Hamburg. Der Club will seinem Abwehrchef ein erstklassiges Angebot machen. Doch der will auch erstklassig spielen.

Auf Vorweihnachtsstress hat Lasse Sobiech keine Lust. Am Dienstag flog der Abwehrchef des FC St. Pauli zum Kurzurlaub auf die portugiesische Insel Madeira. Hektische Last-minute-Geschenksuche? Fehlanzeige. Der kluge Mann baut eben vor. Ohnehin wirkt es so, als würde dem Ersatzkapitän in diesen Tagen alles gelingen. „Ich habe schon alle Geschenke beisammen, jetzt beginnt für mich die Entspannung. Der Sieg zum Abschluss war wie Balsam für unsere Seelen. Weihnachten werde ich dann ganz familiär in Schwerte verbringen“, sagte der 26-Jährige.

Unmittelbar nach dem 2:1-Sieg im letzten Spiel des Jahres am Montagabend gegen den VfL Bochum hatte er von Bernd Nehrig ein erstes Geschenk bekommen: einen neuen Spitznamen. „Glückwunsch, Fernando!“, rief der verletzte Kapitän, ehe er Sobiech, der etwas verdutzt dreinschaute, in der Mixed­zone innig herzte. „Ich habe keine Ahnung, wo der Spitzname herkommt. Vielleicht in Anlehnung an Fernando Torres?“, orakelte Sobiech, der mit seinem 1:0-Treffer in bester Stürmermanier den Weg zum dringend benötigten Sieg geebnet hatte. „Naja, ich war in der Jugend Stürmer“, erzählte der Leistungsträger, der gegen Bochum 94,12 Prozent seiner Zweikämpfe gewann und 21 seiner 22 Pässe zum Mitspieler brachte.

Imponierende Zahlen

Es sind imponierende Zahlen, die Sobiechs Wert für den Verein untermalen. Im kommenden Sommer läuft der Vertrag des Führungsspielers aus, und der Poker um den ehemaligen Juniorennationalspieler hat hinter den Kulissen längst begonnen. Dem Vernehmen nach soll unter anderem Bundesliga-Aufsteiger Hannover 96 ein Auge auf Sobiech geworfen haben. Längst hat sich herumgesprochen, dass der Defensivakteur, der durch beeindruckende Konstanz besticht, eigentlich zu gut für die Zweite Liga ist. „Lasse hat gewisse Ziele für sich formuliert, er würde sie aber natürlich gern mit St. Pauli erreichen. Wir wollen ihn zu 100 Prozent halten“, sagte Sportchef Uwe Stöver. Ein erstes Angebot liegt also bereits auf dem Tisch? „Wir haben es entsprechend zum Ausdruck gebracht“, sagte Stöver ausweichend und mit einem Grinsen im Gesicht.

FC St. Pauli gegen den VfL Bochum:

Kampfspiel: FC St. Pauli gegen den VfL Bochum

Luftduell mit Christopher Avevor vom FC St. Pauli
Luftduell mit Christopher Avevor vom FC St. Pauli © WITTERS | TimGroothuis
Seid umschlungen, ihr 29.000! Torschütze Jan-Marc Schneider
Seid umschlungen, ihr 29.000! Torschütze Jan-Marc Schneider © WITTERS | TimGroothuis
Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus
Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus © Bongarts/Getty Images | Oliver Hardt
Hier verpasst Jan-Marc Schneider noch
Hier verpasst Jan-Marc Schneider noch © dpa | Daniel Reinhardt
Abgehopben: Jan-Marc Schneider
Abgehopben: Jan-Marc Schneider © Witters
Jan Gyamerah und Sami Allagui
Jan Gyamerah und Sami Allagui © WITTERS | TimGroothuis
Sidney Sam und Daniel Buballa
Sidney Sam und Daniel Buballa © WITTERS | TimGroothuis
FC St. Pauli gegen den VfL Bochum: St. Paulis Jan-Marc Schneider und Bochums Anthony Losilla kämpfen um den Ball
FC St. Pauli gegen den VfL Bochum: St. Paulis Jan-Marc Schneider und Bochums Anthony Losilla kämpfen um den Ball © dpa | Daniel Reinhardt
Keine leichte Aufgabe für Trainer Markus Kauczinski
Keine leichte Aufgabe für Trainer Markus Kauczinski © Getty Images
Luca Milan Zander und Robbie Kruse
Luca Milan Zander und Robbie Kruse © Bongarts/Getty Images | Oliver Hardt
Konnte doch spielen und machte das 1:0: Lasse Sobiech
Konnte doch spielen und machte das 1:0: Lasse Sobiech © Bongarts/Getty Images | Oliver Hardt
1/11

Trainer Markus Kauczinski will selbst im Trainingslager weitere Überzeugungsarbeit leisten und in Spanien (3. bis 12. Januar) den Dialog mit seinem Stellvertreter-Kapitän suchen. „Wir werden sicher sprechen, aber ich glaube, Lasse kann schon jetzt sehr gut einschätzen, wie sehr ich ihn schätze“, sagte der 47-Jährige, der vor zwei Wochen den Job von Olaf Janßen übernommen hatte. Für einen Verbleib des Abwehrchefs würde St. Pauli an seine wirtschaftlichen Grenzen gehen.

Schnelle Entscheidung ist unwahrscheinlich

Klar ist: Sollte der Defensivspezialist unterschreiben, würde er zum Topverdiener aufsteigen. Eine schnelle Entscheidung ist aber unwahrscheinlich. Sobiech will schauen, wohin die Reise des FC St. Pauli geht. Nach dem Sieg gegen Bochum sieht die Welt tabellarisch wieder etwas besser aus. Platz zehn steht nach einer ersten überwiegend von Misserfolgen geprägten Saisonhälfte zu Buche. „Wir können mit der Hinrunde nicht zufrieden sein“, sagte Sobiech.

Durch den zweiten Heimsieg der Saison hat sich St. Pauli etwas Luft im Abstiegskampf verschafft. Vor allem aber zeigte das Team unter Kauczinski wieder jene Art von Fußball, die den Club in der Vergangenheit ausgezeichnet hatte. Weg vom umständlichen Ballbesitzspiel, hin zum aggressiven Verteidigen samt schnellem Umschaltspiel. Eine Spielweise, mit der sich die Spieler deutlich wohler fühlen. „Mit den Spielern, die wir haben, sind wir keine Pressingmannschaft. Diese Umschaltmöglichkeiten sind wichtig für uns. Man muss gegen geordnete Gegner aber auch mal das Spiel machen. Das haben wir gegen Bochum nicht gut gemacht. Daran werden wir im Trainingslager arbeiten“, sagte Kauczinski und ergänzte: „Diese Philosophien suggerieren immer, dass das eine das andere ausschließt, aber ich sehe das nicht so. Für mich gehört beides zusammen.“

Vielleicht bald neues Personal

Dabei könnte der neue Trainer womöglich bald auf neues Personal zurückgreifen. Am Dienstag setzte sich Kau­czinski mit Sportchef Stöver zur Kaderanalyse zusammen. Die Tendenz: Zwei neue Spieler, ein Profi fürs Mittelfeld und einer für die Offensive könnten in der Winterpause zur Mannschaft stoßen. „Es gibt eine Handvoll Möglichkeiten, die klopfen wir ab. Wir wollen uns nicht in die Breite verstärken, wenn, dann muss es sofort passen“, sagt der St.-Pauli-Trainer. Die Anzahl der Transfers hängt auch davon ab, wer von den Langzeitverletzten zeitnah wieder zum Team stößt. Sicher ist: Marc Hornschuh (Rücken) und Christopher Buchtmann (Schambeinentzündung) fallen „auf unbestimmte Zeit“ aus, wie es Kauczinski formulierte.

FC St. Pauli gegen VfL Bochum: Die Einzelkritik

Erst wenn der Kader komplett ist, will St. Pauli schauen, mit welchen Zielen man in die verbleibenden 16 Saisonspiele geht. „Prinzipiell traue ich der Mannschaft viel zu, aber erst einmal müssen wir froh sein, dass wir da stehen, wo wir stehen. Für die Kürze der Zeit bin ich zufrieden, was wir geschafft haben“, sagte der Coach, dessen Arbeit am 2. Januar so richtig beginnt.

„Es muss ein offener Wettkampf sein“

Dann startet St. Pauli mit einem Laktattest in die Wintervorbereitung, in der alle Spieler bei null anfangen. „Es muss ein offener Wettkampf sein, dass sich Spieler immer wieder beweisen müssen. Sonst schafft man keine Entwicklung, wenn Spieler in Schubladen feststecken“, erklärte Kauczinski. Lasse Sobiech wird diesen Wettkampf nicht fürchten müssen.