Kiel. Kiezkicker verlieren nach schlimmer Vorstellung trotz Überzahl. Kauczinski verärgert. Stöver-Appell nach Schmähung gegen Dudziak.

Das war ganz schwach! Der FC St. Pauli hat das Nordderby in der Zweiten Fußball-Bundesliga bei Holstein Kiel trotz einer kompletten Halbzeit in Überzahl und nach eigener Führung mit 1:2 (1:0) verloren.

Damit mussten die Kiezkicker den direkten Konkurrenten im Aufstiegskampf an sich vorbeiziehen lassen. Nach dem vierten sieglosen Spiel in Serie rutschte die Mannschaft von Trainer Markus Kauczinski auf Rang sechs ab.

Siegt Union Berlin am Sonntag bei Dynamo Dresden, würde St. Paulis Rückstand auf Relegationsplatz drei sechs Spieltage vor Saisonende bereits auf sechs Punkte anwachsen.

Alex Meier bleibt cool am Elfmeterpunkt

Dabei hielten die Braun-Weißen im ausverkauften Holstein-Stadion alle Trümpfe in der Hand, nachdem Alex Meier seine Farben kurz vor Abpfiff der bis dato ereignisarmen ersten Hälfte in Führung gebracht hatte (43.).

Dabei profitierte der "Fußball-Gott" von einem Aussetzer Stefan Theskers, der ihn im Strafraum regelwidrig zu Fall brachte. Der Kieler wurde von Schiedsrichter Felix Zwayer mit glatt Rot vom Platz geschickt, Meier verwandelte den fälligen Elfmeter cool ins rechte Eck.

Holstein Kiel nutzt Avevors Aussetzer

Doch wer nun dachte, St. Pauli würde das Spiel souverän zu Ende bringen, sah sich bereits kurz nach Wiederanpfiff heftig getäuscht. Kiel übernahm die Initiative und wurde seinerseits mit einem Elfmeterpfiff belohnt.

St. Paulis Kapitän Christopher Avevor hatte Mathias Honsak an der Strafraumgrenze ungeschickt zu Fall gebracht. Und auch Alexander Mühling blieb am Punkt souverän und ließ St. Paulis Torhüter Svend Brodersen in dessen zweiten Saisonspiel mit einem strammen Schuss keine Chance.

"Ich kann auch in der Zeitlupe nicht erkennen, ob das Foul im Strafraum war", sagte Kauczinski nach dem Spiel. "Aber darauf kommt es nicht an. Wir haben uns nicht gut angestellt, von daher haben wir es auch nicht anders verdient, als den Elfmeter zu bekommen."

Heilloses Durcheinander bei St. Pauli

Den Aufwind und vor allem die Verunsicherung in Hamburgs Hintermannschaft nutzte Holstein nur drei Minuten später, um das Spiel zu drehen. Nach einem heillosen Durcheinander im Strafraum vollendete Jae-Sung Lee trocken zur Führung der dezimierten Kieler. "Das war viel zu einfach, viel zu schlecht verteidigt", ärgerte sich Kauczinski.

Anschließend lief bei St. Pauli nahezu nichts mehr zusammen. Im Gegenteil – mit einer starken Parade hielt Brodersen St. Pauli überhaupt noch im Spiel (69.). Ein echtes Aufbäumen mit Gelegenheiten für Meier (77.) und Mats Möller Daehli (84.) kam deutlich zu spät.

Kauczinski und Stöver werden deutlich

"Insgesamt muss ich sagen, dass wir es nicht verdient gehabt haben, so wie wir uns dargestellt haben", analysierte Kauczinski. "Es war zu fehlerhaft, die Gegentore sind einfach zu leicht gefallen."

Das sah auch Torschütze Meier so. "Von uns waren nur die letzten 15 Minuten der ersten Halbzeit und die letzten 15 Minuten der zweiten Halbzeit ganz okay. Ansonsten war Kiel besser, auch in Unterzahl", gestand der Torjäger nach seinem sechsten Saisontreffer.

Noch deutlicher wurde Uwe Stöver. "Wir haben mit der Führung und der Hinausstellung für den Gegner die drei Punkte auf dem Silbertablett und wir rütteln selber an diesem Tablett, und schmeißen die drei Punkte herunter", ärgerte sich St. Paulis Sportchef.

"Es ist eine Frage der Überzeugung und der Einstellung zum Ganzen. Da müssen wir zulegen", sagte Stöver. "Wir müssen wieder mutiger, aggressiver und leidenschaftlicher werden. Das sind Dinge, die uns im Moment abhanden gekommen sind."

Die Statistik

Holstein Kiel

Kronholm – Dehm, Thesker, Wahl, van den Bergh – Karazor – Mühling, Meffert (62. Schmidt) – Lee (74. Seydel)  –Okugawa (88. Bisseck), Honsak. - Trainer: Walter

FC St. Pauli

Brodersen – Carstens (77. Miyaichi), Avevor, Hoogma, Buballa (58. Zehir) – Dudziak (68. Allagui), Knoll – Sobota, Buchtmann, Möller Daehli – Meier. - Trainer: Kauczinski

Schiedsrichter

Felix Zwayer (Berlin)

Zuschauer

14.000

Tore

0:1 Meier (43./Elfmeter), 1:1 Mühling (50./Elfmeter), 2:1 Lee (53.)

Gelbe Karten

Van den Bergh, Lee – Dudziak, Avevor

Rote Karte

Stefan Thesker (Kiel/Notbremse)

1/7

Vierter Kieler Sieg im vierten Nordderby

Auf der Gegenseite konnte sich Tim Walter indes über mangelende Courage nicht beklagen. "Wir haben das Spiel mit fußballerischen Mitteln, viel Mut und Leidenschaft gedreht", sagte Kiels Trainer Tim Walter bei "Sky" nach dem vierten Sieg im vierten Derby gegen eine Hamburger Mannschaft (3:0 und 3:1 gegen den HSV/1:0 und 2:1 gegen St. Pauli) in dieser Spielzeit.

"Jeder hat für jeden noch einen Schritt mehr gemacht. So wollten wir rausgehen in die zweite Halbzeit, und das ist uns sehr gut gelungen", urteilte Walter, der damit auch Kauczinski, seinem guten Freund aus gemeinsamen Karlsruher Zeiten, ein erneutes Schnippchen schlug.

St. Paulis Fans mit Botschaft an Dudziak

So blieb St. Pauli am Ende nur noch eine gute Nachricht: Rund um das Risikospiel war es in beiden Fanlagern ruhig geblieben. Die Polizei, die eine zuvor aus Hamburg angeforderte Reiterstaffel doch wieder ausgeladen hatte, musste rund um das Stadion zunächst nicht eingreifen.

Das Schmäh-Plakat gegen Jeremy Dudziak.
Das Schmäh-Plakat gegen Jeremy Dudziak. © Witters

Unangenehm wurde es lediglich für Jeremy Dudziak. Der Mittelfeldspieler wird zur nächsten Saison zum HSV wechseln – seinen Missmut über den Abgang zum ungeliebten Stadtrivalen tat St. Paulis Anhang unter anderem in einem eindeutigen, nicht zitierwürdigen Spruchband kund. Nach einer frühen Gelben Karte war für "JD8" nach 68 Minuten Schluss, Kauczinski nahm den 23-Jährigen schützend vom Feld.

Stöver stellt sich hinter Dudziak

Zu dem Schmäh-Plakat bezog Stöver anschließend Stellung. "Jeremy Dudziak ist Spieler des FC St. Pauli bis zum 30. Juni 2019. Bis dahin wird er wie jeder andere Spieler von uns in dieser Mannschaft zu 100 Prozent akzeptiert und unterstützt. Ich denke, das ist richtig so."

An St. Paulis Fans appellierte er: "Es wäre schön, von allen diese Unterstützung zu erfahren, wie wir sie innerhalb der Mannschaft und im Lizenzbereich praktizieren."