Hamburg. Das 0:4 gegen den 1. FC Nürnberg war die zweite Niederlage in Folge und offenbarte ein eklatantes taktisches Fehlverhalten.

Zwischen Sprachlosigkeit und klaren Worten bewegten sich die Reaktionen der Spieler und Verantwortlichen des FC St. Pauli nach dem schweren sportlichen Rückfall, der fatal an die erste desaströse erste Halbserie der vergangenen Saison erinnerte. „Mir fehlen ehrlich gesagt gerade die Worte für dieses Spiel. Das Ergebnis ist zu hoch ausgefallen“, sagte Innenverteidiger Philipp Ziereis nach dem 0:4 (0:2) gegen den 1. FC Nürnberg. Sein Abwehrkollege dagegen sagte: „Wir sind den Nürnbergern in die Falle getappt und haben es wie schon zuletzt in München nicht geschafft, unser Spiel durchzusetzen. Es ist richtig bitter, hier am Millerntor so hoch zu verlieren. Vier Tore darf man nicht zulassen.“ Auch St. Paulis Trainer Ewald Lienen analysierte treffend: „Wir haben unsere defensive Kompaktheit, die uns so stark gemacht hatte, aufgegeben.“

Lienen hatte sein Team im Vergleich zum 0:2 bei 1860 München auf zwei Positionen verändert. Anstelle von Marc Rzatkowski und Kyoung-Rok Choi standen Enis Alushi und Jan-Philipp Kalla in der Startelf. Für Rzatkowski war es das erste Mal in dieser Saison, dass er bei einem Pflichtspiel zu Beginn auf der Ersatzbank saß. Der Südkoreaner Choi fehlte im Kader, nachdem er am Tag dem Spiel Fieber bekommen hatte.

Einzelkritik: Sobiech und Ziereis ungewohnt fahrig

Im Blickpunkt aber standen zunächst nicht die neu ins Team gekommen Akteure, sondern Mittelfeldspieler Sebastian Maier. Seinen sehr gut geschossenen Freistoß aus halbrechter Position (siebte Minute) wehrte Nürnbergs Torwart Raphael Schäfer mit einer Glanzparade ab. Dann aber unterlief Maier ein Fehlpass im Mittelfeld, der zur bis dahin besten Angriffskombination des Spiels und zur Führung der Franken führte. Die Flanke des glänzend freigespielten Miso Brecko verwertete in der Mitte FCN-Stürmer Niklas Füllkrug zum 0:1 (18.).

Lienen spricht von „Super-GAU“

Die folgenden Angriffsbemühungen der St. Paulianer waren im Endeffekt nicht zielstrebig genug, um die Nürnberger ernsthaft zu gefährden. Erst ein wuchtiger 25-Meter-Schuss von Innenverteidiger Lasse Sobiech, der links am Tor vorbei flog (40.), sorgte für ein Raunen auf den Rängen des mit 29.546 Zuschauern ausverkauften Millerntor-Stadions.

Als sich fast alle schon auf die Halbzeitpause einrichteten, nutzte erneut Füllkrug einen Befreiungsschlag zu einem Konter. Er nahm den Ball vorbildlich mit, setzte sich im Laufduell gegen Philipp Ziereis und Lasse Sobiech durch und schoss den Ball an Torwart Robin Himmelmann vorbei zum 0:2 (43.) ins St.-Pauli-Tor.

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Der Rückstand war eine schwere Bürde, mit der die Kiezkicker in die zweite Halbzeit gingen. Trainer Lienen sagte sogar: „Es ist der Super-Gau, mit 0:2 gegen Nürnberg zurückzuliegen. Es ist ja nicht gerade unsere Paradedisziplin gegen einen tief stehende Mannschaft zu spielen.“

Die Entscheidung fiel kurz nach Wiederanpfiff

Er brachte Jeremy Dudziak für Kalla, um mehr Schwung in die Offensive zu bringen. Tatsächlich bot sich gut vier Minuten nach Wiederanpfiff die große Chance zum Anschlusstreffer, als Marc Hornschuh rechts im Strafraum freigespielt wurde. Doch statt selbst aus guter Position zu schießen, passte der Rechtsverteidiger den Ball in die Mitte, wo ihn aber keiner seiner Kollegen, insbesondere Stürmer Lennart Thy, unter Kontrolle bringen konnte.

Statt das Spiel noch einmal spannend zu gestalten, ließ St. Pauli drei Minuten später die Entscheidung zu. Eine gute und zügige Kombination schloss Nürnbergs Tim Leibold zum 0:3 (53.) ab. „Wir waren heute sehr effizient“, sagte später Nürnbergs Trainer René Weiler. Am Ende hatte sein Team vier Treffer aus nur sieben Torschüssen zu Buche stehen, denn kurz vor Schluss verwertete auch noch Patrick Erras einen Eckball zum 0:4. „Ich haben einen Schlag an meinen Arm und mein Bein bekommen“, beklagte sich St. Paulis Torwart Robin Himmelmann über diese Szene. Seine Feldspieler waren hingegen deutlich ineffizienter als der Gegner, was die 15 Torschüsse, die allesamt nicht zum Erfolg führten, belegten.

Ziereis: Wir sind kein Spitzenteam

„Diese beiden Niederlagen in Folge sind der erste richtige Rückschlag für uns in dieser Saison, in der wir davor ja richtig gut gespielt haben. Wir haben aber auch nie behauptet, dass ein Spitzenteam sind und alle anderen weghauen“, sagte Philipp Ziereis.

„Wir haben zwar eine gute Aggressivität an den Tag gelegt, aber haben uns taktisch fehlerhaft verhalten. Wir sind bei eigenen Angriffen nicht so nachgerückt und haben die Räume nicht so zugestellt, um nach einem Ballverlust gleich wieder den Ball erobern zu können“, sagte Lienen. So seien die entscheidenden Konter ermöglicht worden.

Das Erfreulichste nach dem frustrierenden Nachmittag war noch der Blick auf die Tabelle der Zweiten Liga. Hier wird der FC St. Pauli immer noch auf dem dritten Platz geführt, doch die Clubs dahinter sind deutlich näher gerückt, so auch Nürnberg. Zum Schluss fand Sportchef Thomas Meggle noch ein paar versöhnliche Worte. „Es ist normal, dass man in einer langen Saison auch mal zwei Spiele in Folge verliert. Das ist auch schon den Spitzenteams Freiburg und Leipzig passiert. Wichtig ist jetzt nur, vor dem Spiel in Kaiserslautern die richtigen Schlüsse zu ziehen und auf dem Betzenberg umzusetzen.“