Hamburg. Vor dem Erstrundenspiel in Paderborn spricht der Torwart über seine Degradierung zur Nummer zwei – und seine Chance im Pokal.

Die eigentliche Arbeit begann für Philipp Heerwagen am Freitag erst nach der Trainingseinheit am Vormittag. In den Katakomben des Trainingstrakts an der Kollaustraße hielt der 34-Jährige mit seinen Kollegen aus dem Mannschaftsrat des FC St. Pauli eine Sitzung ab. Die Agenda? Streng geheim! Musste etwa die DFB-Pokal-Prämie nachverhandelt werden? „Wer weiß? Das würde sich jetzt ja lohnen“, scherzte Heerwagen.

Wenige Stunden zuvor erfuhr der Torwart, der seinen Stammplatz in der Sommerpause wieder an Robin Himmelmann verloren hatte, von Trainer Olaf Janßen, dass er in der Saison 2017/18 der Pokaltorhüter beim Zweitligaclub sein wird und am Montag (18.30 Uhr) beim Erstrundenspiel beim SC Paderborn zwischen den Pfosten stehen wird. „Ich habe damit nicht gerechnet“, sagte Heerwagen, der seine neue Rolle nicht als Trostpflaster werten will. „Das wäre ein wenig hart formuliert. Ich stehe im Pokal total in der Verantwortung, der Verein braucht die Einnahmen, und es ist ein wahnsinnig wichtiger Wettbewerb. Außerdem hat der DFB-Pokal einen besonderen Reiz“, erklärte Heerwagen, der erstmals nach seiner Degradierung zur Nummer zwei öffentlich sprach.

Janßen hält am Ranking fest

Der gebürtige Münchner macht keinen Hehl daraus, dass er seinen Stammplatz nur widerwillig hergegeben hat. Der sonst so höfliche und freundliche Schlussmann, der in der vergangenen Saison großen Anteil am Klassenerhalt hatte, wirkte in den vergangenen Wochen nach außen hin frustriert, fast schon mürrisch. „Ich war schwer enttäuscht, aber man muss als Profi damit leben, dass der Trainer sich auch mal anders entscheidet, auch wenn man sich selbst gerne im Tor sieht“, gestand Heerwagen offen ein.

Intern hat sich der Publikumsliebling seinen Frust nicht anmerken lassen, war stets loyal zu seinem Mitstreiter Himmelmann. Auch deshalb bekommt Heerwagen die Chance, jetzt wieder zu spielen. „Aufgrund seiner Leistung und seines Verhaltens hat Heerwagen es verdient, zu spielen. Wie er meine Entscheidung für Himmelmann aufgenommen hat, ist klasse und war wichtig für die Mannschaft“, sagte Janßen, der aber auch klarstellte, dass sich am Torwart-Ranking in der Liga nichts ändern wird. „Freitag gegen Darmstadt wird Robin logischerweise wieder im Tor stehen.“

Kommt jetzt eine neue Torwartdebatte?

Janßens Entscheidung ist mutig, schließlich könnte sie durchaus hitzige Diskussionen nach sich ziehen. Sollte Heerwagen gegen den SC Paderborn eine herausragende Leistung abliefern und womöglich zum Matchwinner werden, könnte das Torwartthema beim FC St. Pauli schnell wieder hochkochen. Schließlich kostete Himmelmanns Patzer am vergangenen Montag beim Gegentor zum 2:2 gegen Dynamo Dresden den wohl sicheren Sieg. „Klar, es ist für Robin blöd gelaufen, aber ich bin mit seinen Leistungen insgesamt sehr zufrieden. Die Entscheidung, Heerwagen im Pokal spielen zu lassen, ist völlig unabhängig von dieser Situation“, sagte Janßen: „Der Pokal wird ,Heerwis‘ Wettbewerb, und ich hoffe, dass noch viele Spiele hinzukommen“, so Janßen, für den die Situation eher Segen als Fluch ist. „So einen Wechsel kann man nur mit zwei Torhütern auf diesem Niveau machen.“

Nun kann Heerwagen daran arbeiten, seine ganz persönliche Pokalbilanz aufzubessern. Das stimmungsvolle Endspiel in Berlin hat er bisher nur als Zuschauer erlebt. 1993 reiste Heerwagen mit der Jugendmannschaft der SpVgg Unterhaching in die Hauptstadt und sah den Sieg von Bayer Leverkusen über die Amateure von Hertha BSC. Große Erfolge konnte der Routinier selbst bisher nicht vorweisen. „Bisher war Viertelfinale mit Unterhaching 2003 das Weiteste“, erinnerte sich Heerwagen: „Es war ein Schnee-Drama damals, das Spiel stand auf der Kippe. Im Elfmeterschießen haben wir gegen Leverkusen verloren, Hans-Jörg Butt hat den entscheidenden Elfer gegen mich verwandelt.“

Doch all das ist Vergangenheit. Heerwagen hofft gleich aus mehreren Gründen, dass der Kiezclub an die Pokalsaison 2005/06 anknüpfen kann. Damals war erst im Halbfinale Schluss. „Ich wünsche uns allen, dass es ganz viele Spiele werden. Aber für mich wäre es natürlich besonders schön, weil ich viele Einsätze hätte“, sagte Heerwagen. So könnte er zumindest für eine kurze Zeit die Enttäuschung über die Degradierung zur Nummer zwei ausblenden.