Hamburg. Elf tritt heute gegen 1. FC Heidenheim an. Noch nie hat sie gegen diese Mannschaft auswärts gewonnen. Mehr ab 13 Uhr im Liveticker.

Es gibt wahrlich schönere Dienstreisen als die nach Heidenheim. 651 Kilometer Entfernung, keine Direktverbindung mit der Bahn, und dann wartet an diesem Sonnabend (13 Uhr, Sky und Liveticker abendblatt.de) mit dem 1. FC Heidenheim ein Gegner, gegen den der FC St. Pauli in seiner Geschichte noch nie auswärts gewinnen konnte. Doch derartige Horrorbilanzen schocken in diesen Tagen niemanden mehr beim Kiezclub. Welche Statistik spricht derzeit nicht gegen den Tabellenletzten der Zweiten Liga?

Heidenheim gegen St. Pauli, das ist auch ein Duell der Gegensätze. Die Auswahl von Trainer Frank Schmidt ist die Überraschungsmannschaft der Saison. Mit 22 Punkten rangiert der Club aus der knapp 50.000 Einwohner zählenden Stadt in Baden-Württemberg auf Rang fünf. Und das mit der besten Defensive der Liga. Nur zehn Gegentreffer ließ Heidenheim bisher zu. Von derartigen Statistiken kann man beim Kiezclub aktuell nur träumen.

"Wir erwarten Existenzkampf"

Das emotionslose und biedere 0:1 am vergangenen Sonntag gegen Fortuna Düsseldorf ließ den vollmundig angekündigten Neustart in nur 90 Minuten verpuffen. Fakt ist: Die Mannschaft muss in Heidenheim vor allem im kämpferischen Bereich eine deutliche Reaktion zeigen, will sie verhindern, dass Trainer Ewald Lienen voll in die Schusslinie gerät. Deshalb nimmt der 62-Jährige sein Team in die Pflicht „Wir erwarten immer, dass sie Existenzkampf abliefern, alles in ein Spiel hineinlegen, letzte Leidenschaft zeigen. Das ist bei uns Grundvor­aussetzung“, sagt Lienen, der in dieser Woche einige ungewöhnliche Dinge im Training machte.

Sie kennen den Gegner

Um die Spielweise des Gegners zu simulieren, wurde St. Paulis Stürmer Aziz Bouhaddouz vom Trainer kurzerhand zu John Verhoek umbenannt. Der Marokkaner sollte das Angriffsverhalten des ehemaligen St.-Pauli-Profis simulieren. „Ich denke, die Jungs wissen, was das für ein Gegner ist. Heidenheim hat Selbstvertrauen, die pressen über den ganzen Platz, sind sehr aggressiv und haben ein gutes Umschaltspiel“, erklärt Lienen.

Letzteres ist bei St. Pauli bereits in der gesamten Saison das Problem. Die Hamburger tun sich schwer, klare Torchancen zu erspielen. Die Offensivabteilung hat keinerlei Bindung zum Rest der Mannschaft. Deshalb ließ Lienen in dieser Woche gerade das Spiel in die Spitze einstudieren. „Es ist wichtig, dass wir selbst ein gutes Umschaltspiel haben. Heidenheim lässt Räume hinter den Außenverteidigern. Spielaufbau ist bei uns ein wichtiges Thema. Wir müssen schnellere und bessere Lösungen finden als zuletzt“, fordert der Übungsleiter, der davor warnt, gegen konterstarke Heidenheimer zu viele Ballverluste zu produzieren.

"Es muss wehtun"

Über allem steht aber, dass St. Pauli wieder das zeigt, für das es eigentlich steht: Laufbereitschaft und vor allem Zweikampfstärke. Es muss dem Gegner wieder wehtun, gegen das Lienen-Team zu spielen. Den Vorwurf, dass gerade das Mittelfeld zu klein und zu schmächtig ist, will Lienen nur bedingt gelten lassen. Mit Christopher Buchtmann (1,75 Meter/72 Kilo), Bernd Nehrig (1,80/79), Waldemar Sobota (1,75/63) und Ryo Miyaichi (1,83/71) stehen nicht gerade angsteinflößende Profis auf dem Platz. „Letzte Saison hatten wir auch keine Monster im Mittelfeld“, erklärt Lienen, ergänzt aber auch: „Wenn man viele Ballverluste hat, muss man in die Zweikämpfe gehen, da spielt die Statur auch eine Rolle. Vom Grundsatz her war es unser Ziel, den einen oder anderen gestandenen Spieler zu holen. Ob uns das im vergangenen Sommer gelungen ist, lasse ich mal dahingestellt“, sagt Lienen, der sich diesen kleinen Seitenhieb in Richtung Ex-Sportchef Thomas Meggle nicht verkneifen wollte.

Fehlt mentale Kraft?

Nun müssen es zumindest bis zur Transferperiode im Winter die Spieler richten, die aktuell im Aufgebot stehen. Deshalb versucht Lienen sein Team zu stärken, allerdings weiß auch der erfahrene Coach, dass sich derzeit vieles im Kopf abspielt. „Manchmal hast du Spieler auf dem Platz, die die mentale Kraft nicht aufbringen können. Das müssen wir hinkriegen“, sagt Lienen, der nicht plant, einen Mentaltrainer zu installieren. Vielmehr sieht er sich selbst in der Rolle des Psychologen: „Die Spieler müssen mit der psychologischen Grundausbildung vorliebnehmen, die wir im Trainerteam haben. Wir werden kein Studium mehr absolvieren können.

Uns muss es gelingen, mit vielen Einzelgesprächen Selbstvertrauen zu erzeugen“, sagt der Trainer, der vor dem Spiel in Heidenheim wieder energiegeladener wirkt als vor einer Woche. „Es geht alles über harte Arbeit und den Glauben an die eigene Stärke. Die Jungs sollen nicht zu kritisch mit sich sein“, so Lienen.

Am Sonnabend gegen 14.50 Uhr wird man wissen, ob sich die harte Dienstreise nach Heidenheim gelohnt hat – oder es der Ort sein wird, an dem die Krise einen neuen Tiefpunkt erreicht.