Hamburg. Der FC St. Pauli hat in dieser Saison mit selbstbewusster Spielweise schon zehn Zähler auf fremden Plätzen gesammelt.

Alexander Berthold

Nach einem regenerativen Krafttraining und einer lockeren Mountainbiketour durch das Niendorfer Gehege konnten sich die Stammspieler des FC St. Pauli am Sonnabendmittag in ein verlängertes Wochenende verabschieden. Bis zum Dienstagmorgen hatte ihnen Cheftrainer Ewald Lienen frei gegeben. Die Profis, die wie Lasse Sobiech und Marc Rzatkowski Familienangehörige in Nordrhein-Westfalen haben, mussten nach dem 1:1 beim VfL Bochum am Freitagabend nicht einmal die Busreise zurück nach Hamburg antreten.

Zum einen bot sich die ungewohnt lange Freizeit an, weil das nächste Punktspiel erst am Montagabend kommender Woche stattfindet, wenn Fortuna Düsseldorf im Millerntor-Stadion antritt. „Wir haben dann immer noch sieben Tage bis zum Spiel“, sagte Lienen. Zum anderen aber durften die Akteure den einen Tag Sonderurlaub durchaus auch als Belohnung für ihren immensen Kampf beim VfL Bochum und insgesamt für die in den ersten 13 Zweitligaspielen gezeigten Leistungen ansehen.

Dabei sind die Ausbeute von 23 Punkten und der damit verbundene dritte Tabellenplatz nur ein Aspekt des unübersehbaren Aufschwungs des St.-Pauli-Teams im Vergleich zu den ersten zwei Dritteln der vergangenen Saison. Mindestens genauso bemerkenswert – und die Grundlage zu Siegen und Punktgewinnen – ist das von Selbstvertrauen geprägte Auftreten der einzelnen Spieler und der Mannschaft als Gesamtgefüge. Dies gilt in dieser Saison insbesondere auch in den Auswärtsspielen. Vergessen sind die leblosen, von Angst und Verunsicherung geprägten Auftritte, die vor Jahresfrist fast regelmäßig zu beobachten waren.

St. Pauli liegen die Spitzenteams

„Wir spielen unseren Fußball jetzt auswärts genauso wie zu Hause“, sagte am Sonnabend zusammenfassend St. Paulis Offensivspieler Waldemar Sobota in der Nachbetrachtung des 1:1 von Bochum. Tatsächlich hatte sich sein Team gegen den gerade auch in Heimspielen offensiv starken VfL über die gesamte Spielzeit immer wieder zugetraut, selbst Angriffe über mehrere Stationen zu inszenieren und sich keineswegs nur darauf verlegt, die eroberten Bälle weit nach vorn zu schlagen. „Wir haben Respekt vor jeder Mannschaft in unserer Liga, aber wir haben keine Angst“, sagte Sobota treffend.

Es entspricht der Philosophie von Trainer Lienen, dass seine Mannschaft in der Lage sein soll, mit unterschiedlichen Spielweisen auf die besonderen Qualitäten und Schwächen des jeweiligen Gegners zu reagieren. „Wir müssen noch daran arbeiten, auf alle Eventualitäten eine Lösung zu haben. Erst wenn wir dies schaffen, werden wir ein Spitzenteam sein“, sagte Lienen jetzt.

St. Pauli erkämpft sich einen Punkt im Topspiel bei Bochum

Jan-Philipp Kalla köpfte St. Pauli in der zehnten Minute in Führung
Jan-Philipp Kalla köpfte St. Pauli in der zehnten Minute in Führung © dpa | Guido Kirchner
St. Pauli feiert die Führung in Bochum
St. Pauli feiert die Führung in Bochum © dpa | Guido Kirchner
Bochums Simon Terodde (r.) jubelt über seinen Ausgleichstreffer
Bochums Simon Terodde (r.) jubelt über seinen Ausgleichstreffer © dpa | Guido Kirchner
Lasse Sobiech verzieht das Gesicht nach seinem verschossenen Elfmeter in der zweiten Halbzeit
Lasse Sobiech verzieht das Gesicht nach seinem verschossenen Elfmeter in der zweiten Halbzeit © WITTERS | UweSpeck
Marc Rzatkowski traf in Bochum auf seine ehemaligen Kollegen
Marc Rzatkowski traf in Bochum auf seine ehemaligen Kollegen © dpa | Guido Kirchner
Daniel Buballa klärt resolut gegen Jan Simunek
Daniel Buballa klärt resolut gegen Jan Simunek © WITTERS | UweSpeck
Jeremy Dudziak behauptet den Ball vor Janik Haberer
Jeremy Dudziak behauptet den Ball vor Janik Haberer © WITTERS | UweSpeck
Robin Himmelmann bewahrte St. Pauli mehrfach vor dem Rückstand
Robin Himmelmann bewahrte St. Pauli mehrfach vor dem Rückstand © WITTERS | UweSpeck
Waldemar Sobota (l.) kämpft gegen Patrick Fabian um den Ball
Waldemar Sobota (l.) kämpft gegen Patrick Fabian um den Ball © WITTERS | UweSpeck
Marc Hornschuh (r.) verteidigt gegen Marco Terrazzino
Marc Hornschuh (r.) verteidigt gegen Marco Terrazzino © WITTERS | UweSpeck
St. Paulis Kapitän Lasse Sobiech (l.) klärt per Kopf vor Timo Perthel
St. Paulis Kapitän Lasse Sobiech (l.) klärt per Kopf vor Timo Perthel © dpa | Guido Kirchner
Bochums Felix Bastians (l.) und Jan-Philipp Kalla im Luftduell
Bochums Felix Bastians (l.) und Jan-Philipp Kalla im Luftduell © WITTERS | UweSpeck
Gertjan Verbeek und Ewald Lienen halten einen kurzen Plausch vor dem Spiel
Gertjan Verbeek und Ewald Lienen halten einen kurzen Plausch vor dem Spiel © WITTERS | UweSpeck
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Tatsache ist allerdings, dass die St. Paulianer inzwischen gegen alle sieben Teams gespielt hat, die in der Zweitliga-Tabelle mit ihnen unter den ersten acht stehen. Gegen vier gab es einen Sieg, darunter auch gegen den neuen Tabellenführer RB Leipzig sowie den Zweiten SC Freiburg.

„Vielleicht liegen uns die Mannschaften von oben eher“, mutmaßt Jan-Philipp Kalla, der in Bochum mit seinem Treffer zur 1:0-Führung in der zehnten Minute das schnellste Tor seiner Mannschaft in dieser Saison erzielt hatte. Ganz persönlich hatte das Tor, dem eine schöne Kombination über Lennart Thy und Marc Rzatkowski vorausgegangen war, eine noch etwas größere Bedeutung für Kalla. „Es war mein erstes Kopfball-Tor als Profi“, erzählte er. „Ich finde, das hat doch gar nicht so lange gedauert“, frotzelte er angesichts dessen, dass inzwischen 29 Jahre alt ist und im Mai 2006 sein Debüt in St. Paulis erster Mannschaft gegeben hatte.

Restprogramm muss kein Vorteil sein

Der Erfolg des selbstbewussten Auftretens in fremden Stadien lässt sich auch an Zahlen ablesen. Von den bisherigen siegen Auswärtsspielen verlor St. Pauli nur eines (0:1 beim FSV Frankfurt). Dagegen stehen zwei Siege und vier Unentschieden, also mit hin zehn Punkte, die St. Pauli bisher auf fremden Plätzen ergattert hat. Und dies oft mit einer dominanten, auf eigenen Ballbesitz ausgerichteten Spielweise – also ganz so, wie man es grundsätzlich aus Heimspielen gewohnt ist. Im Übrigen hatte St. Pauli in der gesamten vergangenen Saison insgesamt zehn Punkte in seinen 17 Auswärtsspielen geholt und war das schlechteste Team der Liga. „Wir können in dieser Saison auswärts bei jeder Mannschaft bestehen“, bringt Innenverteidiger Philipp Ziereis den Wandel auf den Punkt.

„Wir sind froh über die Punkte, die wir eingesammelt haben und mit denen wir eine Rolle im oberen Tabellendrittel spielen“, sagte Jan-Philipp Kalla weiter. So wollte er auch dem Umstand nicht viel Bedeutung beimessen, dass Lasse Sobiech mit dem in Bochum verschossenen Elfmeter die Chance vergab, seinem Team für knapp zwei Tage die Tabellenführung zu bescheren. „Zu diesem Zeitpunkt spielt es keine große Rolle, ob man Erster, Zweiter oder Dritter ist“, sagte Kalla. In den kommenden Wochen könnte sich diese Chance erneut ergeben. Bis zur Winterpause stehen noch sechs Spiele an – ausnahmslos gegen Teams aus der unteren Tabellenhälfte. Doch dies muss nach den bisherigen Erfahrungen nicht unbedingt ein Vorteil sein.