Hamburg. Der Kiezclub ist erstmals seit zwei Spielen ohne Gegentor. Auch dank einer eingespielten Viererkette.
Als Sören Gonther am späten Sonntagabend nach fünfstündiger Zugfahrt aus Fürth endlich zu Hause in Hamburg ankam, hatte der Kapitän vom FC St. Pauli nichts besseres zu tun, als sich den 2:0-Sieg gegen die Kleeblätter noch einmal auf Video anzuschauen. „Ich zeichne mir jedes unserer Spiele auf“, verrät Gonther.
Bis in die Nacht schaute sich der 29-Jährige den zweiten Saisonsieg des Kiezclubs an. Das lässt nur annähernd erahnen, wie erlösend der langersehnte Dreier nach elf sieglosen Spielen für St. Pauli gewesen sein muss. „Natürlich haben wir uns alle gefreut wie die Schneekönige. Die letzten Wochen konnten wir uns nicht so oft freuen, deswegen musste das alles auf einmal raus“, sagt Gonther, der die Lage dennoch richtig einzuschätzen weiß: „Am Ende des Tages weiß jeder, wie die Tabelle aussieht.“
Nächtliche Videoanalyse
Trotz der wichtigen drei Punkte bleibt St. Pauli Zweitligaschlusslicht. Neben dieser Erkenntnis dürfte der Innenverteidiger in seiner nächtlichen Videoanalyse aber etwas viel Elementareres festgestellt haben: Die Hamburger haben ihre Stabilität in der Abwehr wiedergefunden. Seit zwei Spielen nun schon steht die Null, das fast leere Punktekonto wuchs um vier Zähler an.
Noch in der vergangenen Saison war die starke Defensivarbeit das Markenzeichen von St. Pauli. In den meisten Spielen sorgte die eingespielte Viererkette bestehend aus Marc Hornschuh, Lasse Sobiech, Philipp Ziereis und Daniel Buballa dafür, dass es in 16 von 34 Partien kein Gegentor gab. Das ist in dieser Saison unvorstellbar.
Seit drei Partien mit derselben Viererkette
Erst am vorletzten Spieltag gelang es den Kiezkickern gegen Kaiserslautern zum ersten Mal, den Kasten sauber zu halten. „Natürlich sind wir die letzte Instanz. Alles, was vorne durchgelassen wird, müssen wir ausbügeln“, sagt Abwehrchef Gonther, verweist aber auf die intensivierte Defensivleistung der gesamten Mannschaft. „Jeder Einzelne hat defensiv unheimlich viel investiert. Auch wenn Fehler passiert sind, war ein anderer in der Nähe und hat ihn ausgebügelt.“ Das sei der Schlüssel zum Sieg gegen Fürth gewesen, meint Gonther.
De facto ist es ein Grund, der zur Stabilität und zum derzeitigen Erfolg von St. Pauli beigetragen hat. Die viel wichtigere Rolle spielt jedoch die personelle Kontinuität in der Viererkette. Seit drei Partien hat Trainer Ewald Lienen in der Abwehr keinen Wechsel mehr vorgenommen. Gegen Heidenheim, Kaiserslautern und Fürth standen Joël Keller, Gonther, Lasse Sobiech und Vegar Eggen Hedenstad in der Startelf.
St. Paulis Lebenszeichen in Fürth:
St. Paulis Lebenszeichen in Fürth
„Wenn man über mehrere Partien hinweg mit der gleichen Formation spielt, macht es das leichter“, bestätigt Gonther. Lienen hat in dieser Saison so viel rotiert, dass St. Pauli mit elf unterschiedlichen Versionen der Viererkette aufgelaufen ist. Das ist bei 16 absolvierten Partien eine ganze Menge. „In einer Phase, in der es nicht läuft, ist das etwas, was die Mannschaft zusätzlich verunsichern kann“, kritisiert Gonther.
Verunsicherung durch zahlreiche Experimente
Viele Ausfälle haben das lange Zeit so stabile Gebilde von St. Pauli durcheinandergebracht. Der Trainer hatte häufig keine andere Wahl, war gezwungen, seine verletzten Spieler zu ersetzen. Gonther fehlte sechs Partien wegen einer Knieverletzung, Sobiech saß zwei Spiele eine Rotsperre ab und Ziereis laboriert schon seit acht Wochen an einer Oberschenkelverletzung. Das ist nur ein kleiner Auszug an Ausfällen von Abwehrspielern.
Dennoch muss Lienen sich vorwerfen lassen, durch zahlreiche Experimente auf jeglichen Positionen zur Verunsicherung des Teams beigetragen zu haben. Damit Gonther es auch in Zukunft kaum abwarten kann, sich die Spiele noch am selben Tag auf Video anzuschauen, braucht St. Pauli Kontinuität in der Mannschaft. Nur so bleibt die Stabilität erhalten.