Aue. Bei der 1:3-Pleite im Erzgebirge lässt das Team von Markus Kauczinski erneut Leidenschaft und Esprit vermissen.
Das Spiel war zehn Minuten vorbei, da stand Robin Himmelmann in der Mixed Zone vor den Reportern. Sein Blick ging auf die Monitore, auf denen noch einmal das 1:3 (1:2) des FC St. Pauli bei Erzgebirge Aue lief. „Ich kapiere es nicht“, brummelte der Torhüter kopfschüttelnd immer wieder in sich hinein. „Wir warten seit einem Monat auf einen Sieg. Von unserem guten Start können wir uns nichts mehr kaufen. Wir müssen alle Sinne schärfen“, forderte der Keeper.
In der Tat war der Auftritt des Kiezclubs einer, der zu denken gibt. Die mitgereisten 2000 Anhänger dürften das Gefühl bekommen haben, eine schlechte Fußballversion des Hollywoodklassikers „Und täglich grüßt das Murmeltier“ gesehen zu haben. Desolate Raumaufteilung, zögerliche Zweikampfführung, billige Gegentore – phasenweise taumelten die Hamburger über den Platz. „Von der ersten Minute an hat mir das gefehlt, was uns zu Beginn der Saison ausgezeichnet hat: das gegenseitige Pushen und Coachen. Wir sind wieder in der harten Realität angekommen. Ich hoffe nicht, dass irgendjemand nach unseren ersten beiden Siegen geträumt hat“, sagte Sportchef Uwe Stöver (51).
In Aue nichts zu holen
Die Realität sieht wahrlich nicht rosig aus: vier Pflichtspiele in Folge verloren, 15 Gegentore gefressen. Die Ergebniskrise droht eine tiefgründigere zu werden. „Es bleibt dabei: Für uns gibt es in Aue nichts zu holen“, bilanzierte Cheftrainer Markus Kauczinski, der bei der Pressekonferenz nach dem Spiel konsterniert wirkte und mit zusammengekniffenen Augen in den Raum starrte. „Ich habe gute Dinge, aber auch schlechte Dinge gesehen. Wir geben den Gegnern zu viele Räume, die zum Toreschießen einladen“, analysierte der 48-Jährige, der zeitnah Lösungen für das wiederkehrende Problem finden muss.
Wie es geht, hat Aue vorgemacht. Die Sachsen, die bis dato auf einen Sieg gewartet hatten, wollten von Beginn an den Sieg mehr, zeigten Herz, Leidenschaft und auch spielerische Klasse. St. Pauli ließ wie schon in den vergangenen drei Pflichtspielen die Kompaktheit vermissen. Bereits nach zehn Minuten lief das Team in einen Konter, nachdem Henk Veerman den Ball 50 Meter vor dem eigenen Tor vertändelt hatte. Trotz des neuen, alten 4-2-3-1-Systems bekamen die Kiezkicker das Zentrum nicht geschlossen. Im Mittelfeld war mal wieder Tag der offenen Tür. Fast schon aberwitzig, wie einfach Dennis Kempe zur Führung einschieben konnte.
Zurück in alte Muster
Ein Tor, das für St. Pauli zunächst wie ein Weckruf war. Nur fünf Minuten nach dem Schock konnte Ballverlierer Veerman eine Freistoßflanke von Marvin Knoll zum Ausgleich einköpfen. Die Wende zum Guten? Mitnichten. In der Folge verfiel St. Pauli wieder in alte Muster. Viel zu leicht konnten sich die immer selbstbewusster werdenden Auer durchkombinieren. Die Hamburger Spieler diskutierten entnervt miteinander. Abstimmung und Automatismen? Fehlanzeige. Und das wurde bestraft. Knoll, der in der ersten Hälfte wieder im defensiven Mittelfeld agierte, ließ Pascal Testroet 25 Meter vor dem eigenen Tor so viel Raum, dass dieser sich den Ball entspannt zurechtlegen und in den Torwinkel schießen konnte. „Wir reden schon wieder über die gleichen Themen. Das ist brutal bitter. Ich will jetzt nichts Falsches sagen, sondern lasse das mal so stehen“, sagte Abwehrspieler Philipp Ziereis.
Einziger Lichtblick war Florian Carstens
Auch nach der Systemumstellung in der zweiten Hälfte auf 5-3-2 nahm nur Aue am Spiel teil. Hätte das Team von Trainer Daniel Meyer die sich bietenden Räume konsequenter genutzt, hätte es ein größeres Debakel für St. Pauli geben können. „Wir werden nach zehn Minuten in einem Auswärtsspiel ausgekontert und hatten total Probleme mit der Zuordnung. Das sagt alles. Wenn es hinten so klingelt, muss man zehn Torchancen erspielen und vier Treffer erzielen, um zu gewinnen“, polterte Himmelmann.
Es fehlte erneut an Durchsetzungsvermögen und Esprit. Nahezu jeder enge Zweikampf ging an die Gastgeber. Viel zu häufig wurde der lange Ball auf 2,01-Meter-Mann Veerman probiert. So blieb die einzig positive Geschichte dieses so bitteren Nachmittags das Startelfdebüt von Abwehrspieler Florian Carstens. Der 19-Jährige war der einzige Lichtblick. Auch das sagt einiges aus über den biederen Auftritt im Erzgebirge.