Hamburg. Erst eine von 150 Eckenführte zu einem Tor. Treffer nach Freistößen gelangen nur im DFB-Pokal in Lübeck.
150-mal berührt, nur einmal ist etwas passiert – dieser leicht abgewandelte Songtext des Hits „1000 und eine Nacht“ von Klaus Lage beschreibt eine eklatante Schwäche des FC St. Pauli in der aktuellen Saison. Insgesamt 150 Eckbälle wurden den Kiezkickern in den bisher 28 Punktspielen der Zweiten Liga zugesprochen, daraus resultierte aber nur ein einziges Tor. Am 19. Spieltag köpfte Innenverteidiger Lasse Sobiech nach einem Eckstoß von Cenk Sahin den Ball ins Tor von Eintracht Braunschweig. Es war die frühe und richtungweisende 1:0-Führung. Am Ende gewann St. Pauli das Auswärtsspiel 2:1 und startete die Aufholjagd in der Rückrunde.
Schlechte Erfolgsquote nach Freistößen
Noch ernüchternder stellt sich die Erfolgsquote nach Freistößen dar. Bisher führte kein einziger zu einem Tor, weder als direkter Freistoß noch als Flankenball in den Strafraum. Die positive Ausnahme bildete das DFB-Pokalspiel im August beim Regionalligisten VfB Lübeck. Hier hatte Vegar Eggen Hedenstad, der den FC St. Pauli in der Winterpause gen Trondheim verlassen hat, mit einem direkt verwandelten Freistoß ebenfalls das 1:0 erzielt. Das zweite Tor beim 3:0-Erfolg auf der Lohmühle resultierte aus einem von Christopher Buchtmann in den Strafraum geschlagenen Freistoß, der aufgerückte Innenverteidiger Sören Gonther verwandelte diese Vorlage per Kopf.
Gonther „selbst erschrocken“
„Wir nutzen die nicht öffentlichen Trainingseinheiten dazu, mannschaftstaktische Dinge mit der Startelf und – speziell beim Abschlusstraining – Standardsituationen einzuüben“, begründet St. Paulis Trainer Ewald Lienen, warum er in der Regel an zwei Tagen pro Woche unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainieren lässt. Ein Überraschungseffekt bei den Gegnern hat sich trotz dieser Geheimniskrämerei allerdings bislang kaum eingestellt. Sobiechs Kopfballtor in Braunschweig entsprang auch nicht einer sonderlich kreativen Eckenvariante, vielmehr nutzte der 1,96 Meter große Führungsspieler dabei schlicht seine Kopfballstärke.
Immerhin stimmten hier einmal Tempo, Höhe und Richtung der Hereingabe. Das ist sonst zu selten der Fall. Das ist auch ein Grund dafür, warum Kapitän Gonther in dieser Saison nur zum beschriebenen Tor im DFB-Pokal, aber noch zu keinem in der Liga gekommen ist. „Das ist zu wenig für mich. Eigentlich habe ich eine gute Abschluss-Qualität“, sagt Gonther, der sich über seine vergebene Torchance beim jüngsten 2:0 in Nürnberg „selbst erschrocken“ hatte, wie er danach einräumte.
„Verschenken einfach zu viele Möglichkeiten“
„Insgesamt aber müssen unsere Standards noch besser werden. Da verschenken wir einfach zu viele Möglichkeiten. Schließlich kann man damit ja auch enge Spiele entscheiden“, sagt Gonther. „Wenn ein Ball nach einem Freistoß gut kommt, dann ist das schon ein halbes Tor, weil es so schwer zu verteidigen ist.“ Dabei denkt er vor allem an den Heidenheimer Zweitliga-Topscorer. „Marc Schnatterer ist das beste Beispiel. Er schießt brandgefährliche Standards, die einfach schwierig zu verteidigen sind. Der Angreifer hat es bei diesen Bällen gar nicht mehr so schwer, daraus ein Tor zu erzielen.“
In seiner Mannschaft, so Gonther, gebe es mit Christopher Buchtmann und Waldemar Sobota ja auch gute Schützen für die Standards. „Der Ball muss scharf und in der richtigen Höhe kommen“, beschreibt Sobota das, was er sich vornimmt, wenn er Freistöße und Ecken schießt. Zuletzt in Nürnberg waren seine ersten drei Versuche allerdings viel zu tief, was dem Gegner die Balleroberung leicht machte und ihn gar einlud, gefährlich zu kontern.
Doppeltorschütze Aziz Bouhaddouz und Torwart Philipp Heerwagen wurden nach dem Sieg in Nürnberg in die Elf des Tages des Fachmagazins „Kicker“ berufen.