Hamburg. St. Paulis 1:2 gegen Erzgebirge Aue offenbart massive Defizite des Teams. Sportchef Stöver übt harte Kritik.

Es gab Redebedarf am Sonntagmorgen. Für 10 Uhr war das Training für die Spieler des FC St. Pauli angesetzt, doch erst rund 50 Minuten später kamen die Akteure, die am Tag zuvor das Heimspiel gegen Erzgebirge Aue mit 1:2 (1:1) verloren hatten, aus dem Funktionsgebäude des Trainingszentrums, um sich zur Regenerationstour auf die Mountainbikes zu schwingen.

Später berichtete Cheftrainer Markus Kauczinski, dass es vor dem Training eine längere Sitzung gegeben habe. „Es ging mir darum, Eindrücke zu sammeln und die Meinungen der Spieler einmal zu hören. Dann habe ich meine Eindrücke geschildert“, berichtete er. „Auch Uwe Stöver hat auch noch einmal die Situation und Lage zusammengefasst, um auch einen Weg zu finden, wie wir da rauskommen.“

Keine Leichtigkeit, kein Flow

Die Worte von Sportchef Stöver dürften dabei sehr deutlich gewesen sein, hatte er doch bereits am Sonnabend knapp 30 Minuten nach dem Abpfiff auf Nachfrage Tacheles geredet. „Wir haben nach unserer frühen 1:0-Führung den Gegner aufgebaut. Es fehlt uns im Moment einiges. Die Leichtigkeit, die Überzeugung und auch den Flow, den man sich erarbeitet hat, scheinen im Moment nicht mehr so da zu sein. Das müssen wir uns jetzt wieder brutal hart erarbeiten. Wir müssen alle verstehen, dass wir dafür sehr viel investieren müssen, um wieder dahin zu kommen, wo wir bis Weihnachten noch waren“, sagte er.

Tatsächlich hat es die Mannschaft nicht geschafft, ihre gute sportliche und mentale Verfassung, die sie bei den drei Siegen in Folge unmittelbar vor der Winterpause bewiesen hatte, ins neue Jahr herüberzuretten. Die Bilanz aus den vier Spielen seit dem Jahreswechsel ist für ein Team, das in der Liga möglichst bis zum Saisonende oben mitspielen will, ernüchternd und offenbart massive, schon überwunden geglaubte Defizite. Es noch nicht einmal allein die Tatsache, dass drei der vier Spiele verloren gingen, die Sorge bereitet. In jeder dieser Partien setzte es zudem mindestens zwei Gegentreffer, im Match beim 1. FC Köln sogar vier. Die defensive Stabilität, die St. Pauli in der Hinserie nach dem fünften Spieltag stark gemacht hatte, ist längst wieder abhanden gekommen.

Glückliches Ende blieb aus

Hinzu kommt, dass sich das St.-Pauli-Team sehr schwertut, wenn es darum geht, mit einer eigenen Führung umzugehen. Wie schon Ende Januar in Darmstadt ließ es jetzt gegen Aue zu, dass der Gegner die Partie mit zwei Treffern komplett drehen und zu den eigenen Gunsten entscheiden konnte. Auch beim letztlich glücklichen 3:2-Erfolg über Union Berlin schenkte St. Pauli sogar binnen zweier Minuten einen 2:0-Vorsprung her, ehe es dank eines umstrittenen und von Alexander Meier verwandelten Strafstoßes noch ein glückliches Ende gab.

Dies blieb diesmal gegen Aue aus, auch weil Christopher Buchtmann, zuvor Torschütze zum frühen 1:0, und Alexander Meier in der zweiten Halbzeit ihre Großchancen vergaben und weil Schiedsrichter Florian Badstübner den Treffer von Florian Carstens (90.+2) wegen eines vorherigen Foulspiels aberkannte. „Ich denke, dass man so entscheiden kann. Ich hätte mich aufgeregt, wenn so ein Tor gegen uns gegeben worden wäre“, sagte St. Paulis Trainer Kauczinski dazu.

Fehlende Passgenauigkeit

„Die Wende im Spiel hat mit unserem 1:0 begonnen. Man denkt, man hat den Gegner weitestgehend im Griff, doch der stemmt sich gegen den Rückstand und baut sich durch eigene Aktionen wieder auf. Das haben wir zugelassen, aber das darf uns nicht passieren“, sagte Uwe Stöver. „Dafür haben wir genug erfahrene Spieler auf dem Platz. Schon in Darmstadt hätten wir das 2:0 erzielen und den Deckel draufmachen müssen. Wir müssen den Gegner desillusionieren und zermürben.“

Zudem kritisierte der Sportchef, dass die eigenen Spieler gegen Aue „nicht nah genug am Gegner“ waren und die „Passgenauigkeit, Passschärfe, aber auch das richtige Timing bei Bällen in die Tiefe“ derzeit fehlt. Mittelfeldspieler Buchtmann unterstützte die These, die eigenen Nachlässigkeiten hätten Aue die Wende ermöglicht. „Wir hatten sie schon im Sack am Anfang. Aber ich hatte das Gefühl, dass wir dann einen Schritt zu wenig machen und den Gegner ins Spiel kommen lassen. Das müssen wir abstellen, sonst wird der Abstand zu groß“, sagte er mit Blick auf die Tabellenspitze. „Wir müssen das ganze Spiel so brennen wie in den letzten 20 Minuten.“

Keine Steigerung des Trainingspensums

„Nach dem Hinspiel in Aue haben wir die richtigen Schlüsse gezogen. Das kann uns auch jetzt helfen“, sagte Stöver mit Blick auf das nächste Heimspiel gegen Ingolstadt am Sonnabend. „Es wird Umstellungen geben“, kündigte Trainer Kauczinski bereits an. Ein Kandidat für einen Startelf-Einsatz ist der von Hoffenheim ausgeliehene Verteidiger Justin Hoogma. Eine Steigerung des Trainingspensums hält Kauczinski indes vorerst nicht für sinnvoll.