Hamburg. Der FC St. Pauli beantragt bei der DFL, Werksclubs aus dem Marketingpool zu nehmen. Reaktionen aus Hannover, Wolfsburg und Leverkusen.

Der Antrag steckt voller Zündstoff. Der FC St. Pauli hat laut des Fachmagazins „kicker“ für die am 2. Dezember in Frankfurt am Main stattfindende Mitgliederversammlung des Ligaverbandes beantragt, dass die Profivereine, die per Sonderregelung von der „50+1“-Regel ausgenommen sind, künftig von der Verteilung der Einnahmen aus der Liga-Gesamtvermarktung ausgeschlossen werden sollen. Das gehe aus einem Schreiben an Ligapräsident Reinhard Rauball und Christian Seifert, den Chef der Deutschen Fußball-Liga, hervor.

St. Paulis Geschäftsführer Andreas Rettig war lange Jahre bei der DFL
St. Paulis Geschäftsführer Andreas Rettig war lange Jahre bei der DFL © Witters

Konkret heißt dies, dass die Werksvereine Bayer Leverkusen und der VfL Wolfsburg sowie die von Mäzen Dietmar Hopp getragene TSG Hoffenheim und ab 2017 auch Hannover 96 (Mäzen Martin Kind) keine Gelder mehr aus der Fernsehvermarktung der Deutschen Fußball Liga (DFL) sowie aus der Gruppenvermarktung (Adidas-Ligaball, Hermes-Ballbote, Krombacher) der DFL erhalten sollen.

Leverkusen und Wolfsburg sind jeweils 100-prozentige Töchter der Bayer AG respektive des Volkswagen Konzerns. Bei Hoffenheim hält Mäzen Dietmar Hopp die Mehrheit. Hannover 96 könnte ab 2017 nach dem Engagement von Martin Kind über dann 20 Jahre von der "50+1"-Regel auf entsprechenden Antrag hin ausgenommen werden.

Kind: Zentralvermarktung wäre am Ende

„Der Antrag ist unüberlegt und substanzlos“, sagte 96-Präsident Martin Kind der „Bild“-Zeitung (Montag). „Wir denken, dass dieser Antrag nicht mehrheitsfähig sein wird. Sollte ihm stattgegeben werden, ist die Zentralvermarktung am Ende, dann würde es eine Einzelvermarktung geben.“

Dem VfL Wolfsburg bereitet St. Paulis provokanter Antrag indes keine Sorge. „Wir sind der Auffassung, dass dieser Antrag gegen die Satzung verstößt“, sagte VfL-Geschäftsführer Wolfgang Hotze am Montag der Deutschen Presse-Agentur: „Wir würden das auch für eine schädliche Entwicklung halten.“ Ohnehin halte er den Antrag nicht für mehrheitsfähig.

Bayer Leverkusens Geschäftsführer Michael Schade hält den Antrag für nicht durchsetzbar. „Der Antrag hat uns überrascht und ist nach unserem Verständnis nicht zulässig“, erklärte er am Montagmittag in Köln vor dem Abflug des Bundesligisten zum Champions-League-Spiel bei BATE Borissow.

„Alle profitieren von dieser Solidargemeinschaft und der Zentralvermarktung“, sagte Schade. „Wenn Vereine ausgeschlossen werden sollten, was ich nicht annehme, würden möglicher Weise auch noch andere Vereine ausscheiden.“ Gemeint ist damit unter anderen Branchenprimus Bayern München.

Völler: "Rettig macht auf Schweinchen Schlau"

„Ich bin davon enttäuscht und halte das für populistisch. Das ist ein typischer Rettig: Er macht ein bisschen auf Schweinchen Schlau“, kommentierte Bayer-Sportchef Rudi Völler schmunzelnd.

Bereits zuvor hatten die vier betroffenen Vereine mit einem Schreiben an alle 36 Proficlubs reagiert. In einer gemeinsamen Erklärung, die am Freitag von der DFL an die Bundesligavereine geschickt wurde, forderten sie, den Antrag des FC St. Pauli „als unzulässig, hilfsweise als unbegründet einzuordnen.“ Wörtlich heißt es: „Mit dem Antrag auf Ausschluss unserer Klubs von der satzungsgemäß geregelten Verteilung der Vermarktungserlöse erklärt der Antragsteller die Aufkündigung der Solidargemeinschaft in der Bundesliga und in der 2. Bundesliga.“

"Erheblich geringere Erträge für Zweitligisten"

Eine Abrechnung „der Verteilung der TV-Erlöse rein marktwirtschaftlich, ausschließlich nach Nachfrage orientiert“, würde „erheblich geringere Erlöse für die Vereine der 2. Bundesliga darstellen“. Beide Dokumente liegen dem „Kicker“ vor.

Zudem wird in dem Schreiben darauf verwiesen, dass auch die Zweitligaclubs von den Europacup-Teilnahmen Wolfsburgs und Leverkusens profitieren. Andererseits beklagen mehrere Vereine, dass die bestehende Ausnahmeregel für eine Wettbewerbsverzerrung zugunsten der je zwei Werksclubs und von Mäzenen getragenen Vereine darstellt.

Bayern käme Einzelvermarktung entgegen

Eine Aufkündigung der Zentralvermarktung käme gerade großen Clubs entgegen. Branchenprimus FC Bayern München könnte mit einer eigenen Vermarktung deutlich höhere Erlöse generieren.

Bislang werden die Übertragungsrechte zentral von der DFL vermarktet. Der laufende Vierjahresvertrag mit einem Gesamtvolumen von 2,5 Milliarden Euro endet 2017. In dieser Saison verteilt die DFL aus der zentralen Vermarktung insgesamt 850 Millionen Euro, 170 Millionen davon (20 Prozent) gehen an die 2. Liga.