videoanalyst Andrew Meredith (47) mit sofortiger Wirkung den FC St. Pauli verlässt. Der Australier, der sechs Jahre für den Kiezclub gearbeitet hat, wechselt zum 1. September zum englischen Premier-League-Club Manchester United. „Nach sechs unvergesslichen Jahren war es mein letztes Spiel als Mitarbeiter des magischen FC St. Pauli. Ich freue mich nun auf ein neues Kapitel“, ließ Meredith verlauten.
Die Statistik:
St. Pauli: Himmelmann – Kalla (46. Lankford), Lawrence, Buballa – Miyaichi, Becker (67. Hoffmann), Knoll, Penney – Möller Daehli – Diamantakos, Conteh (84. Sobota). – Trainer: Luhukay
Kiel: Reimann – Ignjovski, Neumann, Wahl, van den Bergh – Mühling, Sander (27. Serra) – Lauberbach (46. Atanga, 85. Khelifi), Salih Özcan, Baku – Lee. – Trainer: Schubert
Schiedsrichter: Markus Schmidt (Stuttgart)
Tore: 1:0 Lawrence (49.), 2:0 Conteh (66.), 2:1 Baku (81.)
Zuschauer: 29.546 (ausverkauft)
Gelbe Karten: Kalla, Miyaichi (2) – Ignjovski, Wahl, van den Bergh
Gelb-Rot: Penney wegen unsportlichen Verhaltens (90.+3)
Torschüsse: 11:13
Ballbesitz: 46:54 %