Leipzig. St. Paulis Trainer sah beim 1:0 bei RB Leipzig zwei Gesichter seines Teams. Sportchef Meggle freut sich über „sehr homogenes Team“.
Am Ende konnte auch eine fünf Minuten lange Nachspielzeit den Spielern des FC St. Pauli nichts mehr anhaben. Torwart Robin Himmelmann entschärfte noch einmal einen Fernschuss von Zsolt Kalmar, dann war es vollbracht. Glücklich und erschöpft fielen sich die Kiezkicker in die Arme – der kaum zu erwartende 1:0 (1:0)-Sieg beim bisherigen Tabellenzweiten und dank des großzügigen Sponsorings eines Energydrink-Herstellers personell hochklassig besetzten RB Leipzig war unter Dach und Fach gebracht.
Im Mittelpunkt stand dabei der Mann, der für das Siegtor verantwortlich war – Stürmer Lennart Thy. „Ich habe in der Szene einfach mal direkt draufgehalten. Aus einem Torschuss kann ja immer etwas entstehen“, sagte der 23-Jährige später. In diesem Fall hatte er nach Vorarbeit von Marc Rzatkowski den Ball rund 18 Meter vor dem Tor technisch gut angenommen und aus der Drehung direkt auf das Tor geschossen. Per Aufsetzer landete der Ball neben dem linken Pfosten im Netz des Leipziger Tores. „Ich muss beim Torschuss versuchen, nicht so lange nachzudenken“, hatte Thy vor ein paar Monaten einmal gesagt. Diesen Vorsatz hat er zumindest in dieser Szene umgesetzt. Der Zeitpunkt für diesen Führungstreffer in der 44. Minute war zudem ideal.
FC St. Pauli gewinnt in Leipzig
Lienen freut sich für Buchtmann
„Es freut mich sehr für Lenny, dass er sich mit diesem wichtigen Treffer belohnt hat“, sagte Trainer Ewald Lienen. „Er arbeitet in jedem Spiel so viel, geht ungeheuer weite Wege und sichert Bälle, die aus unserer Defensive nach vorn geschlagen werden. Viel besser kann man diese Rolle nicht spielen“, lobte Lienen. Der Trainer hatte schweren Herzens auf Linksverteidiger Marcel Halstenberg verzichten müssen. Dessen Verhärtung im Oberschenkel, über die er seit dem Sieg gegen Fürth klagte, war nicht mehr rechtzeitig ausgeheilt. Damit fehlte den St. Paulianern der Spieler, der mit seinen beiden Treffern entscheidend an den beiden Siegen in Karlsruhe und gegen Fürth beteiligt war. Für ihn rückte Daniel Buballa auf der linken Seite zurück aus dem Mittelfeld auf die Außenposition in der Vierer-Abwehrkette. Neu ins Team kam Christopher Buchtmann, der etwas überraschend auf Buballas Mittelfeldposition rückte und nicht etwa in die Mitte.
Einzelkritik: Sobiech sorgte für Stabilität – Rzatkowski setzte Akzente
„Ich war überzeugt, dass Buchtmann das leisten kann. Zudem sollte er sich auch gelegentlich mit Sebastian Maier abwechseln“, sagte Lienen später über seine taktischen Überlegungen in dieser Frage. Die gute Nachricht für Lienen war, dass Lasse Sobiech nach ausgestandenem Bluterguss in der Wade wieder zur Verfügung stand. Der 1,96 Meter große Abwehrspieler bildete gemeinsam mit Philipp Ziereis St. Paulis Innenverteidiger-Duo.
Zunächst mussten diese beiden gemeinsam mit ihren Kollegen allerdings eine Reihe von gefährlichen Leipziger Angriffen überstehen. Schon in der sechsten Minute rettete Torwart Robin Himmelmann in höchster Not gegen Davie Selke.
Noch gefährlicher wurde es beim ersten großen Auftritt des Schweden Emil Forsberg, der im Strafraum mit einem Haken sowohl Sobiech als auch Ziereis ins Leere grätschen ließ und damit freie Schussbahn hatte. Flach und hart schoss der Leipziger Offensivstar den Ball an den linken Torpfosten (22.). Himmelmann wäre ohne Chance gewesen. Viel zu früh verloren die St. Paulianer in den ersten rund 25 Minuten immer wieder den Ball und mussten so ihren Gegnern hinterherlaufen. Bis dahin war Marc Rzatkowskis direkter Freistoß, den RB-Torwart Fabio Coltorti im Stile eines Volleyballers gerade noch zur Ecke klären konnte, die einzig nennenswerte Offensivaktion der St. Paulianer.
Lienen sah zwei Gesichter seines Teams
„Wir haben in dieser Anfangsphase im Grunde alles falsch gemacht, was wir falsch machen konnten“, sagte Lienen nach dem Spiel. „Da hatten wir Glück, nicht ein, zwei Gegentore bekommen zu haben. Doch dann haben wir es geschafft, diese Fehler zu korrigieren und die Bälle nicht immer wieder in die engen Räume im Mittelfeld zu spielen, sondern uns über die Außen zu befreien.“
Das Bild auf dem Spielfeld wandelte sich tatsächlich nach knapp einer halben Stunde. Als Enis Alushi von Lennart Thy im Strafraum gut freigespielt wurde und auf das Tor schoss, kam Coltorti gerade noch mit seinen Fingerspitzen an den Ball. Es war quasi ein Signal dafür, dass die Leipziger an diesem Nachmittag doch verwundbar sein können. Lennart Thys Treffer war dann der tatsächliche Beweis dafür.
„Der zweite Abschnitt der ersten Halbzeit war das Beste, was wir bisher in dieser Saison gezeigt haben“, sagte Ewald Lienen bei seiner Analyse. In dieser Phase gefiel auch das Kombinationsspiel der St. Paulianer, die gleichzeitig in der Defensive nicht mehr viel zuließen.
Das änderte sich zu Beginn der zweiten Halbzeit allerdings auch wieder, als Leipzigs Trainer Ralf Rangnick für den angeschlagenen Innenverteidiger Tim Sebastian Stürmer Yussuf Poulsen einwechselte. Dieser entwischte Sobiech und spielte Selke frei, dessen Schuss aber links am Tor vorbeizischte. „Die Mentalität unserer Mannschaft ist Wahnsinn. Jeder ist bereit, den Fehler eines anderen wieder auszubügeln. Wir haben ein sehr homogenes Team, das die Attribute von Teamgeist verstanden hat“, sagte Sportchef Thomas Meggle nach dem zweiten Auswärtssieg der Saison. So viele hatte St. Pauli im Übrigen in der gesamten vergangenen Spielzeit errungen.