Hamburg. Neuzugang Vegar Eggen Hedenstad und Ryo Miyaichis Comeback trösten über eine mäßige Leistung hinweg.

Ryo Miyaichi hatte ein paar Schweißperlen auf der Stirn und war noch etwas außer Atem, als er am Sonnabend Rede und Antwort stand. Das erste Training nach seinem Pflichtspieldebüt für den FC St. Pauli war durchaus intensiv, am Ende ließ Athletiktrainer Janosch Emonts Miyaichi und seine Kollegen sogar noch ein paar Sprints absolvieren.

Der 23 Jahre alte Japaner bat höflich um Verzeihung für seine vorübergehende Kurzatmigkeit, doch ansonsten schien er mit der Frühlingssonne um die Wette strahlen zu wollen. Am Abend zuvor hatte der Offensivspieler sein nach einem Kreuzbandriss lang ersehntes Comeback gegeben, das gleichzeitig sein erster Punktspieleinsatz für den FC St. Pauli war. 258 Tage waren seit vergangen, seit er sich Mitte Juli die Knieverletzung im letzten Testspiel vor dem Beginn der Zweitligasaison zugezogen hatte.

Bereits am Gründonnerstag war Miyaichi im zuschauerlosen Testspiel gegen Hannover 96 (1:4) zu seinem ersten Einsatz nach der Verletzung gekommen, doch seine Einwechslung im ausverkauften Millertor-Stadion am Freitagabend in der 77. Minute des Heimspiels gegen den 1. FC Union Berlin hatte sportlich und vor allem auch emotional eine ganz andere Qualität.

„Ich werde den Moment, als ich eingewechselt wurde, nie vergessen. Ich war sehr aufgeregt, aber die Fans haben mich sehr unterstützt“, berichtete Miyaichi von seinen Gefühlen. Seine sportliche Leistung bewertete er hingegen wenig euphorisch. „Ich kann viel besser spielen“, sagte er. „Es wäre aber auch ein Wunder, wenn er gleich auftrumpfen würde nach einer so langen Pause. Training und Spiel sind eben ein großer Unterschied“, sagte St. Paulis Trainer Ewald Lienen.

FC St. Pauli gegen Union Berlin

Hält auch die Unhaltbaren: Torwart Robin Himmelmann
Hält auch die Unhaltbaren: Torwart Robin Himmelmann © WITTERS | TimGroothuis
Berlins Dennis Daube (M) stand im besonderen Fokus der Partie
Berlins Dennis Daube (M) stand im besonderen Fokus der Partie © dpa | Axel Heimken
Dennis Daube spielte zehn Jahre für den FC St. Pauli
Dennis Daube spielte zehn Jahre für den FC St. Pauli © dpa | Axel Heimken
Berlins Michael Parensen (l) und St. Paulis Christopher Buchtmann kämpfen um den Ball
Berlins Michael Parensen (l) und St. Paulis Christopher Buchtmann kämpfen um den Ball © dpa | Axel Heimken
Waldemar Sobota imZweikampf mit Eroll Zejnullahu
Waldemar Sobota imZweikampf mit Eroll Zejnullahu © WITTERS | TimGroothuis
Zejnullahu im Duell mit Christopher Buchtmann
Zejnullahu im Duell mit Christopher Buchtmann © WITTERS | TimGroothuis
Viele Torchancen hatte Trainer Ewald Lienen in der ersten Halbzeit nicht zu verzeichnen
Viele Torchancen hatte Trainer Ewald Lienen in der ersten Halbzeit nicht zu verzeichnen © WITTERS | TimGroothuis
Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus leitete die Partie am Millerntor
Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus leitete die Partie am Millerntor © WITTERS | TimGroothuis
FCSt. Paulis Trainer Ewald Lienen feuert vor dem Spiel die Fans an
FCSt. Paulis Trainer Ewald Lienen feuert vor dem Spiel die Fans an © dpa | Axel Heimken
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Als am Sonntag auch Miyaichi einen freien Tag genießen konnte, gab sein Arbeitgeber den ersten Zugang für die kommende Saison bekannt. Vom SC Freiburg kommt ablösefrei der 24 Jahre alte Vegar Eggen Hedenstad, der einen Vertrag bis Juni 2019 unterschrieben hat. Den 1,78 Meter große Norweger beschreibt Trainer Lienen als „polyvalenten Spieler mit defensiven und offensiven Qualitäten, der zudem sehr schnell ist“. Er sei nicht nur auf den beiden Außenbahnen der Vierer-Abwehrkette, sondern auch im Mittelfeld einsetzbar. „Trotz seiner erst 24 Jahre bringt Vegar viel Erfahrung mit“, sagt Lienen weiter.

Zuletzt hatte Hedenstad allerdings die Erfahrung machen müssen, dass sich seine Karriere eher in die falsche Richtung entwickelte. Hatte er schon in der Saison 2012/13 in der Bundesliga 16 Spiele, davon neun von Beginn an, für Freiburg bestritten, so kam er in der laufenden Zweitligasaison für die Breisgauer nur noch zu sechs Einsätzen, fünf davon als Einwechselspieler in der Schlussphase. Aber ausgerechnet gegen ein Hamburger Team bestritt er in dieser Saison ein Match über 90 Minuten – das DFB-Pokalspiel der Freiburger beim HSV Barmbek-Uhlenhorst (5:0) am 9. August 2015 in Norderstedt. Am Ende der aktuellen Saison läuft der Vertrag Hedenstads, der in der Spielzeit 2014/15 an Eintracht Braunschweig (28 Zweitliga-Einsätze) ausgeliehen war, aus.

Fünf seiner jüngsten sieben Heimspiele konnte St. Pauli nicht gewinnen

Der FC St. Pauli nutzte nun die Ablösefreiheit Hedenstads, der vor gut drei Jahren auch zwei A-Länderspiele für Norwegen bestritten hat. Sein Marktwert ist laut Transfermarkt.de von 1,5 Millionen Euro 2014 auf aktuell nur noch 650.000 Euro gesunken. Auch beim FC St. Pauli wird er um einen Stammplatz kämpfen müssen, da die Außenverteidiger-Positionen mit Daniel Buballa (links) und Marc Hornschuh (rechts), der gerade einen Vertrag bis 2020 unterschrieben hat, sehr ordentlich besetzt sind.

„Sportlich und menschlich passt Vegar sehr gut ans Millerntor“, sagt St. Paulis Sportchef Thomas Meggle. Hedenstad selbst verbindet mit dem Wechsel durchaus hohe Ambitionen. „Mein Ziel ist es, mich mit dem Team weiterzuentwickeln und wieder in der Bundesliga zu spielen. Ich hoffe, dass wir das zusammen erreichen können.“

Dafür allerdings wird sich der Kiezclub vor allem im Offensivbereich noch hochkarätig verstärken müssen. Das 0:0 gegen Union Berlin war am Freitagabend ein Beleg dafür. Im Spiel nach vorn mangelte es über weite Strecken sowohl an spielerischen Ideen als auch an individueller Torgefährlichkeit. Fünf der jüngsten sieben Heimspiele konnte St. Pauli nicht gewinnen. Immerhin konnte jetzt dank einer weitgehend konzentrierten Defensivleistung eine weitere Niederlage vor eigenem Publikum vermieden werden, weshalb Trainer Lienen auch von einem „gewonnenen Punkt“ sprach. Die Heimschwäche ist allerdings der entscheidende Faktor, warum die drei Aufstiegsanwärter RB Leipzig, SC Freiburg und 1. FC Nürnberg inzwischen weit enteilt sind.