Hamburg. Investor äußert nach Treffen mit Martin Kind “volles Verständnis“ für den 96-Patriarchen. Dieser kritisiert wiederum das HSV-Modell.
Vor drei Wochen trafen sie sich im Ausland. Ein gemeinsamer Bekannter hatte die Begegnung initiiert. Zwei der reichsten Männer Deutschlands kamen zusammen: Klaus-Michael Kühne und Martin Kind. Der Logistik-Unternehmer (Kühne + Nagel) aus Hamburg auf der einen Seite. Geschätztes Vermögen Stand 2016: Acht Milliarden Euro. Hobby: Investor beim HSV. Auf der anderen Seite der Hörgeräte-Unternehmer aus Hannover. Geschätztes Vermögen: 600 Millionen Euro. Hobby: Investor bei Hannover 96. An diesem Freitag treffen sich ihre Clubs im direkten Duell.
Doch schon vor dem mit Spannung erwarteten Nordderby kam es zu dem spannenden Treffen der zwei Investoren. Dabei ging es vor allem um eines: die Macht im Fußball. „Herr Kühne ist ein interessanter Mann und erfolgreicher Unternehmer. Er hat eine klare Vision und setzt sich kritisch mit dem Fußballmarkt auseinander“, sagt Kind im Abendblatt über das Treffen. „Herr Kühne wollte wissen, wie ich die Entwicklung des Marktes einschätze.“
Ausnahmeregel für Kind und Hannover
Wie Kind die Entwicklung des Fußballmarktes bewertet, ist in der Bundesliga das große Streitthema. Sollten Investoren Fußballclubs übernehmen können, um international wettbewerbsfähig zu sein? Martin Kind plädiert seit Jahren für den Fortfall der umstrittenen 50+1-Regel, die den sportlichen Wettbewerb und die Vereine vor dem Einfall von Investoren schützen soll. Sie besagt, dass nur Kapitalgesellschaften am Spielbetrieb der Lizenzligen teilnehmen können, an denen der jeweilige Verein die Mehrheit der Stimmanteile hält.
In Hannover ist das heute anders. Eine Sondergenehmigung der Deutschen Fußball Liga ermöglicht es Martin Kind – gleichzeitig Präsident des Vereins –, die Mehrheit und damit die komplette Macht der 1999 ausgegliederten Hannover 96 GmbH & Co. KGaA zu übernehmen. Die Ausnahmeregel der DFL besagt, dass 50+1 aufgehoben werden kann, wenn sich ein Investor über 20 Jahre lang bei einem Verein engagiert hat. Bei 1899 Hoffenheim (Dietmar Hopp), Bayer Leverkusen (Bayer AG) und dem VfL Wolfsburg (Volkswagen) wurde diese Regelung bereits gekippt.
Kühne hat für Kind "volles Verständnis"
Doch wohin steuert der HSV mit Kühne? Im Hamburger Volkspark haben sich die Mitglieder im Mai 2014 dazu entschieden, die Lizenzspielerabteilung in die HSV Fußball AG auszugliedern. Die Satzung ermöglicht es dem HSV seitdem, 24,9 Prozent Anteile an Investoren zu veräußern. Geht es nach Kühne, der seine Anteile in diesem Jahr auf 17 Prozent erhöht hat, soll diese Begrenzung in Zukunft aufgehoben werden.
Auch darüber sprach Kühne mit Martin Kind während ihres Treffens. Kühne könnte die Mehrheit an der HSV Fußball AG nur übernehmen, wenn die 50+1-Regel fällt. Dafür setzt sich Kind seit Jahren ein. „Für das Anliegen von Herrn Kind habe ich volles Verständnis und befürworte den Fortfall der 50+1-Regel“, teilte Kühne auf Abendblatt-Anfrage mit.
Eine Aussage, die Brisanz birgt. Bislang hat der Investor nie klar formuliert, ob er irgendwann die Mehrheit der HSV-Anteile übernehmen will. „Sollte es die Situation erfordern, wäre ich in einem echten Dilemma. Ich würde mich möglicherweise verpflichtet fühlen, aber ich würde es ungern tun“, hatte Kühne im Mai in einem „Sportbild“-Interview gesagt.
Kind: Kühnes Engagement gibt ihm Rechte
Seine jüngsten Aussagen bei „Sky“ und im „Spiegel“, als er von Mallorca aus auf HSV-Spieler und Verantwortliche losging (u. a. „Luschen“), bestätigten die Kritiker, die schon vor der Ausgliederung vor einem zu großen Einfluss des Investors warnten. Die DFL ermittelt derzeit, ob Kühne durch einen möglichen Eingriff in das operative Geschäft gegen 50+1 verstößt.
Martin Kind, der sich kurz nach den besagten Interviews mit Kühne traf, äußert Verständnis für den 80-Jährigen. „Sein Engagement gibt ihm das Recht, sich zum HSV zu äußern“, sagt Kind. Kühne hat in den vergangenen Jahren fast 100 Millionen Euro in den HSV investiert – der erhoffte sportliche Erfolg blieb aus. „Seine Entscheidung, in diesem Maße in den HSV zu investieren, ist nur durch seine emotionale Beziehung zum Club und zur Stadt zu erklären“, sagt Kind.
Kind kritisiert Investoren-Modell der HSV AG
Der 73-Jährige, der Hannover 1999 vor der Insolvenz rettete und den Verein von der Dritten Liga in den Europacup führte, sieht das HSV-AG-Modell kritisch. „Die Entscheidung, die Anteile auf 24,9 Prozent zu begrenzen, war halbherzig. Mit diesem begrenzten Modell wird es selbst in einer reichen und großen Stadt wie Hamburg schwierig, Investoren zu finden“, sagt Kind.
Ohne die Zustimmung seiner Mitglieder wird die HSV AG aber nicht in der Lage sein, mehr Anteile zu verkaufen. Der e. V. und die Fußballabteilung des HSV stehen vor einer inneren Zerreißprobe. Welche Rolle soll Kühne künftig im Volkspark spielen? Auch darum geht es, wenn Ende des Jahres der Aufsichtsrat der AG neu besetzt wird.
Martin Kind ist überzeugt, dass die Bundesliga international nur wettbewerbsfähig bleibt, wenn 50+1 fällt. „Die Regel ist nicht mehr zeitgemäß. Sie behindert die Entwicklungen im Fußball“, sagt Kind – in dem Wissen, dass es wie bei 1860 München passieren kann, dass ein Investor einen Club ins Chaos stürzt. „Es wird in jedem Modell dazu kommen, dass jemand scheitert“, sagt Kind. „Das ist Wettbewerb.“