Hamburg. Der Stürmer hat sich schnell beim FC St. Pauli eingelebt und kann sich mit der „Joker“-Rolle arrangieren.

Gleich zu Beginn bittet Alexander Meier höflich um Entschuldigung, als er zum Gespräch mit dem Abendblatt kommt: „Es tut mir leid, dass es so lange gedauert hat.“ Tatsächlich sind nach dem Ende des Teamtrainings rund eineinhalb Stunden vergangen, doch vertrödelt hat der vor zweieinhalb Wochen verpflichtete Stürmer des FC St. Pauli die Zeit dazwischen nun wirklich nicht. Einige Übungen im Kraftraum und danach eine ausgiebige Behandlung beim Physiotherapeuten standen auf seinem Programm. Es sind diese Dinge, die niemand sieht, aber für einen Profifußballer unverzichtbar sind.

Das gilt erst recht, wenn der Spieler 36 Jahre alt ist, wie es bei Alexander Meier seit einer Woche der Fall ist. „In meinem Alter muss man seinen Körper jeden Tag ein bisschen mehr pflegen“, sagt er und schmunzelt. „Ein paar Extraschichten pro Woche habe ich schon immer gemacht, je nachdem, was ich gerade brauche. Das werde ich auch bis zum Ende beibehalten.“

Die meisten anderen Profifußballer seines Jahrgangs 1983 haben längst ihre Karriere beendet. Doch genau das wollte er absolut nicht, als er im vergangenen Sommer bei Eintracht Frankfurt nach 14 Jahren keinen neuen Vertrag erhielt. „Ich genieße es einfach, endlich wieder ein Teil einer Mannschaft zu sein und mit den Jungs Fußball zu spielen. Ich komme hier jeden Tag sehr gern zum Training“, sagt er.

Das Kribbeln nimmt zu

Vor allem nimmt jetzt von Tag zu Tag dieses Kribbeln zu, das er monatelang so vermisst hatte, diese positive Aufgeregtheit vor einem Spiel, in dem es um Punkte und konkret darum geht, die glänzende Ausgangsposition als Tabellendritter der Zweiten Liga zu verteidigen. Am kommenden Dienstag (20.30 Uhr) ist es für Meier und den FC St. Pauli beim SV Darmstadt 98 so weit.

Jetzt weiß Alexander Meier auch wieder, wofür es sich lohnt, jeden Tag hart an sich zu arbeiten. „Es ist etwas anderes, ob man auf ein Ziel am Wochenende hinarbeitet oder weiß, dass man zwei Tage frei hat und sich selbst allein quälen muss, um die Belastung eines Spiels ein bisschen zu simulieren. Wobei man genau das so richtig natürlich nicht kann“, sagt Meier. Dies galt vor allem für die Zeit, als er in Österreich beim Erstligateam von Admira Wacker Mödling mittrainierte. „Ich muss zugeben, dass es nach drei, vier Monaten schwer wird, sich immer wieder neu zu motivieren. Aber auch das ist ja ganz normal“, erzählt er.

Nun also ist er wieder mittendrin, und die Fans des FC St. Pauli hoffen, dass er mit seiner Präsenz, seinen Zuspielen und Toren die Chance auf den Bundesligaaufstieg bis zum Saisonende aufrechterhalten kann. In den bisherigen drei Testspielen erzielte er schon zwei der insgesamt fünf Treffer – beide aus kurzer Distanz, und bei beiden hatte er in typischer Torjägermanier geahnt, wohin der Ball kommen würde.

Er warnt vor zu hohen Erwartungen

Doch Meier warnt erst einmal vor zu hohen Erwartungen an ihn. „Es ist nicht mein Ziel, in jedem Spiel ein Tor zu machen. Wichtig ist, dass wir als Mannschaft gewinnen. Wer dann spielt und die Tore schießt, ist zweitrangig“, sagt er, wobei er natürlich genau weiß, dass er gezielt als Ersatz für den bisherigen Topscorer Henk Veerman (sechs Tore, fünf Torvorlagen), der sich im Dezember einen Kreuzbandriss zugezogen hat, geholt wurde.

Dabei ist aktuell kaum damit zu rechnen, dass Meier schon am kommenden Dienstag in Darmstadt ein Thema für die Startformation ist. „Alex kann bei dem Tempo noch kein ganzes Spiel durchhalten. Ich bin aber mit ihm zufrieden“, sagte St. Paulis Trainer Markus Kauczinski am Montag nach dem torlosen Testspiel im leeren Millerntor-Stadion gegen den Drittliga-Dritten KFC Uerdingen unmissverständlich. Anstatt ihn von Beginn an aufzustellen und früh in der zweiten Halbzeit auswechseln zu müssen, wird der Coach eher darauf setzen, Meier in der letzten 30 Minuten ins Spiel zu bringen und damit den Gegner vor eine neue Aufgabe zu stellen.

Vorläufige Rolle als „Joker“

Der Bundesliga-Torschützenkönig von 2015 kann sich mit der vorläufigen Rolle als „Joker“ arrangieren. „Es ist absolut richtig, dass ich noch nicht die Kraft für 90 Minuten habe“, pflichtet Meier seinem Trainer bei. Ohnehin hält er eine ganze Menge von Markus Kauczinski. „Ich schätze ihn als einen sehr ehrlichen Trainer ein. Er weiß genau einzuschätzen, was er mit unserer Mannschaft spielen kann, und lässt uns auch ein paar Freiheiten, ein paar Sachen selber zu entscheiden. Dazu hat er genau das richtige Maß, um mal dazwischenzufeuern und auch mal wieder einen Spaß zu machen“, beschreibt Meier die Qualitäten des Trainers.

Und wie lebt es sich nach 14 Jahren in Frankfurt nun wieder im Hamburger Raum? Wie reagieren die Leute auf der Straße, wenn sie ihm begegnen? Mit seiner Körperlänge von 1,96 Metern fällt er nun einmal unweigerlich auf. „Hamburg ist die schönste Stadt in Deutschland. Deswegen ist es nicht allzu schwer, hier glücklich zu sein“, sagt er, räumt aber ein, gar nicht so viel auf den Straßen der Stadt unterwegs zu sein. „Ich bin oft bei meinen Eltern in Buchholz und gehe nach dem Training mit meinem Hund spazieren. Dabei bin ich nicht unter so vielen Leuten. Aber der eine oder andere erkennt mich schon mal“, berichtet er. „Bis jetzt wurde ich noch nicht beschimpft.“