Hamburg. Der Experte Rachid Azzouzi blickt auf die neue Saison der Zweiten Bundesliga und traut seinem Ex-Club viel zu.
An diesem Freitag eröffnet der FC St. Pauli um 20.30 Uhr mit seinem Auswärtsspiel beim VfL Bochum die neue Saison der Zweiten Bundesliga. Im Vergleich zum Vorjahr hat die Spielklasse offenkundig an Glanz verloren, da die großen Traditionsclubs VfB Stuttgart und Hannover 96 umgehend in die Bundesliga zurückkehren konnten. Und auch ein finanziell übermächtiger, prominent besetzter Emporkömmling, wie es zum Frühjahr 2016 RB Leipzig war, ist diesmal nicht dabei.
Doch genau dieser Makel verleiht der Zweiten Liga eine neue Qualität. Es scheint so unvorhersehbar wie selten zuvor zu sein, welche Mannschaften diesmal erfolgreich um einen Aufstiegsplatz kämpfen werden. „Acht bis zwölf Vereine haben diesmal die Möglichkeit dazu. Erstmals seit Jahren gibt es zweieinhalb freie Aufstiegsplätze“, sagt dazu Rachid Azzouzi.
Das Abendblatt konnte den früheren Sportchef der ambitionierten Zweitligaclubs Greuther Fürth, FC St. Pauli und Fortuna Düsseldorf als Experten gewinnen, der die Situation vor dem Saisonstart analysiert. Der 46-Jährige lebt seit seinem Engagement beim FC St. Pauli (Juli 2012 bis Dezember 2014) mit seiner Familie in Hamburg, ist derzeit viel unterwegs, auch im Ausland, um Kontakte mit Trainern, Sportdirektoren und auch Verbandsfunktionären aufzubauen und zu pflegen, um sich weiterzuentwickeln. Zuletzt verzichtete er auf ein Engagement beim 1. FC Kaiserslautern. „Die Arbeit eines Sportdirektors ist erst nach zwei bis drei Jahren wirklich zu bewerten. Das war dort zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben“, erklärt er seine Absage. Zu folgenden Punkten gab Azzouzi seine Einschätzung ab:
Die neuen Teams. Zwei Absteiger aus der Bundesliga, drei Aufsteiger aus der dritten Spielklasse – die Zweite Liga hat wie in den Vorjahren wieder 27,78 Prozent ihrer Clubs ausgewechselt. „Für die Absteiger Ingolstadt und Darmstadt wird es eine neue Erfahrung sein, jetzt als Favoriten angesehen zu werden, denn das waren sie auch vor ihrem Aufstieg vor zwei Jahren nicht. Es wird für beide schwierig werden, zumindest einer von beiden wird Probleme bekommen“, sagt Azzouzi.
Bei den drei Aufsteigern sieht Azzouzi beim MSV Duisburg, für den er selbst als Spieler aktiv war, das größte Potenzial dank des Stadions und der Fans. Über Holstein Kiel sagt er: „Der Verein macht einen sehr seriösen Eindruck. Das Team kann überraschen und eine gute Rolle spielen.“ Für Jahn Regensburg dürfte es laut Azzouzi schwer werden, zumal Aufstiegstrainer Heiko Herrlich kurzfristig zu Bayer Leverkusen gegangen ist.
Die Favoriten. Neben den Absteigern Ingolstadt und Darmstadt gelten vor allem Union Berlin und Relegationsteilnehmer Eintracht Braunschweig als Aufstiegsanwärter, aber auch der FC St. Pauli wird nach der jüngsten Rekordrückrunde (34 Punkte) derzeit oft genannt. „Union Berlin zahlt seit einigen Jahren über der Norm Ablösen und Gehälter. Daran sollten sie sich jetzt auch messen lassen und nicht mehr das Image des kleinen, armen Vereins pflegen“, sagt Azzouzi. Bei Braunschweig lobt er, dass sich Vorstand und Aufsichtsrat zurücknehmen und Trainer Torsten Lieberknecht und Sportchef Marc Arnold voll vertrauen: „Des- halb hat Braunschweig auch immer die Möglichkeit, wieder aufzusteigen.“
Die interessantesten Spieler. Darmstadt 98 hat mit Zugang Kevin Großkreutz einen amtierenden Weltmeister in seinen Reihen, Union Berlin besitzt mit dem ebenfalls bundesligaerfahrenen Felix Kroos immerhin den Bruder des Weltmeisters und aktuellen Champions-League-Siegers Toni Kroos (Real Madrid). Der FC St. Pauli hat mit Sami Allagui einen auch ligaweit bemerkenswerten „Königstransfer“ gelandet. „Es werden sich im Laufe der Saison Spieler profilieren, die besonders hungrig darauf sind, sich zu verbessern, wie vor zwei Jahren Kerem Demirbay in Düsseldorf oder Marcel Halstenberg bei St. Pauli“, sagt Azzouzi.
St. Paulis Chancen: „Als wir 2012 einen personellen Umbruch hatten, ging es um die Entwicklung eines neuen, identifikationsstarken Teams. Heute ist das Ergebnis zu erkennen. Ich glaube, dass St. Pauli in dieser Saison auf Platz eins bis drei landet“, sagt Azzouzi.