Hamburg. Neuer Sportchef muss einen Kader basteln, der perspektivisch aufsteigen kann. Doch Bornemann sind vorerst die Hände gebunden.
Seinen ersten persönlichen Erfolg kann Andreas Bornemann verbuchen, bevor er seinen Dienst beim FC St. Pauli offiziell angetreten hat. „Die Wohnungssuche ist unmittelbar vor dem Abschluss. Für Hamburger Verhältnisse ist es ja fast schon spektakulär, so früh fündig geworden zu sein“, sagt der 47-Jährige, der ab 1. Juli das Amt des Geschäftsführers Sport beim Kiezclub bekleiden wird.
Der Mann aus Neuenburg am Rhein, der rein optisch einem George-Clooney-Double ähnelt, ist froh, dass er einen dicken Haken hinter die Wohnungssuche machen kann, schließlich warten arbeitsreiche Wochen auf den neuen Macher im sportlichen Bereich beim FC St. Pauli. Auch wenn er offiziell erst in knapp vier Wochen in Amt und Würden ist, drehen sich schon jetzt seine Gedanken ausschließlich um den neuen Verein. Weil sein Vertrag bei Ex-Club 1. FC Nürnberg noch bis 30. Juni läuft, war ein früherer Dienstbeginn beim Kiezclub nicht möglich.
Aber Bornemann einigte sich einvernehmlich mit den Franken auf eine Vertragsauflösung, und so gestattet Nürnberg, dass er im Hintergrund bereits für den neuen Arbeitgeber tätig werden darf. Mitte Juni will der ehemalige Profi des SC Freiburg (sechs Bundesligaspiele, zwei Zweitligapartien) sein Büro im ersten Stock des Funktionsgebäudes an der Kollaustraße beziehen, um „dann nicht nur geistig, sondern auch körperlich anwesend zu sein“, sagt Bornemann.
Bewährungschance für Kaderplaner Hentschel
Anders als Sportdirektoren anderer Vereine verzichtet er darauf, einen eigenen Assistenten mitzubringen. So erhält Tobias Hentschel, der das Scouting leitet und als Kaderplaner fungiert, eine Chance, sich zu beweisen. „Eigene Leute installieren mache ich grundsätzlich nicht“, erklärt er: „Jeder hat die Möglichkeit, sich in seiner Funktion zu beweisen. So werde ich es auch mit Tobias Hentschel halten. Ich werde mir die Zusammenarbeit anschauen und bewerten und in Absprache mit Trainer und Präsidium sehen, wie wir uns am besten aufstellen.“
Das gilt auch für die Planung der neuen Mannschaft. Aktuell stehen bei St. Pauli 27 Profis unter Vertrag. Einen aufgeblähten Kader mit 31 Spielern wie im Vorjahr will der Club künftig nicht mehr haben. „Für eine arbeitsfähige Gruppe sind mehr als 30 Spieler eindeutig zu viel. Unser Ansatz ist: lieber Qualitätszugewinn als zu viel Quantität“, skizziert Bornemann die neue Kaderstruktur.
Stöver-Verträge bremsen Bornemann aus
Das Problem: Bornemanns Vorgänger Uwe Stöver hatte vor seiner Entlassung zahlreiche Verträge verlängert, sodass dem neuen Sportchef bei der Planung ein wenig die Hände gebunden sind. „Es ist ein Balanceakt. Durch die Kadergröße ist ein nicht unerheblicher Teil des Budgets gebunden. Wir müssen schauen, inwiefern wir handlungsfähig sind“, sagt Bornemann. Und ergänzt: „Wir werden aber niemanden vom Hof jagen und einen Spieler zwingen, einen Vertrag aufzulösen. Wir werden mit Spielern sprechen, bei denen eine Leihe oder ein Transfer Sinn ergeben würde.“
Der neue Sportchef weiß, dass eine Frischzellenkur nötig ist, will man den Ambitionen von Trainer Jos Luhukay folgen. Der will in den nächsten beiden Jahren aufsteigen, hat er angekündigt. „Ich werde nicht so forsch sein wie Jos, ich finde es aber toll, dass er so ist. Ich sage, dass wir ganz viel arbeiten müssen und viele richtige Entscheidungen treffen müssen“, sagt Bornemann und erklärt: „Profifußball ist ein Wettbewerb der Etats. Gott sei Dank gibt es aber auch immer mal wieder Ausreißer.“
"Im Zweifel lieber Zurückhaltung"
Damit St. Pauli von einer sportlich „Grauen Maus“ zu einem solchen Ausreißer, sprich Aufstiegskandidaten, wird, will sich der Hamburger Club mit Verpflichtungen auf dem Transfermarkt Zeit lassen. Mit Mittelfeldspieler Rico Benatelli (27, Dresden, ablösefrei) steht bisher nur ein Neuzugang fest. Auch wenn viele Zweitligisten gerade ihre Personalplanungen massiv vorantreiben, hofft der ehemalige Nürnberger Bornemann, dass zum Ende der Transferfrist, die erst am 31. August endet, noch interessante Profis auf den Markt gespült werden.
„Die Vorbereitung und der Spielbetrieb der Bundesliga fängt später an. Bei den Clubs stellt sich dann auch die Frage, für welchen Spieler eine Veränderung besser wäre“, sagt er. „Wir müssen die Entwicklung beobachten und reagieren, wenn sich die Chance bietet.“ Geduld ist im schnelllebigen Fußballgeschäft die Ausnahme, doch Bornemann ist ein Fan davon: „Im Zweifel werden wir jetzt lieber Zurückhaltung an den Tag legen, um uns die Möglichkeit offenzuhalten, später noch Qualität dazuzuholen.“
Göttlich fordert höheren Leistungsgedanken
St. Paulis Präsident Oke Göttlich hat einen klaren Auftrag an seinen neuen sportlichen Leiter gerichtet. Die Mannschaft soll künftig wieder für attraktiven und mutigen Fußball stehen, der Freude bereitet – und erfolgreich ist. Dafür nimmt er aber nicht nur Bornemann in die Pflicht. Vor allem an die Spieler richtet der 43-Jährige überraschend deutliche Worte.
„Jetzt liegt es am Team, diesen Leistungsgedanken umzusetzen, sich körperlich in eine Situation zu bringen, dass man fit und verletzungsunanfällig bleibt, dass man mental stark ist und sich auf die 34 Spiele konzentriert“, sagt er. Und: „Mit Luhukay und Bornemann haben wir zwei Leute gefunden, die dafür stehen.“
Es sind Worte, an denen sich Bornemann messen lassen muss. Aber wer auf dem umkämpften Wohnungsmarkt in Hamburg erfolgreich war, wird mutmaßlich auch vor so einer Herausforderung nicht zurückschrecken.