Hamburg. Vor dem Spiel bei Spitzenreiter Freiburg lobt Trainer Lienen die VfL-Defensive beim Erfolg über Real Madrid.

Es kommt nicht oft vor, dass Führungskräfte des FC St. Pauli einen anderen Verein als Vorbild für ihren eigenen bezeichnen. Vielmehr wird ja der Kiezclub als Unikat inmitten der Landschaft des deutschen Profifußballs betrachtet. Umso mehr erstaunt, dass nun sogar Cheftrainer Ewald Lienen, der die Werte des FC St. Pauli so intensiv vertritt und lebt wie nur wenige seiner Vorgänger, ausgerechnet den konzernbestimmten VfL Wolfsburg für beispielgebend hält.

Zur Beruhigung sei jedoch gesagt, dass Lienen keinesfalls eine 180-Grad-Wende in seiner Grundhaltung vollzogen hat. Vielmehr hatte der Trainer am Freitag, als er über das am Sonntag (13.30 Uhr, Sky live und Liveticker abendblatt.de) anstehende Spiel beim so offensivstarken Zweitliga-Tabellenführer SC Freiburg (61 Tore in 28 Spielen) sprach, noch das 2:0 der Wolfsburger im Champions-League-Viertelfinale gegen den hohen Favoriten Real Madrid im Sinn. „Wolfsburg hat sehr gut organisiert in der Defensive gestanden. Man sieht es in der Champions League recht häufig, dass eine Spitzenmannschaft mit intensiver Abwehrarbeit gebremst wird“, sagte Lienen.

Auf die Zweite Liga projiziert ist St. Paulis Aufgabe am Sonntag in Freiburg durchaus ähnlich einzuschätzen wie Wolfsburgs Partie gegen Real. Von den zahlreichen statistischen Werten dieser Saison sagt einer fast alles über die Qualität der Breisgauer aus. Nur in drei von 30 Pflichtspielen erzielte das Team von Trainer Christian Streich keinen eigenen Treffer. Eine dieser Partien war das DFB-Pokalspiel gegen Erstligist FC Augsburg (0:3). Dazu kam das 0:2 beim VfL Bochum – und natürlich das 0:1 Ende Oktober beim FC St. Pauli.

Dieses Erlebnis mit dem späten Siegtor von Marc Rzatkowski, der jetzt allerdings wegen einer Fußverletzung und eines Magen-Darm-Infekts ausfällt, ist bei den St. Paulianern im Gedächtnis als Musterbeispiel dafür haften geblieben, wie erfolgreich sie gegen einen personell und spielerisch überlegenen Gegner sein können, wenn sie sich konsequent an die defensive Disziplin halten und nicht dem Drang nachgeben, einen Gegner mit Feldüberlegenheit bezwingen zu wollen.

St. Paulis Neuzugang Vegar Hedenstad hat sich am Sprunggelenk verletzt

Diese Gefahr wird am Sonntag kaum bestehen, denn der Tabellenführer nimmt gerade in seinen Heimspielen grundsätzlich selbst das Heft des Handelns in die eigene Hand. „Wir müssen mit derselben Einstellung wie im Hinspiel auf den Rasen gehen und wieder so eine Leistung abliefern“, sagt Innenverteidiger Philipp Ziereis, auf den in den Duellen mit den gefährlichen Freiburger Offensivspielern Nils Petersen, Maximilian Philipp, Florian Niederlechner, Karim Guedé und Havard Nielsen harte Arbeit zukommen wird. Wer von diesen Topspielern in der Freiburger Startelf stehen und wer als Joker auf einen Einsatz warten wird, ist schwer einzuschätzen. Trainer Christian Streich hatte in den vergangenen Wochen mehrfach damit Erfolg, seinen Toptorjäger Petersen (18 Saisontore) erst in der zweiten Halbzeit ins Spiel zu schicken und die gegnerische Abwehr vor eine neue Aufgabe zu stellen.

„Wir gehen als Außenseiter ins Spiel, aber in dieser Rolle fühlen wir uns auch nicht unwohl“, sagt St. Paulis Verteidiger Ziereis. Neben dem besagten Hinspielerfolg gegen Freiburg kam das Team bekanntlich auch gegen den Aufstiegsanwärter RB Leipzig schon zu zwei 1:0-Erfolgen in dieser Saison.

„Es ist grundsätzlich einfacher, eine Spitzenmannschaft zu bremsen, als selbst in der Offensive Kreativität zu entwickeln, den Gegner zu dominieren und Torchancen zu entwickeln, wie Freiburg und Leipzig dies können. Die Abwehrarbeit ist immer eine Frage von Organisation, Disziplin, Willen und Kampfkraft“, sagte Lienen am Freitag.

Bei den Freiburgern wird Vegar Hedenstad fehlen. Der Außenverteidiger, der im Sommer ablösefrei zum FC St. Pauli wechselt, hat sich einen Bänderteilriss im Sprunggelenk zugezogen.

SC Freiburg: Schwolow – Stenzel, Torrejon, Kempf, Günter – Abrashi, Frantz – Philipp, Grifo – Niederlechner, Petersen.
FC St. Pauli: Himmelmann – Hornschuh, Sobiech, Ziereis, Buballa – Nehrig, Buchtmann – Sobota, Alushi, Kalla – Thy.
Schiedsrichter: Winkmann (Kerken).