Hamburg. Debatte um 50+1-Regel: St. Paulis Geschäftsführer Andreas Rettig kritisiert erneut Hannovers Präsident Martin Kind.
Am Tag nach der überraschenden Wende im Fall von Martin Kind und seiner angestrebten Übernahme der Mehrheit bei Hannover 96 gingen im deutschen Profifußball die Meinungen über die von der Deutschen Fußball Liga (DFL) angekündigte Grundsatzdebatte über die 50+1-Regel weit auseinander. Hannover Präsident Kind hatte am Montag erklärt, seinen Antrag auf Befreiung von 50+1 ruhen zu lassen. Im Gegenzug hatte die DFL zugestanden, eine breite Diskussion über eine Reform dieser Regel unter allen 36 Clubs der Ersten und Zweiten Liga in Gang zu setzen. Mit diesem Deal war Kind offenbar einer Ablehnung seines Antrags entgangen. Gleichzeitig verhinderte der Ligaverband eine Klage von Kind vor einem ordentlichen Gericht.
Am Dienstag begrüßte Hannovers Präsident und Mäzen Kind die angekündigte Reformdebatte auf einer eigens anberaumten Pressekonferenz. „Wir müssen gemeinsam Veränderungen in der Bundesliga gestalten und das nicht Gerichten überlassen. Man muss die Eigenverantwortung der Clubs stärken. Ich freue mich, dass alle Bundesliga-Vereine in diesem Prozess jetzt involviert sind. Wenn die 50+1-Regel neu gestaltet werden soll, brauchen wir keine Ausnahmegenehmigung“, sagte der Chef eines Hörgeräte-Konzerns.
Zwei-Drittel-Mehrheit ist nötig
St. Paulis Geschäftsführer Andreas Rettig, bekanntermaßen ein Verfechter der gültigen 50+1-Regel in den DFL-Statuten, hält diese Äußerungen von Kind für fragwürdig. „Bisher ist Herr Kind bei den Diskussionen um 50+1 nicht durch Vorschläge aufgefallen, die sich außerhalb von Hannover 96 abspielten. Jetzt so zu tun, als wäre es immer nur um die Gestaltung des deutschen Profifußballs gegangen, überrascht sehr“, sagte Rettig dem Abendblatt. Und weiter: „Diesen Prozess hätte er bereits vor vielen Jahren (Anm. der Red.: 2011 im Rahmen des Schiedsgerichtsverfahrens), als er erstmalig mit Klage gegen 50+1 gedroht hatte, einleiten können.“
Für eine grundlegende Änderung der 50+1-Regel, die vorschreibt, dass die Muttervereine die Stimmenmehrheit der Profiabteilungen behalten müssen, bedarf es einer Zwei-Drittel-Mehrheit. „Mein Gefühl sagt, dass es nicht einmal eine einfache Mehrheit für eine Änderung gibt“, sagte am Dienstag Robert Schäfer, Vorstandschef von Fortuna Düsseldorf. „Das, was nun als neuer Prozess verkauft wird, wurde bereits vor Jahren unter der Führung von DFL-Geschäftsführer Seifert unter Hinzuziehung von Experten sowie DFL-, DFB- und Vereinsvertretern auf den Weg gebracht, nämlich die Ausgestaltung der Leitlinien von 50+1“, sagte Rettig.
Gewisse Modifikationen
Dieses Ergebnis sei allen Vereinen im Dezember 2014 vorgestellt und mit 36:0 Stimmen genehmigt worden. „Welcher neue Sachstand nun dazu geführt haben soll, diese Regel auf den Prüfstand zu stellen, erschließt sich mir nicht“, so Rettig weiter. Er gestand aber zu, über gewisse Modifikationen diskutieren zu können, dies aber „immer unter Berücksichtigung von Mitbestimmung und Teilhabe der Vereinsmitglieder unter Beachtung von 50 plus 1“