Hamburg. Insgesamt 19 Punkte verlor die Mannschaft von Trainer Lienen gegen die fünf Abstiegskandidaten. Alushi nimmt Abschied.
Es ist eines der Grundprinzipien des FC St. Pauli, sich für Bedürftige und in Not Geratene einzusetzen und diese nach Kräften zu unterstützen. Dafür erntet der Kiezclub über die Stadtgrenzen hinaus Lob und Anerkennung. Besonders gut kommt es an, wenn sich auch die berufsmäßig Sport treibenden Angestellten des Vereins aktiv und voller Überzeugung an den Aktionen dieser Art beteiligen.
Bei einem speziellen Projekt haben St. Paulis Fußballprofis in den vergangenen Monaten sogar selbst die Initiative ergriffen und ihr Herz für die in einen Abwärtsstrudel geratene Gruppierungen bewiesen. Das Ganze taten sie völlig uneigennützig, ja sie nahmen sogar erhebliche Nachteile dafür in Kauf. Die Begünstigten waren in diesem Fall die in Abstiegsnot geratenen Mannschaften der Zweiten Liga. „Wir wissen, woher wir kommen“, haben die Spieler des FC St. Pauli in dieser Saison immer wieder betont und damit daran erinnert, dass sie selbst vor einem Jahr bis zum Abpfiff des letzten Spiels in Abstiegsangst lebten. Da es ihnen jetzt sportlich bedeutend besser geht, spüren sie offenbar die Verpflichtung, denjenigen zu helfen, die sich diesmal in sportlichen Nöten befinden.
Dies könnte jedenfalls eine plausible und noch zu akzeptierende Erklärung für die extrem schwache Bilanz sein, die die Mannschaft des FC St. Pauli gegen die fünf schwächsten Teams der Zweiten Liga aufweist. Aus den insgesamt zehn Spielen gegen 1860 München, Fortuna Düsseldorf, den FSV Frankfurt, den MSV Duisburg und den SC Paderborn generierten die Hamburger lediglich elf von 30 möglichen Punkten. Drei Siegen und zwei Unentschieden stehen fünf Niederlagen gegenüber. 19 Punkte ließ die Mannschaft von Trainer Ewald Lienen auf dem Weg durch die Saison somit liegen. Dabei überließ das Team dem FSV Frankfurt (0:1 und 1:3) und jetzt auch dem TSV 1860 München (zweimal 0:2) sogar alle jeweils sechs Punkte. Zu klären wäre allerdings noch, warum die St. Paulianer ausgerechnet den MSV Duisburg, immerhin Lienens erste Trainerstation, von ihrer Großzügigkeit ausnahmen und zweimal ganz schnöde mit 2:0 besiegten.
FC St. Pauli gegen 1860 München
Ernsthaft betrachtet ist die extrem schwache Punktausbeute gegen die fünf schlechtesten Teams der Liga, gepaart mit der Heimschwäche, der entscheidende Grund dafür, dass es der FC St. Pauli verpasst hat, in dieser Saison bis zum Ende chancenreich um den Aufstieg in die Bundesliga mitzuspielen. Zum Vergleich: Der seit Freitagabend als Rückkehrer in die Eliteliga feststehende SC Freiburg sammelte 25 Punkte und damit 14 Punkte mehr als der FC St. Pauli gegen die fünf Abstiegskandidaten. Auch der Tabellenzweite RB Leipzig, der vor dem direkten Aufstieg steht, holte bisher 25 Zähler gegen das genannte Quintett und kann diesen Wert sogar noch erhöhen, wenn er am letzten Spieltag in Duisburg spielt.
„Es ist das alte Lied. Gegen Mannschaften, die hier am Millerntor in Führung gehen, sich dann hinten hineinstellen und die Räume eng machen, fehlen uns manchmal die Mittel fehlen, um Tore zu erzielen. Wenn wir das in dieser Saison hinbekommen hätten, würden wir unter den ersten drei Mannschaften stehen“, analysierte St. Paulis Trainer Ewald Lienen nach dem 0:2 am Freitagabend gegen 1860 München. „Aber diese Qualität hatten wir in dieser Saison nicht. Dazu kam, dass uns jetzt seit einiger Zeit John Verhoek und Lennart Thy fehlen und damit wenigstens ein bisschen körperliche Präsenz“, sagte er weiter nach der bereits sechsten Heimniederlage der Saison.
Bei der 0:2-Niederlage gegen 1860 München stand St. Paulis Mittelfeldspieler Enis Alushi in negativer Hinsicht im Blickpunkt. Mit einem haarsträubenden Fehlpass und einem Tritt am Ball vorbei leitete er die beiden Gegentore ein. „Das waren zwei Fehler von mir, gar keine Frage. Aber ich hatte ungefähr 120 Ballkontakte im Spiel, und 90 bis 95 Prozent meiner Aktionen waren gut. Wer viel am Ball ist, macht auch mal einen Fehler“, sagte Alushi selbst dazu. „Leider haben wir im Moment das Pech, dass wir sofort bestraft werden, wenn uns ein Fehler passiert oder wenn wir einmal unachtsam sind. Das war auch schon vor einer Woche in Düsseldorf so“, sagte er weiter.
Nur noch zweimal wird Alushi aller Voraussicht die Gelegenheit haben, seine Fehler wieder gutzumachen. Am Saisonende werden sich die Wege nach knapp zwei Jahren trennen. „Es sieht so aus, dass Enis den Verein wechseln möchte“, sagte Lienen. Alushi hatte sich nicht bis Ende März über einen Verbleib entscheiden wollen, sondern um eine längere Bedenkzeit gebeten. In der Zwischenzeit verlängerte St. Pauli den Vertrag mit Bernd Nehrig, also einem seiner Konkurrenten im defensiven Mittelfeld. „Es gab keine Gespräche mehr mit den Verantwortlichen des Clubs. Insofern kann man davon ausgehen, dass ich im Sommer weg bin“, sagte Alushi. Einen neuen Arbeitgeber aber hat der 30-Jährige nach eigenen Angaben noch nicht gefunden.
„Es waren zwei zum Teil turbulente, aber insgesamt schöne Jahre hier. Das Erlebnis des hart erkämpften Klassenerhalts vor einem Jahr war sicher etwas Besonderes“, sagte Alushi rückblickend. „Jetzt liegt es an uns, dass wir die beiden letzten Spiele erfolgreich bestreiten, damit man mit einem guten Gefühl in die nächste Saison gehen kann.“ Immerhin muss der FC St. Pauli jetzt nicht mehr gegen einen Abstiegskandidaten spielen.