Hamburg. St. Paulis Trainer warnt, „unser Tafelsilber“ zu verscherbeln. Ziereis, Rzatkowski, Sobiech und Himmelmann sind begehrt.

Am Sonnabend kurz vor 15 Uhr hatten die Verantwortlichen und Spieler des FC St. Pauli endgültig Gewissheit, dass sie in diesem Jahr nicht mehr in die Bundesliga aufsteigen können – jedenfalls nicht gemeinsam, sondern nur noch durch einen Vereinswechsel zu einem Erstligisten. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Tabellendritte der Zweiten Liga, der 1. FC Nürnberg, nach einem 0:2-Halbzeitrückstand noch mit 6:2 gegen den 1. FC Union Berlin gewonnen und damit den Vorsprung auf den Tabellenvierten St. Pauli auf neun Punkte ausgebaut. Bei nur noch drei ausstehenden Spielen und einer um 21 Treffer besseren Tordifferenz sind die Franken von den Hamburgern realistisch betrachtet nicht mehr einzuholen.

Nach dem 1:1 am Freitagabend bei Fortuna Düsseldorf geht es für die Mannschaft des FC St. Pauli jetzt also nur noch darum, in den drei letzten Matches der Saison den vierten Platz zu verteidigen, den eigenen Fans vor allem in den Heimspielen gegen 1860 München und den 1. FC Kaiserslautern Erfolgserlebnisse wie zuletzt beim 2:0 gegen Bochum zu bieten und sich somit die noch bestmögliche Position in der Fünfjahreswertung für die Verteilung der Fernsehgelder zu sichern.

Für manch einzelnen St.-Pauli-Profi aber geht es möglicherweise auch noch um mehr, genauer gesagt darum, sich für einen möglichen anderen Arbeitgeber zu profilieren. Die spezielle Situation, eine insgesamt starke Saison gespielt, aber gleichzeitig das Optimum, nämlich den Aufstieg verpasst zu haben, ist eine brisante Gemengelage. Bekanntlich haben längst einige Leistungsträger mit ihren guten Auftritten in dieser Saison das Interesse von Bundesligaclubs geweckt. Dabei schreckt es diese kaum, dass ihre Objekte der Begierde zum Teil noch ein Jahr oder auch mehr vertraglich an den FC St. Pauli gebunden sind.

Die jüngste Episode in dieser Hinsicht ist das publik gewordene Interesse des aktuellen Bundesligadritten Bayer Leverkusen an Verteidiger Philipp Ziereis. Angesprochen darauf reagierte St. Paulis Trainer Ewald Lienen am Freitagabend nach dem Spiel in Düsseldorf ziemlich schmallippig. „Ich habe davon nichts gehört oder gelesen. Oder hat Leverkusen eine Pressemitteilung dazu veröffentlicht?“, sagte er. Lienen weiß natürlich, dass Personalplanungen und Transferabsichten nicht öffentlich verkündet werden, sondern dies erst nach vollzogenen Abschlüssen erfolgt. „Es ist ja eigentlich ein gutes Zeichen, dass andere Vereine an unseren Spielern interessiert sind oder sein sollen. Das dokumentiert die gute Arbeit, die wir machen, und die Entwicklung der Spieler. Bei denen, die einen Vertrag bei uns haben, sitzen wir im Drivers’ Seat und können selbst entscheiden, was passiert“, sagte er weiter.

Dabei stellt sich allerdings immer die Frage, ob eine hohe Ablösesumme als wertvoller betrachtet wird als die sportliche Bedeutung des betreffenden Spielers für die Mannschaft. Ewald Lienen, der sein aktuelles, eingespieltes Team mit einigen gezielten personellen Veränderungen in der kommenden Saison weiterentwickeln will, hat auf diese Fragestellung eine unmissverständliche Antwort. „Wir dürfen nicht unser ganzes Tafelsilber verkaufen“, sagte er am Freitagabend. Dieser Satz darf sehr wohl als Warnung an das Club-Präsidium sowie die Geschäftsführer Thomas Meggle und Andreas Rettig verstanden werden, nicht den Reizen von Millioneneinnahmen zu erliegen und damit der Mannschaft wichtige Stützpfeiler zu entreißen. Den Verlust von Linksverteidiger Marcel Halstenberg, der Ende August für mehr als drei Millionen Euro zu RB Leipzig wechselte, hatte Lienen noch klaglos hingenommen, weil er in Daniel Buballa einen Ersatz in seinem Team hatte. Bei Philipp Ziereis, 23, der erst im vergangenen November seinen Vertrag bis 2019 (mit Ausstiegsklausel 2017) verlängert hatte und perspektivisch bei St. Pauli als Führungsspieler aufgebaut werden soll, liegt der Fall völlig anders.

Erschwerend kommt hinzu, dass sein Innenverteidiger-Kollege Lasse Sobiech in dieser Saison als bester Zweitliga-Akteur auf dieser Position gilt und ebenfalls wieder für Erstligaclubs interessant geworden ist. Sein Vertrag läuft in einem Jahr aus und beinhaltet eine Ausstiegsklausel für diesen Sommer. Bekannt ist zudem, dass mehrere Erstligisten erwägen, den torgefährlichen Mittelfeldspieler Marc Rzatkowski (Vertrag bis 2017) zu verpflichten. Und schließlich zeigt auch Torwart Robin Himmelmann beständig Leistungen, mit denen er manchem Bundesligaclub helfen könnte. „Das Profigeschäft ist so schnelllebig. Es ist schwierig, langfristig zu planen, aber ich habe bei St. Pauli noch einen Vertrag bis 2017. Über alles andere mache ich mir keinen Kopf“, hatte er kürzlich dem Abendblatt gesagt und damit einen Wechsel nicht ausgeschlossen.

Vor dem Hintergrund dieser vier drohenden Verluste, sind die feststehenden oder nahezu sicheren Abgänge der Stürmer Lennart Thy (Bremen) und John Verhoek (Heidenheim) sowie Mittelfeldspieler Sebastian Maier als leicht zu verschmerzen einzuordnen.