Braunschweig. Lienen hofft nach dem Coup von Braunschweig auf eine Erkenntnis seiner Mannschaft, Neuzugang Flum tritt auf die Bremse.
Als Schiedsrichter Christian Dietz nach mehr als 97 Spielminuten endlich abgepfiffen hatte, war die Erleichterung der St.-Pauli-Spieler bis hoch auf die Tribüne des Braunschweiger Stadions an der Hamburger Straße zu spüren. Mit 2:1 (1:0) hatten die Profis des Kiezclubs das Zweitliga-Auswärtsspiel beim Aufstiegsanwärter Eintracht Braunschweig gewonnen und sich damit im Kampf um den Klassenerhalt drei Punkte gesichert, die Cheftrainer Ewald Lienen wenige Minuten später als „überlebenswichtig“ betitelte.
Diese Einschätzung war keineswegs übertrieben, wie der Blick auf die Tabelle beweist. St. Pauli ist mit nun 14 Punkten immer noch Schlusslicht der Zweiten Liga. Der Abstand zum Relegationsplatz beträgt immer noch drei Punkte, der zum rettenden 15. Platz immer noch vier. Bei einer Niederlage in Braunschweig wären es jeweils drei mehr gewesen. „Auch wenn wir nicht darauf achten sollten, wäre nach den Ergebnissen der anderen Mannschaften der Abstand doch schon beträchtlich gewesen“, sagte Lienen. Doch die Treffer des überragenden Lasse Sobiech und des effektiver werdenden Cenk Sahin brachten die Entscheidung.
Bilder vom Spiel:
FC St. Pauli ringt den Tabellenführer nieder
Park als Außenverteidiger
Im Vergleich zur 0:1-Heimniederlage gegen den VfB Stuttgart eine Woche zuvor musste St. Paulis Trainer Linksverteidiger Daniel Buballa ersetzen, der wegen seiner fünften Gelben Karte gesperrt war. Für ihn rückte Marc Hornschuh in die Startelf und übernahm die Innenverteidiger-Position neben Lasse Sobiech. Der Südkoreaner Yi-Young Park, der gegen Stuttgart sein Profidebüt gegeben hatte, rückte auf den Posten des linken Außenverteidigers.
In den Anfangsminuten war bei St. Pauli die Bürde des letzten Tabellenplatzes nicht anzumerken. Vielmehr übernahm das Team von Trainer Lienen von Beginn an die Initiative. Anders als in vielen Spielen dieser Saison zuvor führte dies prompt zum Erfolg. Sobiech stieg nach St. Paulis erstem Eckball im Strafraum am höchsten und köpfte den Ball schon in der siebten Minute zur 1:0-Führung ins Braunschweiger Tor.
Torschütze Sahin umtriebig
Auch St. Paulis zweiter Eckball hätte fast zu einem Treffer geführt, doch Bernd Nehrig köpfte den Ball nach einer missglückten Faustabwehr von Braunschweigs Torwart Jasmin Fejzic am Tor vorbei (14.). Um die erste Halbzeit ohne Gegentor zu überstehen, benötigte St. Pauli allerdings auch eine gute Portion Glück. Braunschweigs Stürmer Domi Kumbela schoss nach einem Zuspiel von Patrick Schönfeld den Ball nur St. Paulis Torwart Philipp Heerwagen in die Arme. Dies war in der ersten Halbzeit aber auch schon die größte Chance für den Aufstiegsanwärter, der mehr und mehr das Spiel bestimmte.
Auf der Gegenseite hatten nach jeweils sehenswerten Kombinationen zunächst Park (40.) und vor allem Waldemar Sobota (41.) die Chance, die Führung zu erhöhen. Sie scheiterten aber an Torwart Fejzic und an Verteidiger Joseph Baffo.
Besser machte es der umtriebige Sahin, als er angespielt vom eingewechselten Maurice Litka allein auf das Braunschweiger Tor zustrebte und nach ein paar Finten den Ball durch die Beine von Torwart Fejzic ins Tor schob.
Rekordverdächtige Nachspielzeit
Dass das Spiel damit noch längst nicht entschieden war, lag auch daran, dass Schiedsrichter Dietz rekordverdächtige sieben Minuten nachspielen ließ. So kam die Eintracht in der sechsten Minute dieser Zusatzzeit durch den eingewechselten Stürmer Suleiman Abdullahi zum 1:2-Anschluss und danach sogar noch einmal zu einer Strafraumszene, die aber erfolglos blieb.
„Wir haben heute nicht nur gekämpft, sondern auch mutig Fußball gespielt. Die Mannschaft sollte aus diesem Spiel die Erkenntnis mitnehmen, dass sie auch belohnt wird, wenn sie so spielt und so zusammensteht, wie das heute der Fall war“, sagte St. Paulis Trainer Lienen nach dem Spiel.
Mittelfeldspieler Johannes Flum stellte nach dem erst dritten Saisonsieg aber auch klar, dass es keinen Anlass dazu gibt, auch nur ansatzweise euphorisch zu werden. „Wir haben hier völlig verdient gewonnen. Es war aber nicht mehr als ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Es müssen weitere folgen“, sagte der aus Frankfurt gekommene Winterzugang. Schon am kommenden Sonntag wartet mit dem Tabellenfünften Dynamo Dresden die nächste ambitionierte Aufgabe im Millerntor-Stadion.
Parallele zu vergangener Aufholjagd?
Der zweite Auswärtssieg der aktuellen Spielzeit war aber auch eine Parallele zum Erfolg in Braunschweig vor zwei Jahren, als St. Pauli ebenfalls als Liga-Schlusslicht angereist war und mit dem 2:0-Sieg eine am Ende erfolgreiche Aufholjagd startete. Auch damals hatte Lasse Sobiech per Kopf ein Tor erzielt. „Wir haben es heute geschafft, den Ball vorn etwas länger zu halten. So hatten wir hinten in der Abwehr auch immer mal wieder eine wichtige Entlastung, um durchzupusten“, sagte Sobiech. „Im Prinzip ist es ein identisches Spiel gewesen wie damals.“
Mit Blick auf das kommende Heimspiel gegen Dresden erwartet Sobiech ein ähnlich intensives Spiel. „Es wird auch da darauf ankommen, die bessere Mentalität an den Tag zu legen“, sagte der Innenverteidiger, der seine eigene Stärke auch darauf zurückführt, dass er jetzt seit Längerem verletzungsfrei ist.