Die Kiezkicker leben noch und überzeugen vor allem spielerisch beim Spitzenreiter. Sahin war der Mann des Spiels.

Braunschweig. Mit einem spielerisch und kämpferisch ansprechenden Auftritt hat der FC St. Pauli ein Ausrufezeichen im Abstiegskampf der Zweiten Liga gesetzt. Die Hamburger haben mit ihrem zweiten Auswärtssieg in dieser Saison Herbstmeister Eintracht Braunschweig überraschend von der Tabellenspitze gestürzt und das Nordderby bei den Niedersachsen mit 2:1 (1:0) für sich entschieden, wodurch die Platzherren auf den dritten Platz zurückfielen. St. Pauli bleibt trotz der drei Punkte Tabellen-Schlusslicht. Matchwinner war Cenk Sahin, der ein Tor vorbereitete und einen Treffer selbst erzielte.

"Der Sieg war überlebenswichtig – gerade im Hinblick auf die anderen Ergebnisse", bemerkte Trainer Ewald Lienen erleichtert. "Hätten wir heute verloren, wäre der Abstand schon beträchtlich gewesen." So aber schöpft St. Pauli neuen Mut im Kampf um den Klassenerhalt. "Das war eine gute Leistung unserer Mannschaft. Von A bis Z hat alles gepasst."

Einzelkritik: Sobiech überragt alle

Lienen hatte seinen Mannen vor dem Spiel geraten, die Tabellensituation auszublenden und die Partie mit Leidenschaft anzugehen. Das taten sie auch. Erstaunlich selbstbewusst suchten die Hanseaten vor 22.775 Zuschauern im Eintracht-Stadion an der Hamburger Straße den Angriff. Schon in der 7. Minute zappelte der Ball im Braunschweiger Tor. Innenverteidiger Lasse Sobiech verwertete einen Eckball per Kopf aus Nahdistanz zur Führung. Es war das erste Kopfballtor für die Kiezkicker in dieser Saison.

Matchwinner Sahin vollstreckt eiskalt

Die frühere Führung kam St. Pauli entgegen. Defensiv standen die Hamburger kompakt und sorgten mit ihren Tempogegenstößen immer wieder für Gefahr. So sorgte Sahin in der 72. Minute für die Entscheidung in einer kampfbetonten Partie. Der 22 Jahre alte Türke tauchte bei einem sehenswerten Konter über den halben Platz, eingeleitet von Maurice Litka, frei vor Eintracht-Schlussmann Jasmin Fejzic auf, guckte ihn nach einigen geschickten Wacklern aus und tunnelte ihn schließlich – Höchsstrafe für den Torwart. Die 2300 mitgereisten Anhänger der Gäste waren aus dem Häuschen. Beim Torjubel bildete er mit seinen Händen demonstrativ ein Herz Richtung Fankurve, um zu zeigen: St. Pauli lebt noch.

Die Braunschweiger, für die Suleiman Abdullahi (90.+6) spät verkürzte, gingen somit erstmals in dieser Saison vor eigenem Publikum als Verlierer vom Platz.

St. Pauli überzeugt spielerisch

Der Erfolg für die stark ersatzgeschwächten Gäste war durchaus unverdient. Insbesondere vor dem Seitenwechsel hätte die Mannschaft von Trainer Ewald Lienen, die vor allem spielerisch und läuferisch zu überzeugen wusste, sogar weitere Treffer erzielen können. Die Gastgeber steigerten sich zwar nach schwachem Beginn, rannten sich aber immer wieder vor dem gegnerischen Strafraum fest. Einzig Braunschweigs Domi Kumbela sorgte einmal für eine Schrecksekunde bei den Kiezkickern, als der Torjäger mutterseelenallein nach Zuspiel von Patrick Schönfeld vor Torwart Philipp Heerwagen auftauchte, den Ball jedoch verstolperte (21.).

Auch in der zweiten Halbzeit hielt die Deckung von St. Pauli stand, obwohl die Braunschweiger sehr offensiv agierten und auch ihr Wechselkontigent schon nach einer guten Stunde ausgeschöpft hatten. In der 68. Minute hatte Christoffer Nyman den Ausgleich auf den Fuß, scheiterte aber aus kurzer Distanz an Torhüter Philipp Heerwagen.

In der achten Minute der Nachspielzeit erlöste Schiedsrichter Christian Dietz, der wegen vieler Verletzungsunterbrechungen eine üppige Extraspielzeit oben draufpackte, die Hamburger. Die sportliche Krise ist damit aber längst nicht überwunden, auch wenn der Rückstand auf den Relegationsplatz sowie das rettende Ufer auf drei beziehungsweise vier Punkte verkürzt werden konnte. "Das war ein wichtiges Signal", weiß auch Lienen.

Die Statistik

Braunschweig: Fejzic - Sauer (46. Ofosu-Ayeh), Decarli, Baffo, Reichel - Moll, Schönfeld (59. Boland) - Omladic, Hernandez - Nyman, Kumbela (58. Abdullahi). - Trainer: Lieberknecht

St. Pauli: Heerwagen - Dudziak, Sobiech, Hornschuh, Park - Nehrig, Flum - Sobota (64. Litka), Möller Daehli (60. Buchtmann), Sahin (90. Neudecker) - Thy. - Trainer: Lienen

Schiedsrichter: Christian Dietz (München)

Tore: 0:1 Sobiech (7.), 0:2 Sahin (72.), 1:2 Abdullahi (90.+6)

Zuschauer: 22.775

Gelbe Karten: Omladic (5), Reichel (5), Schönfeld (5), Nyman (2), Boland (2) - Sobota (3), Sahin (6), Sobiech (4), Flum

Torschüsse: 12:15

Ecken: 3:4

Ballbesitz: 57:43 %

Zweikämpfe: 110:116